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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Erfolgreiche Mission

N 51°39'155'' E 099°21'977''
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    Tag: 307

    Sonnenaufgang:
    05:15

    Sonnenuntergang:
    21:23

    Gesamtkilometer:
    1361

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    10°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    5°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 6°C

    Breitengrad:
    51°39’155“

    Längengrad:
    099°21’977“

    Maximale Höhe:
    1858 m über dem Meer

Mein Feuerholz ist zu Ende. Ohne Pferde ist das ein Problem da ich somit keine abgestorbene Baumstämme aus dem Wald schleppen kann. Ich überlege wie ich an Brennmaterial herankomme ohne meine Nachbarn anpumpen zu müssen. Dann fallen mir die Rundhölzer, Baumpflöcke genutzt als Sitzhocker und kleinen Tischchen ein, die ich am Tag nach unserer Ankunft nutzte und fertigte, um den feuchten Boden unseres Zeltes trocken zu legen und es einzurichten. Kurz entschlossen verlasse ich mein Tipi, laufe ins Zelt und hole die hölzerne Einrichtung, um sie ohne zu zögern mit der Motorsäge in ofengerechte Stücke zu zerkleinern. Ich komme mir dabei wie ein Aborigine vor bei denen, so haben wir es in Australien selbst erlebt, so etwas des öfteren geschieht. Auch wenn es nicht gerade eine elegante Lösung sein scheint seine Wohnungseinrichtung zu verheizen ist es in diesem Fall ein vertretbarer Ausweg. „Wer weiß ob wir das Zelt in den nächsten Wochen nutzen werden?“, frage ich mich mit meiner Idee zufrieden. Das grob gearbeitete Mobiliar wird mich warm halten bis Tanja und Bilgee kommen. Spätestens dann kann ich mit Bilgee Bäume aus der Taiga holen, um daraus vernünftiges Brennholz zu sägen.

17:20 Uhr. Ich höre das mir sehr vertraute Hüsteln Bilgees. „Das kann doch nicht sein?“, geht es mir durch den Kopf und stürme aus dem Tipi. „Hallo Denis! Wie geht es dir?“, sagt er in einer Mischung aus Mongolisch und Englisch. „Ihr seid schon da? Das ist ja fantastisch. Eigentlich wolltet ihr doch erst übermorgen wieder hier sein? Wo ist Tanja? Geht es dir und ihr gut?“, frage ich weil ich nur Bilgee mit zwei Packpferden sehe. „Oh, ich habe sie verloren“, antwortet er schmunzelnd. Minuten später wird sie von dem dichten Buschwerk freigegeben. Lachend kommt sie auf mich zugeritten. Um sich vor dem ewigen kalten Wind zu schützen ist ihr Gesicht von einem warmen Schal vermummt. „Hallo mein Schatz!“, ruft sie und steigt vom Pferd. Ich nehme sie in die Arme und bin froh sie heile und an einem Stück wiederzusehen. „Alles in Ordnung?“, frage ich. „Ja, soweit schon. Und bei dir?“ „Alles klar. Aber ich habe hier ja nichts erlebt. War sehr ruhig. Bei dir war es sicherlich aufregender?“ „Ich erzähle dir gleich. Jetzt lass und erst mal die Pferde abladen“, meint sie.

Bereits zehn Minuten später sitzen wir in unserem Tipi um den Ofen, trinken heißen Tee und essen frisch gebackenes Brot, welches ich erst vor einer Stunde von der Herdplatte nahm. „Ach ist das schön warm bei dir“, sagt Tanja nach einem langen Ritt und einer entbehrungsreichen Woche. „Da brennt unser Mobiliar.“ „Unser was?“ „Na der Fußboden und die Sitzhocker vom Zelt“, antworte ich trocken. „Ach so. Ich dachte schon du hast unsere Ausrüstung verheizt“, erwidert sie lachend. „Und wie war es? Wart ihr erfolgreich? Hast du einen neuen Pferdemann gefunden?“, frage ich neugierig. „Ich berichte am besten von Anfang an.“ „Gerne. Ich brenne darauf zu hören wie es euch ergangen ist“, meine ich und lausche.

„Also, wir waren gerade fünf Minuten unterwegs als die Vorderbeine von Sar einfach eingeknickt sind und ich mit einem Salto aus dem Sattel flog.“ „Was? Um Himmels Willen? Und dir ist nichts geschehen?“ „Nein. Ich habe mich abgerollt und stand sofort wieder auf beiden Beinen. Hatte Angst Sar fällt auf mich drauf. Adrenalin war anscheinend der Grund für diese Geschwindigkeit. Ich stand entschieden schneller wieder auf den Beinen als mein Pferd.“ „Gut das der Boden an jener Stelle nicht steinig oder felsig war. Was hat Bilgee dazu gesagt?“ „Er ist voraus geritten und hat es gar nicht mitbekommen. Aber du weißt ja wie es in der Mongolei ist. Vom Pferd fallen ist kaum erwähnenswert.“ „Stimmt“, antworte ich an meinen Sturz denkend dessen Folgen noch immer zu spüren sind. „Wegen dem schlechten Wetter und der Schwäche unserer Pferde benötigten wir drei Tage bis nach Tsgaan Nuur. Als ich die Nussschüsseln sah, die die Menschen hier Fähre nennen, habe ich mich gefragt wie wir unsere sieben Pferde über den Shishged Gol, (Shishged Fluss) der an jener Stelle in den See mündet, bringen sollen. Da passen doch keine sieben Pferde drauf. Meinte ich, worauf Bilgee versuchte mich mit seinem dsügeer dsügeer (okay, okay) zu beruhigen. Ich war aber ganz und gar nicht beruhigt denn ich hatte Bedenken sie könnten in die Fluten stürzen. Letztendlich war es ein großes Stück Arbeit die Pferde auf die ungesicherte Plattform zu treiben. Bor wollte um nichts in der Welt darauf. Bilgee versuchte alles. Am Ende schlug er ihn mit einem großen Stock auf den Hintern bis er endlich auf das wackelige Ding stolperte. Die Überfahrt ging dann tatsächlich reibungslos von statten. Keines unserer Pferde ist heruntergefallen. Wir erreichten Ayushs Baisin und wurden zu Brot und Milchtee eingeladen. Ich sagte zu Bilgee er soll sich ausruhen während ich für uns etwas Nahrung einkaufe. Als ich zurückkam aßen wir Brot und Fisch.

Bevor Bilgee in die Berge ritt, um die Pferde zu hüten, hat er mir mitgeteilt das Ayuhs 10.000 Tugrik (5,71 €) pro Nacht haben möchte. Ich regte mich tierisch auf und sagte ihm, dass er uns im Winter um eine gesamte Lastwagenladung voller Holz betrogen hat. Ayuhs erwiderte, dass die 80.000 Tugrik (45,71 €) mit unserer letzten Übernachtung abgegolten seien. Ich schnappte nach Luft denn das hätte bedeutet, dass er sich in den vier Tagen die wir dort verbrachten, um auf Bilgee und die Pferde zu warten, 20.000 Tugrik (11,42 €) pro Nacht von uns ergaunert hätte. Als ich nicht bereit war ihm diese Summe zu überlassen ließ er mir verkünden unser gesamtes Gepäck herauszuwerfen wenn ich nicht seiner Forderung nachkomme.“ „So ein verdammter Gauner. Eine echte miese Ratte dieser alter Kerl. Letztes Jahr hatten wir seine heruntergekommene Hütte doch für 1.000 Tugrik (0,57 €) am Tag gemietet“, empöre ich mich. „Ja dieses sagte ich auch. Jetzt kostet es 10.000 Tugrik pro Person war seine Antwort. Was hätte ich tun sollen? Er ist ein Betrüger und in diesem Fall sind wir ihm ausgeliefert. Zähneknirschend zahlte ich.

Noch am gleichen Nachmittag erfuhr ich, dass viele der Männer in der Taiga waren, um den Waldbrand zu löschen. Es war also ein undenkbar schlechter Zeitpunkt einen Pferdemann zu bekommen. Ich hing mich sofort ans Telefon, um all unsere mongolischen Kontakte zu mobilisieren aber keinen war erreichbar. Es war zum verzweifeln. Ich hätte dich echt gebraucht. Etwas niedergeschlagen saß ich in dieser Hütte und überlegte meine nächsten Schritte als Ayushs Stiefsohn Jock eintrat und es sich auf dem Bett bequem machte. Diese Hütte ist auch mein Zuhause, sagt er und lockerte seinen Gürtel. Ich stand kommentarlos auf und bin in den Ort gelaufen, um Lebensmittel für uns einzukaufen.“ „Moment, Ayush verlangt den absoluten Wucherpreis von 10.000 Tugrik, (5,71 €) also den gleichen Preise den man für ein Gasthaus oder Pension mit Frühstück bezahlt und sein Sohn beanspruchte die Hütte auch als seine Unterkunft?“, frage ich verblüfft. „Ja. Aber nachts war er nicht da.“ „Na das wäre ja noch schöner. Man, diese Mongolei stellt alles auf dem Kopf was ich jemals über Anstand und Ehrlichkeit gelernt und erfahren habe“, stöhne ich und verspüre eigentlich keine große Lust Tanjas entmutigende Geschichte weiter anzuhören. „Und? Wie ging es weiter?“, sage ich indes.

„Tsendmaa konnte mir bei dieser leidigen Sache mit Ayush, seinem Stiefsohn und der Suche nach einem Pferdemann nicht helfen. Sie musste noch am gleichen Tag nach Ulan Bator reisen. Also war ich alleine. Ich besorgte was die knapp gewordene Zeit an diesem Tag noch zuließ und lief zurück in diese hässliche Baisin. Dann öffnetet ich eine Flasche Bier und ließ den Abend ausklingen. Am folgenden Tag packte ich unsere Ausrüstung, die wir dort gelagert haben, um. Einen Teil wird Bilgee mit nach Mörön nehmen und bei Saraa deponieren und die Wintersachen transportiert er nach Erdenet. Er hat versprochen diese für uns zu lagern und wenn wir nach der Pferdeexpedition wieder in Erdenet sind können wir sie von ihm abholen. Somit sparen wir uns weitere Transportkosten.“ „Gute Idee“, werfe ich ein. „Den Nachmittag verwendete ich dafür einige Geschäfte zu fragen ob sie unsere Kisten, Kanister, den Tisch und Stühle und so weiter kaufen wollen“, fährt Tanja fort. „Ich sage dir. Das war vielleicht deprimierend. Sie haben mich teilweise richtig ausgelacht. Ein Pärchen sagte sie kommen in einer Stunde zu Ayushs Blockhaus, um sich die Sachen anzusehen. Die sind nie aufgekreuzt.“ „Oh weh, klingt ja alles nicht gerade toll“, stöhne ich immer wieder. „Hast du einen Pferdemann gefunden?“, möchte ich wissen. „Nein aber eine Pferdefrau.“ „Eine Frau?“ „Ja. Ich habe mit Bilgee Zettel an die Türen der Läden gehängt. Wegen dem Waldbrand hat sich keiner gemeldet außer einer Frau. Anfänglich war ich genauso dagegen wie du.“ „Ich bin nicht unbedingt dagegen“, werfe ich ein. „Nun, wie auch immer. Sie scheint stark genug zu sein das Gepäck auf den Pferden zu verschnüren. Sie berichtete davon im Winter mit ihren eigenen Pferden zum Jadesuchen zu gehen. Du weißt was das für ein harter Job ist. Ich denke sie könnte es schaffen. Per Zufall traf ich Shagai und Dalai. Sie sprachen davon, dass die Frau etwas verrückt ist aber mit Pferden gut umgehen kann.“ „Haben sie das Verrückt auf die Jadesuche bezogen?“ „Kann schon sein. Ich sagte ihr wir melden uns wenn wir in zehn Tagen wieder in Tsagaan Nuur sind. Vielleicht können wir unser Lager neben ihrer Jurte aufschlagen. Dann müssten wir nicht mehr zu dem Halsabschneider Ayush“, überlegt Tanja. „Vielleicht. Vielleicht erlauben uns aber auch Dalai und Shagai bei ihnen unser Zelt aufzuschlagen so lange wir im Ort sind?“, überlege ich. „Da bin ich mir ganz sicher. Wir müssten nur unsere Ausrüstung von Ayush wegbringen“, gibt Tanja zu bedenken. „Dafür mieten wir uns ein Auto. Wir werden schon eines auftreiben.“ „Bestimmt. Die Pferdefrau ist bestimmt keine schlechte Wahl“, fährt Tanja fort. „Sie hat mir geholfen unsere Ausrüstung in einen Laden zu schaffen wo sie jetzt als Kommissionsware zum Verkauf angeboten wird. Denke da könnte etwas gehen.“ „Sie scheint engagiert zu sein und den Job haben zu wollen“, meine ich. „Ob wir sie nehmen oder nicht habe ich davon abhängig gemacht was du sagt wenn du mit ihr gesprochen hast. Sie war damit einverstanden. Bilgee hat das Zusammensein mit uns in den höchsten Tönen gelobt. Ist nicht viel Arbeit und es gibt Fleisch und Schokolade“, sagte er. „Der Bilgee. Ha, ha, ha. Hat den Job anscheinend gut verkauft.“ „Das hat er. Und ich bin sicher es gefällt ihm bei uns.“ „Absolut. Insgesamt ist er jetzt bald sechs Monate im Team. Wenn es ihm nicht gefallen hätte wäre er schon lange gegangen“, bestätige ich. „Genau.“ „Wenn sie arbeitet wie ein Mann trinkt sie dann auch so viel?“, frage ich noch. „Angeblich trinkt sie keinen Wodka. Sie hat zwei Kinder für die sie sorgen muss.“ „Kinder sind in diesem Land kein Grund um die Finger vom Wodka zu lassen aber vielleicht sagt sie ja die Wahrheit. Wir werden sehen“, antworte ich lachend. „Wie auch immer. Die zwei Tage dort vergingen wie im Flug. Um Geld zu sparen schlug Bilgee vor noch am gleichen Abend aufzubrechen weshalb wir um 19:40 Uhr Tsagaan Nuur hinter uns ließen. Wegen den aufkommenden dunklen Wolken und Wind sind wir bis 22:00 Uhr im Sattel gesessen. Dann fanden wir in einem Tal einen einigermaßen windgeschützten Flecken Erde. Wir schlugen unser Zelt auf und um ca. 24:00 Uhr suchte uns dieser schreckliche Blizzard heim. Heute Morgen wollten wir wegen dem schlechten Wetter erst nicht weiter reiten. Um 10:00 Uhr jedoch klarte es etwas auf und der extreme Wind legte sich ein wenig. Das ist der Grund warum wir schon so früh wieder da sind“, endet Tanja ihren Bericht.

Mittlerweile ist es 21:00 Uhr. Bilgee ist schon wieder zu seinem Außencamp aufgebrochen, um die Pferde zu hüten. Tanja ist sehr müde und leidet unter Magenschmerzen und entsetzlicher Müdigkeit. „Und du möchtest keinen Tee mehr?“, frage ich. „Auf keinen Fall. Mir ist schlecht. Dalai und Shagai hatten mich gestern zum Fischessen eingeladen. Der Fisch war frisch aber das Öl war anscheinend alt. Oh ist mir schlecht“, sagt sie kleinlaut und schlüpft in ihrem Schlafsack. Ich sitze noch eine Weile da, höre dem prasselnden Feuer zu und denke darüber nach ob Tanjas Mission nun erfolgreich war oder nicht. Nach einiger Überlegung komme ich zu folgenden Schluss: Sie hat uns mit neuen Lebensmitteln versorgt, das Gepäck sortiert, eine Pferdefrau gefunden, unsere zum Verkauf stehende Ausrüstung in einen Laden als Kommissionsware untergebracht und die Möglichkeit eines anderen Übernachtungsplatz herausgefunden. Auch wenn Tanjas Geschichte anfänglich nicht ermutigend klang hat sie ihre Mission zweifelsohne erfolgreich beendet.

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