Skip to content
Abbrechen
image description
Mongolei/Ulan Bator/Roelof-Anudari-Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Elftes Resümee – Wilde Freiheit

N 47°55'228'' E 106°54'881''
image description

    Tag: 442

    Sonnenaufgang:
    07:01

    Sonnenuntergang:
    18:17

    Gesamtkilometer:
    2925

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    20 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    14 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 3 °C

    Breitengrad:
    47°55’228“

    Längengrad:
    106°54’881“

    Maximale Höhe:
    1267 m über dem Meer

Bevor wir das friedliche Tal, in dem wir so lange verweilten, verließen segnete ein Mönch unsere weitere Reise. Dann verabschiedeten wir uns von Renjindorjs und Ilchelaugsurens Familie und luden unsere vier schweren Seesäcke und Kuriertaschen auf die Pferde. Die ersten Kilometer kamen wir wegen ständig rutschender Ladung nur langsam voran. Vor allem der immer scheue Tenger bereitete nach der langen Ruhepause Schwierigkeiten. Aber auch der kleine Tuya wusste nicht wohin mit seiner Kraft, sprang unaufhörlich seine Kollegen an, trat nach ihnen und Mogi. Hätte er Flügel besessen hätte er sich am liebsten auf alles gestürzt was sich bewegte.

Weil man uns weiterhin vor Pferdedieben warnte hielten wir unser bewährtes Wachsystem aufrecht. Vor allem in der Nähe von Städten wie Mörön war äußerste Vorsicht geboten. Wir kamen sehr gut voran, brachten nicht selten 40 Km oder mehr am Tag hinter uns. Nicht immer fanden wir Camps mit Brunnen oder einem Bach, um unsere Pferde tränken zu können. Alleine die wichtige Wassersuche bestimmte deswegen die Länge der täglichen Ritte. An manchen Tagen regnete es unaufhörlich, starke Herbstwinde setzten uns zu. Die Tage, vor allem die Nächte, wurden zusehend kühler. Das Wetter zeigte sich wechselhaft aber wir erlebten eine wunderbare, unvergessliche Zeit. Auch wenn es in manchen Nächten etwas unheimlich war, wenn Hunde oder ein Wolf heulte oder wir glaubten wieder von Pferdedieben heimgesucht zu werden, waren die Tage und Wochen von einem äußerst intensiven Lebensgefühl geprägt. Wir begriffen, das dass Alleinereisen seine Vorzüge hatte, denn wir mussten uns auf keinen Begleiter einstellen, unterschiedliches Essen zubereiten oder darüber diskutieren ob das Gras an jenem Ort gut oder schlecht, ob der Campplatz auf der anderen Seite des Baches besser war als auf dieser Seite.

Ganze fünf Tage genossen wir das Traumcamp am Selenge River welches wir als unsere versteckte Lichtung bezeichneten. Auf der östlichen Seite strömte der vom Hochwasser gespeiste Fluss vorbei. Im Westen und Norden wurde unser Lagerplatz von einer steil abfallenden Felsformation eingegrenzt und im Süden wuchs ein Wall aus Büschen und Bäumen. In der Mitte befand sich das wunderbarste Gras an dem sich unsere immer fetter werdenden Reittiere labten bis sie sich stöhnend niederließen und ihren Bauch in die Sonne reckten. Morgens bereitete Tanja für mich Pfannkuchen und abends wärmten wir uns am Lagerfeuer.

Im Trab ging es durch endlose Täler, über 1.700 m hohe Pässe und über riesige Grünflächen dessen Gras sich hüfthoch in den wolkigen Himmel streckte. Abends versank die Sonne an einem Talende, färbte den Himmel, dort wo er die Berge zu berühren schien, blutrot. Weiter oben verblasste die kräftige Farbe zu einem goldenen Band, welches seinerseits von einem leuchtenden, mit glitzernden Sternen durchsetzten Koboldblau abgelöst wurde. Dann senkte sich die Finsternis vollends über das Tal. Die Milchstraße leuchtete zwischen den dahinschwebenden Wolkentürmen zu uns herab als wären die Milliarden von Punkten am Strom angeschlossen. Wir genossen solche Momente und inhalierten das Leben.

Vor allem erlebten wir mehr denn je die viel beschriebene Gastfreundschaft der Mongolei. Wir wurden zum Pferdefleischessen, und vergorener Stutenmilch eingeladen. Manchmal war mein Magen durch die für uns ungewohnte und fettreiche Nahrung überfordert, manchmal glaubte ich wegen den unvorstellbar unhygienischen Verhältnissen schwer zu erkranken aber wir haben es überlebt. Was geblieben ist sind die meist positiven Erinnerungen.

Aber wie das Leben in der Mongolei so spielte war es von Höhen und auch Tiefen geprägt. Der anscheinend normale Puls des menschlichen Lebens. Erschrocken waren wir als Tenger sich urplötzlich übergeben musste. Er hatte offensichtlich etwas Falsches in den Schlund bekommen. Wir bangten um ihn und waren froh als die Kolik am darauf folgenden Tag vorüber war. Dann rutschte Tanja unglücklich vom Pferd und schlug mit ihrem Knöchel auf einen Stein. „Ich glaube er ist gesplittert“, fuhr mir ihre zittrige Erklärung in die Glieder. Fieberhaft rang ich nach einer Lösung, überlegte wie ich Tanja in ein Krankenhaus bringen konnte und wer in der Zwischenzeit auf die Pferde und unser Camp aufpassen sollte. Zum Glück war Tanja in der Lage sich humpelnd fortzubewegen und sogar zu reiten. Zwar unter großen Schmerzen aber wir kamen voran.

Auf den Passhöhen färbten sich bereits wieder die ersten Lärchenbäume herbstlich. Die frostigen Nächte setzten dem Gras und den vielen Blumen zu. Der letzte zu überquerende Bergkamm war mit einer bunten Blumenwiese überzogen. Bis zu einem Meter hochgewachsene und äußerst saftige Gewächse streckten sich in die Höhe als wollten sie dem nahenden Winter trotzen. Unsere Pferde konnten nicht davon lassen und genossen unaufhörlich die First-Class-Küche der Natur. „Dieser wunderschöne Bergpfad und der blaue Himmel ist ein Abschiedsgeschenk an uns!“, rief ich bestens gelaunt. „Ja, Mutter Erde weiß was uns gefällt!“, antwortete Tanja lachend. Die leicht gelblich werdenden Nadeln der Lärchen kündigten eine prächtige Herbstfärbung an. Oben auf dem Gipfel war der Blick in die Täler atemberaubend. Wir hielten einige Minuten inne und genossen die Fernsicht über die Gebirgslandschaft. Nachdem wir uns satt gesehen hatten lenkten wir unsere Rösser auf der anderen Seite des Kammes wieder ins Tal. Das Tal von dem wir vor einem Jahr und einem Tag mit Bilgee und Ultzii aufbrachen.

Wir freuen uns über Kommentare!

This site is registered on wpml.org as a development site.