Erkundungsfahrt, Rindergitter und Zäune
Tag: 43
Herz-Camp — 23.06.2000
Da heute mein Interviewtag ist können wir erst morgen aufbrechen. Ich nutze die Zeit zwischen den Anrufen um die Ladung mit unserer Handwaage zu wiegen und die gesamte Ausrüstung neben die jeweiligen Sattelrahmen zu legen. Petro ist 140 Kilometer in Richtung Norden nach Paynes Find gefahren, um herauszufinden ob es dort eine Möglichkeit gibt unsere Sättel zu schweißen. Wir sind uns zwar über die Funktionstüchtigkeit der Sättel sicher, trotzdem ist es gut im Notfall eine weitere Möglichkeit zu haben die ‘L-Rahmen’ nochmals umbauen zu können. Erst um 21 Uhr kommt Petro von seiner Erkundungsfahrt zurück. “Ich habe gute Neuigkeiten,” sagt er übers ganze Gesicht strahlend, als er an das flackernde Lagerfeuer tritt. “Die neuen Besitzer oder Pächter des Roadhauses in Paynes Find sind sehr nette Menschen. Falls irgend etwas mit den neuen Sätteln schief läuft, könnt ihr den Workshop sogar kostenfrei benutzen. Die Menschen dort sind mehr als hilfsbereit und freuen sich, euch helfen zu dürfen.”
Wir sind erleichtert die guten Nachrichten zu hören, denn mit jedem weiteren Kilometer, entfernen wir uns mehr und mehr von Goomalling. Für Jo und Tom wird es also immer zeitintensiver uns zu helfen. Abgesehen davon, ist nun hoffentlich der Punkt erreicht auf eigenen Füßen stehen zu können. Irgendwann muss doch die nervige Sattelgeschichte ein Ende finden. Ich trinke gerade von meiner heißen Tasse Tee als Petro mit einer weiteren Neuigkeit unsere Freude ein wenig trübt. “Nun, auf dem Weg von hier bis nach Paynes Find gibt es links und rechts neben der Straße immer noch Zäune. Es wird für euch weiterhin nicht einfach sein einen guten Campplatz zu finden. Außerdem konnte ich mindestens 10 der gefährlichen Rindergitter ausmachen die sich von einem Zaun zum anderen und über die gesamte Straße ziehen.” “Was?”, rufe ich prustend und verschlucke mich dabei an meinem Tee.
An dieser Stelle muss ich erklären was es mit diesen Rindergittern auf sich hat: Es sind lange, meist runde Rohre, Schienen oder Balken die nebeneinander in den Boden eingegraben sind, so, dass sie auf gleicher Höhe mit den Straßen, Wegen oder Schienen liegen, welche die Tiere nicht überqueren sollen. Damit keines der Rinder, Schafe oder sonstiges Vieh darüber laufen kann, ist von einem Rohr zum anderen ein schmaler Abstand gesetzt. Jedes Tier, welches darüber geht kann sich leicht die Beine brechen und somit sind diese Rindergitter eine effektive Lösung ganze Viehherden zu stoppen. Auch mit unseren Kamelen haben wir keine Chance diese Rindergitter zu überschreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kamel mit einem Fuß in so einen Gitterabstand rutscht und sich dabei einen Fuß bricht, ist sehr hoch. Wir wurden bereits während der Expeditionsvorbereitung vor diesen Gittern gewarnt, ich hätte aber nicht damit gerechnet, schon jetzt mit diesem Problem konfrontiert zu werden. Wieder ist mein Traum endlich offenes Stationsland erreicht zu haben dahin. Schon die letzten 280 Kilometer sind wir den Eisenbahnschienen und Zäunen gefolgt und jetzt soll die Situation unverändert bleiben.
Wie wir diese Gitter umgehen ist uns noch nicht klar. Es gäbe die Möglichkeit mit unserer Karawane durch eines der Tore zu gehen, die den Zugang in die Einzäunung neben der Straße ermöglichen. Wichtig dabei ist die eiserne und sehr verständliche Regel im australischen Busch zu befolgen, alle Tore so zu hinterlassen wie man sie auffindet. Das heißt, ist ein Tor zu, schließt man es wieder nachdem man es durchschritten hat und ist es offen lässt man es offen. Abgesehen davon wissen wir leider nicht ob sich am Ende solcher riesigen Farmen ein weiteres Tor befindet, um das eingezäunte Land wieder verlassen zu können. Im Notfall müssten wir dann die gesamte Strecke zurücklaufen oder dem Zaun so lange folgen, bis wir ein Tor in die Freiheit finden. Sich durch den Zaun schneiden wäre auch eine Möglichkeit, jedoch nur wenn unser Leben durch ein Buschfeuer in Gefahr wäre und uns nichts mehr anderes übrig bliebe, als die Flucht durch den Zaun anzutreten. Sollten wir uns also wirklich durch einen Zaun schneiden müssen, würde das bedeuten ihn danach wieder in den Urzustand zu versetzen. Wir benötigen also das geeignete Werkzeug dazu, genügend Draht und viel Zeit. Im allgemeinen sieht es kein Farmer gern, wenn sein Zaun zerschnitten wird. Die Gefahr, dass er danach nicht in den ursprünglichen Zustand versetzt wird ist groß und es kann dann geschehen, dass eine gesamte Schaf- oder Rinderherde ausbricht, welches katastrophale Folgen für den Besitzer nach sich zieht und natürlich auch für denjenigen der den Zaun zerschnitten hat. Der einfachste Weg ein Zaunproblem zu umgehen ist, zwei oder drei Pfosten auszugraben, um den Zaun auf eine große Länge flach zu legen. Wir könnten so mit unserer Karawane ohne Gefahr über den, am Boden liegenden Zaun schreiten und müssten danach nur die Pfosten wieder aufstellen und eingraben. Auf diese Art gibt es keine Schwierigkeiten die wichtige Spannung der Einzäunung zu verlieren und niemand wird damit geschädigt. Wie auch immer, wir werden erst vor Ort in der Lage sein die hoffentlich richtige Entscheidung zu treffen.