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Russland/Michaylowka Link zum Tagebch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 3

Erster Tag unterwegs

N 52°49'37.0'' E 050°29'58.2''
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    Tag: 12

    Sonnenaufgang:
    05:18 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:53 Uhr

    Luftlinie:
    49.45 Km

    Tageskilometer:
    55 Km

    Gesamtkilometer:
    6938.92 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt, schlecht

    Temperatur – Tag (Maximum):
    24 °C

    Breitengrad:
    52°49’37.0“

    Längengrad:
    050°29’58.2“

    Aufbruchzeit:
    10.15 Uhr

    Ankunftszeit:
    15.00 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    14.57 Km/h

Trotz der inneren Aufregung haben wir gut und tief geschlafen. Zuversichtlich und voller Vorfreude schwingen wir uns aus dem Stockbett. Wir packen die restliche Ausrüstung in die Satteltaschen und holen die Anhänger und Räder aus ihrer Kammer. “Mein Gott, wer soll denn das alles radeln? Das kann doch kein Mensch schaffen”, jammere ich in meiner Euphorie ein wenig gebremst als ich den Deckel meiner Anhängerbox nicht mehr zubekomme. Noch mal nehme ich den gesamten Inhalt heraus und schlichte neu. “Guten Morgen. Wie geht es euch?”, begrüßt uns Michael, der mit seiner Freundin Tatjana gerade zur Tür reinkommt. “Ich glaube wir benötigen für die gesamte Strecke ein Begleitfahrzeug. Lass uns mal den Anhänger heben. Möchte wissen wir schwer er ist”, antworte ich. “Umpf, super schwer. Das willst du alles aus eigener Muskelkraft bewegen?”, meint Michael mich skeptisch ansehend. “Na wollen nicht, eher müssen. Irgendwie haben wir es ja auch geschafft das ganze Zeug von Deutschland bald 7.000 Kilometer bis nach Samara zu strampeln. Nur frage ich mich jetzt wie wir das vollbracht haben? Es ist die Technik die uns zu schaffen macht. Schau, der Laptop wiegt alleine schon sieben Kilogramm. Er ist schwer aber dafür auch robust. Ein normaler Laptop würde die Erschütterungen nicht aushalten. Auch das Sattelitentelefon ist nicht leicht. Wir benötigen es aber für die Berichterstattung in unsere Webseite. Dazu kommen zwei Videokameras, zwei Leicas, Objektive, Stativ, Netzteile, Kabel, Batterien usw. Alles nur dafür, dass wir unsere Reise dokumentieren können. Ein Haufen zusätzliches Material welches in unserem Fall nicht wegzudenken ist. Nun, ich möchte mich nicht darüber beschweren. Das wäre vergleichbar als würde ich mir mit dem Hammer kräftig auf die eigenen Finger hauen. Es ist ein Teil der Reise und die Reise ist unser Leben. Ist schon in Ordnung so. Nur beklagt sich ein Teil meines Geistes und später bald alle Muskeln unserer Körper darüber”, erkläre ich Michael als wir und lauten Schnaufen die Box nach draußen geschleppt haben.

“Tanja und Denis! Die Mutter Oberin erwartet euch jetzt gleich”, sagt Schwester Katja, die uns richtig ans Herz gewachsen ist. Sofort unterbrechen wir unsere Arbeit und gehen mit Michael zum Oberhaupt des Klosters, um uns für die Gastfreundschaft und Hilfe zu bedanken und zu verabschieden. “Kommt nur rein”, bittet sie uns in ihre Räume. Wir dürfen uns an einen kleinen runden Tisch setzen, während Oberin Johanna mit einer anderen Nonne in einem großen Bücherreal nach etwas sucht. “Ah, da ist er ja”, sagt sie und zieht einen großen Bildband heraus. “Zum Abschied würde ich euch das Buch gerne schenken. Es ist ein wunderschönes Exemplar in englischer Sprache und zeigt viele der russischen Klöster. 500 gibt es mittlerweile wieder in unserem Land. Die Menschen hier hatten eine sehr schwere Zeit durchlebt. Gott sei Dank haben sie einen starken Glauben. Dadurch konnten sie vieles an Entbehrungen überstehen. Der Glaube ist wichtig und hilft besonders in der Not. Wir sind froh, dass es in Russland wieder aufwärts geht und die Menschen jetzt ohne Bestrafung und Verfolgung in die Kirchen und Klöster gehen dürfen, um zu beten”, erklärt sie in dem dicken Bildband blätternd. Tanja und ich sehen uns etwas verlegen an, denn wegen unserer aktuellen Ladesituation können wir ihr Geschenk unmöglich annehmen. “Vielen Dank, aber wir finden zur Zeit keinen Platz in unseren Satteltaschen mehr”, sage ich. “Das habe ich mir fast gedacht. Nun, dann nehmt ihr es eben mit wenn ihr uns wieder besucht”, entgegnet sie mit gütigem Lächeln. Nach dem wir Gottes Segen von ihr empfangen haben und ihr ein Kuvert mit einer kleinen Spende für den Bau des Klosters überreichen, begeben wir uns zum Ausgang ihrer Räume. “Kommt bitte wieder und lasst während der Reise etwas von euch hören. Das würde uns alle sehr beruhigen und freuen”, sagt sie noch bevor die Tür zuklappt.

Dann verladen wir die Ausrüstung und die Räder auf einen uralten russischen Kleinlastwagen. Damit die Räder nicht aneinander liegen und während des kurzen Transports zur Stadtgrenze beschädigt werden, holt Katja ihren schönen Wintermantel. Wir legen ihn als Polsterung zwischen die beiden Rahmen, binden die Bikes fest und sind plötzlich fertig unser harmonisches, friedliches Zuhause der letzten 10 Tage hinter uns zu lassen, um in die weite große unbekannte Welt zu radeln. Wir drücken unseren Freund Michael, seine Freundin Tatjana und seinen Freund Alexej, der extra vorbeigekommen ist, um unseren Aufbruch mitzuerleben. “Hier, ich habe noch ein kleines Geschenk für euch”, meint Alexej und drückt mir eine Flasche selbst gemachten Apfelsaft in die Hand. “Vielen Dank”, sage ich und hoffe mir damit nicht den Magen schon am ersten Tag zu verrenken. “Er schmeckt lecker. Ich braue davon jeden Winter 70 bis 80 Liter in meiner Garage”, entgegnet er als hätte er meine Gedanken gelesen. “Hm, beachtlich gut”, lobe ich nachdem ich einen großen Schluck genommen habe. “Ha, ha, ha”, ist die heitere Antwort von Alexej, dem Mann der vor wenigen Tagen unseren Anhänger reparierte. Dann steigen wir in einen alten heruntergekommenen Lada und folgen dem Kleinlaster. Im Rückspiegel werden unsere russischen Freunde immer kleiner. Wir winken. “Vielleicht besuche ich euch heute Abend. Ruft mich an wenn ihr dort seid!”, ruf Michael hinterher. Dann biegt unser kleiner Konvoi um die Ecke und das Kloster Iversky ist außer Sicht.

Bei schönstem Wetter und angenehmen Temperaturen verlassen wir die Millionen Metropole Samara. Es geht an der Wolga vorbei, der wir mit unseren Rädern für 1.000 Kilometer gefolgt sind. Wir werfen noch mal einen Blick auf die schöne Uferpromenade mit ihren vielen kleinen Restaurants, Cafes und Bars. Dann geht es durch den Berufsverkehr, vorbei an hässlichen Fabriken, über Brücken und eher wir uns versehen sind wir auf einer verkehrsarmen Straße die nach Kasachstan führt. Katja darf uns heute begleiten. Oberin Johanna hat es erlaubt. Glücklich hält sie Tanjas Hände. Die Verständigung mit ihr wird täglich besser. Sie hat ein paar Worte Deutsch und Englisch gelernt währen uns wieder das eine oder andere russische Wort ins Gedächtnis kommt. Plötzlich hält der klapprige Kleinlaster vor uns an. Etwa 25 Kilometer hinterm Kloster, am Straßenrand der Bundesstraße M32 entladen wir unser gesamtes Material. In weniger als einer viertel Stunde sind wir startklar. Obwohl ich nicht weiß ob man eine Nonne drücken darf umarme ich Katja, um mich von ihr zu verabschieden. Sie erwidert die freundschaftliche Umarmung und drückt mich ebenfalls ganz fest. “Eine sichere, gesunde, erfolgreiche Reise wünsche ich euch”, sagt sie und wendet sich Tanja zu. Die Beiden hatten schon von der ersten Minute an einen sehr guten Draht zueinander. Sie umarmen sich ebenfalls ganz fest und sagen sich viele gute Wünsche. Dann möchte Katja noch mal mit dem Super-Bike von Tanja fotografiert werden. Der Fahrer zeigt mir mittlerweile noch mal wo wir uns befinden und wo es die nächste Gastiniza gibt.

Kuckucke und wenig Verkehr

“Da ßwidanja!” (Auf Wiedersehen) rufen wir und winken Katja und den beiden Fahrern als sich unsere Zahnkränze nach all der Vorbereitung zum ersten Mal auf dieser Etappe drehen. Schon nach 500 Metern muss ich meinen Sattel und Lenker einstellen. Wegen dem Transport von Deutschland nach Russland und weil wir im Kloster keine Möglichkeiten hatten einen Realtest durchzuführen, sind wir nun gezwungen alle Feineinstellungen während den beginnenden Kilometern zu tätigen. Die ersten Meter sind sehr ungewohnt, vor allem mit der schweren Last. Stark schwanken unsere Rösser hin und her, doch nach wenigen Kilometern beginnen sich unsere Körper an die Belastungen und den Bewegungsablauf zu erinnern. Eine halbe Stunde später gibt das Linke Lenkerhörchen einfach nach. Resultat, Schraubgewinde im Eimer. Gott sei Dank finde ich in unseren Ersatzteilen die passende Schraube. Dann geht es weiter.

Das Wetter ist für diesen Tag ideal. Bei maximalen Temperaturen von 24 Grad, lockerer Bewölkung, absoluter Windstille und nur leichten Hügeln kommen wir recht gut voran. “Kuckuck! Kuckuck! Kuckuck!”, begleitet uns bald unaufhörlich der uns vertraute Ruf dieser Vogelfamilie von der es etwa 140 Arten auf der Welt gibt. Soweit ich weiß ist der Ruf unseres heimischen, in Eurasien bis nach Japan und in Nordafrika verbreiteten Kuckucks der wohl bekannteste Vogellaut. Wir sehen ihn als ein gutes Omen für unsere Reise. Links und rechts der Straße ziehen sich wieder Baumreihen entlang. Ab und an überholt uns ein Lastwagen in großem Abstand. Zu unserer Verblüffung sind die Straßenränder nicht verschmutzt. Seit Ungarn, Serbien vor allem in Rumänien und der Ukraine waren die Straßenränder nicht selten die reinste Müllhalte. Auch in Russland wirft man alles weg was man nicht gerade braucht. Umweltschutz ist in diesen Ländern kaum ein Thema. Doch hier fahren nur wenig Menschen. Also wird wahrscheinlich auch wenig aus den Autofenstern geworfen. Eine Wohltat für unsere Augen. “Genau so habe ich mir eine Radreise durch Russland vorgestellt!”, ruft Tanja. “Ich auch”, lache ich zufrieden mit mir und der Welt.

Nach etwa 27 Kilometer rauschen wir die erste Anhöhe hinunter. Mein Tacho zeigt 54 KMH. “Fahr nicht zu schnell!”, warnt Tanja. Unten angekommen sehen wir die erste Gastiniza. Ich parke mein Super-Bike zischen den Autos. Sofort kommen Menschen auf mich zu, versammeln sich anfänglich etwas schüchtern um mein Rad und beginnen mir die ersten Fragen zu stellen. “Wo kommt ihr her? Wo fahrt ihr hin?” Als sie verstehen ist die Verwunderung wie immer beachtlich. “Was kosten eure tollen Räder?”, ist dann die zweitwichtigste Frage. Wir verstehen die Frage nicht”, ist unsere Standardantwort, um keinen Neid zu wecken und um die wunderbaren Roadtrains vor Diebstahl zu schützen. “Ihr dürft die Räder unter keinen Umständen über Nacht da stehen lassen. Da sind sie morgen mit Sicherheit fort”, warnt uns ein Mann der aus Tschetschenien stammt. “Kommt ich zeige euch wo die Garage ist”, sagt er und führt uns zu einer Werkstatt im Hinterhof der Gastiniza. Dort dürfen wir unsere Bikes in einer Autolackiererei einsperren.

Für 950,- Rubel (26,-) bekommen wir ein kleines, sauberes und neues Appartement. Das heißt ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, Dusche und WC. Im Vergleich zum Klosterzimmer ein echter Luxus. Da wegen den Bauarbeiten im Kloster schon seit ein paar Tagen kein heißes Wasser aus der Leitung kommt genießen wir die heiße Dusche besonders. Am frühen Abend klopft es an die Tür. Michael steht da. Er hat es tatsächlich wahr gemacht uns noch mal zu besuchen. In einer langen Unterhaltung geht er mit uns die Karte von Kasachstan durch. “In der Stadt Aktöbe gibt es sehr schlechtes Wasser. Da müsst ihr aufpassen. Auch dürft ihr unter keinen Umständen die Gegend um die Stadt Semey im äußersten Osten aufsuchen. Dort haben die Russen zur Zeit der UdSSR ihre Atombombentest durchgeführt. Die Landstriche dort sind mit Sicherheit verstrahlt.” Ich markiere die für uns gefährlichen Gebiete genau und wir gehen mit ihm noch mal unsere geplante Reiseroute durch. “Also um Semey werden wir einen Bogen machen aber das schlechte Wasser von Aktöbe müssen wir in Kauf nehmen. Wir trinken sowieso nur Wasser aus Flaschen. Also kein Problem”, sage ich. Plötzlich ist es 23:00 Uhr. Weil wir morgen weiter wollen und früher raus müssen als sonst verabschieden wir uns nun höchstwahrscheinlich zum letzten Mal von unserem Freund. “Wenn ich ein besseres Auto habe werde ich euch vielleicht mal in Deutschland besuchen”, sagt er. “Gerne, aber ruf vorher an. Wer weiß ob wir nicht gerade irgendwo auf der Welt mit einem Indianerstamm im Urwald leben”, antworte ich lachend.

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