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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Einzug ins Tipi – Eine Million

N 51°33'337'' E 099°15'341''
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    Tag: 267

    Sonnenaufgang:
    06:24

    Sonnenuntergang:
    20:21

    Gesamtkilometer:
    1341

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    8°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 5°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 15°C

    Breitengrad:
    51°33’337“

    Längengrad:
    099°15’341“

    Maximale Höhe:
    1981 m über dem Meer

Schwere Schneeflocken rascheln auf unser Zelt. Ich schlage die Augen auf und sehne mich nach unserer Jurte. „Ich stehe erst auf wenn du Feuer gemacht hast“, murmelt Tanja. „Kein Ofen, kein Feuer. Verblüffend welch ein Luxus eine Jurte zum Vergleich eines Zeltes ist“, antworte ich. „Ja, war ein kleiner Palast. Ob die Tuwa bei dem Schneetreiben aufbrechen?“, fragt Tanja. „Hm, habe keine Ahnung. Am besten wir fragen mal nach.“ „Du meinst du fragst mal nach“, sagt Tanja. „Ja, ja, ich frage nach. Manchmal ist es echt doof ein Mann zu sein“, antworte ich mürrisch aus meiner Downenhülle schlüpfend.

„Und wie sieht es aus? Brechen wir auf oder bleiben wir?“, frage ich eine halbe Stunde später Tsaya und Ultsan. „Wir müssen erst unsere Pferde von den Hirten holen die den Winter über auf sie geachtet haben. Aber bei diesem Schneefall gehen die Männer nicht. Wir warten auf besseres Wetter. Außerdem hat Gamba seine Meinung geändert. Er fährt jetzt doch nicht mit dem Jeep zum Frühjahrscamp sondern bricht von hier aus auf. Er wird heute Nachmittag kommen. Ultsan nutzt die Zeit und reitet mit einem Rentier in Richtung Tsagaan Nuur. Er wird auf halben Weg von einem Jadehändler mit dem Motorrad abgeholt. Wenn wir Glück haben wird er 20 Kg verkaufen können“, höre ich die umfangreiche Erklärung für die weitere Verschiebung des Aufbruchs. „Warum wenn wir Glück haben?“, frage ich. „Der Händler will den Stein mit seiner Maschine zerschneiden, um zu prüfen ob die Jade von guter Qualität ist. Wenn er innen genauso schön grün ist wie außen bekommen wir einen guten Preis. Weil Ultsan ihm nicht traut muss er mit nach Tsagaan Nuur fahren und zusehen wie sein Stein zersägt wird“, erklärt sie. „Na dann viel Glück“, antworte ich und weiß nicht ob ich froh oder enttäuscht sein soll. Da ich bei diesem Sauwetter aber ebenfalls keine Lust verspüre unsere gesamte Habe zu packen bin ich Augenblicke später erleichtert und gehe wieder in unser kaltes Zelt. „Wetter ist zu schlecht um die Pferde zu holen“, berichte ich Tanja. „Gut, dann bleibe ich noch ein wenig liegen“, brummelt es leise.

Obwohl uns Tsaya angeboten hat in ihrer Baishin nächtigen und kochen zu dürfen ziehen wir es vor unabhängig zu sein. Das ist der Grund warum ich unseren schönen Ofen, den wir Tsaya und Ultsan geschenkt haben damit sie uns beim Umzug helfen und wir in ihrem Ersatztipi einige Zeit leben dürfen, wieder vor unser Zelt zerre und darin ein Feuer entfache. Schnell sind meine Arbeitshandschuhe durchnässt. Frierend stelle ich unseren Wasserkessel auf die Herdplatte und wärme mich an der Hitze die das Öfelchen in den Schneehimmel verschwendet. Dann schneide ich ein wenig Fleisch und setze ein Suppe an. Als das Wasser kocht fülle ich es in unsere große Thermoskanne und trage sie ins Zelt. Tanja ist mittlerweile aufgestanden. Wir sitzen in unseren Campstühlen, essen ein paar trockene Kekse und trinken heißen Tee.

Eine Million

Am späten Nachmittag kommt Ultsan und Ovogdorj auf ihren Rentieren angeritten. Beide sind betrunken was für die Tuwa normal ist wenn sie dem Dorf einen Besuch abstatten. Egal aus welchen Grund und egal ob für einige Stunden oder Tage. Mit bald hundertprozentiger Sicherheit kommen sie betrunken zurück. Ultsan konnte seinen Jadestein nicht verkaufen da er sich als ein Stein mit schlechter Qualität herausstellte. Tsaya ist sauer auf ihren Mann. Offensichtlich weil er wieder getrunken hat. Der Haussegen steht deswegen für einige Stunden schief. „Und warum konnte er die Jade nicht zu einem niedrigeren Preis verkaufen?“, interessiert es mich. „Der Händler wollte nur Topqualität“, erklärt Tsaya. „Dann ist Ultsan also völlig umsonst nach Tsagaan Nuur gegangen?“ „Ja. Übrigens, ziehen wir auch morgen nicht um.“ „Was? Warum denn nicht?“ „Erstens konnte Ultsan heute die Pferde nicht holen und zweitens müssen Buyantogtoh, Saintsetseg und alle anderen die 55 Jahre oder älter sind nach Tsagaan Nuur fahren.“ „Warum?“ „Der Staat zahlt jedem Behinderten und Menschen ab 55 Jahre eine Millionen.“ „Ist ja fantastisch. Und warum macht das ein Staat?“, interessiert es mich. „Es hängt mit den Goldschürfrechten zusammen die der mongolisch Staat an eine ausländische Firma verkauft hat. So weit ich weiß hat sich die Firma unter anderem zu dieser Abgabe verpflichtet. Jetzt haben wir also Millionäre im Camp“, lacht sie. „Ja, Tugrik-Millionäre. Aber wenn man bedenkt das euer Durchschnittseinkommen bei ca. 188.000 Tugrik (107,- €) liegt ist das eine beachtliche Geldmenge.“ „Oh ja. Ich wünschte wir bekämen ebenfalls diese Zuwendung. Dann hätten wir einige Sorgen weniger.“ „Das glaube ich dir. Aber sei froh das du noch keine 55 bist.“ „Ha, ha, ha. Bin ich. Aber mal was anderes. Ihr müsst doch in eurem Zelt furchtbar frieren.“ „Es ist kalt, ja.“ „Soll Ultsan ein Tipi für euch aufstellen? Wer weiß wie lange es dauert bis das Wetter besser wird?“ „Oh, das wäre prima“, antworte ich mich über den Vorschlag freuend. Ultsan geht mit mir aus der Baishin, schnappt sich 12 dünne Baumstämme die hinter seinem Blockhaus liegen, bindet drei davon am oberen Ende zusammen, errichtet sie wie ein Dreibein über unserem Ofen und stellt die anderen neun in einer speziellen Technik dazu. Dann verschnürt er und sein Bruder Hoo zwei Zeltbahnen außen herum und fertig ist das Tipi. Die ganze Aktion hat nicht länger als 15 Minuten gedauert. „Wow. Das ging ja schnell. Tschin setgeleesee bajrlalaa,“ (Herzlichen Dank) sage ich und trage mit Tanja unseren Klapptisch, einen Klappstuhl und ein paar Kartons aus dem Zelt in das Tipi. „Tagsüber werden wir hier leben und nachts drüben im Zelt schlafen“, sage ich. „Eine gute Idee“, antwortet Tanja.

Die Wärme die unser Ofen abstrahlt wird für kurze Zeit in dem Tipi gehalten bevor sie durch die billige, dünne Zeltbahn ins Freie dringt. Auch wenn es hier im Vergleich zu einer Jurte recht unbequem ist sind wir froh nun an einem Feuer sitzen zu dürfen, um uns wärmen zu können. „Es ist nur ein Provisorium“, hat Tsaya gesagt. Deswegen haben wir hier keinen Holzboden wie die Tuwa oder niedrige Betten. Auch pfeift der kalte Wind durch die flatternde Zeltbahn am Boden, so dass wir auch hier frieren. „Ich kümmere mich um die Löcher“, sage ich, trete durch den kleinen Eingang ohne Tür in das Schneetreiben. Draußen suche ich abgesägte Holzpflöcke, lege sie auf die Bahnen und schaufle mit meinem Fuß Schnee darauf. „So jetzt pfeift kein Wind mehr hinein“, sage ich als ich wieder in das dunkle Zelt gehe. „Sehr gut. Ist schon viel besser. Wäre noch klasse wenn Ultsan uns eine Tür baut“, sagt Tanja. „Ich gehe rüber und frage“, antworte ich. Wenig später befindet sich vor unserem Eingang eine weitere Zeltbahn die wir jetzt auf und zuklappen können. Auch ein Provisorium aber für die kurze Zeit die wir noch hier sind reicht es aus.

Tanja beginnt auf dem Ofen zu kochen während ich versuche ein paar Aufzeichnungen in den Computer zu tippen. Da mir aber bald der Saft ausgeht befestige ich mein Solarpanel an der Außenseite des Tipis und führe das Kabel zur Autobatterie die ich neben meinen Stuhl gestellt habe. „Nun besitzen wir wieder Strom“, meine ich zufrieden. „Gibt das Solarpanel bei dem schlechten Wetter Energie ab?“, wundert sich Tanja. „Nicht viel. Aber für den Augenblick sollte es reichen.“

Wir genießen gerade Tanjas Linseneintopf als plötzlich Mogi auftaucht. „Mogi! Was machst du denn hier?“, fragen wir. Er antwortet schwanzwedelnd. „Bilgee scheint ihn losgemacht zu haben damit er Auslauft hat und der schamlose Kerl hat das ausgenutzt. Ich bringe ihn zurück. Er braucht doch einen Wachhund“, sagt Tanja. „ich weiß nicht ob es eine gute Idee ist nachts durch die Taiga zu stapfen“, erwidere ich. „Ach was. Das ist doch kein Problem“, antwortet Tanja und zieht ihren Deel an um unseren Hund zum Bilgee-Camp zu bringen. „Pass auf dich auf“, sage ich und lasse Tanja ziehen. Nur eine halbe Stunde später mache ich mir Vorwürfe sie nicht begleitet zu haben. „Und wenn sie sich doch verläuft? Immerhin hat es minus 13 °C und der Wald sieht in der Nacht wie ein Ozean oder die Wüste aus. Alles ist gleich“, geht es mir durch den Kopf. Nach einer Stunde bin ich ernsthaft besorgt und im Begriff mich für einen Nachtmarsch fertigzumachen als Tanja in Begleitung von Bilgee endlich auftaucht. „Man, du kannst einen aber erschrecken“, sage ich. „Wieso?“ „Na du warst eine Stunde weg und das bei der Kälte. Noch dazu ohne GPS. Wo doch alles gleich aussieht“, antworte ich. „Bilgee hat mich auch gefragt ob ich Wodka oder Bier getrunken habe. Er meinte Nachts gehörst du ins Zelt, in die Jurte oder Tipi aber unter keinen Umständen in den Wald. Er hat mich richtig geschimpft.“ „Da hat er aber auch Recht. Wir hätten Mogi auch morgen zurückbringen können.“ „Okay, okay, ihr hattet beide Recht. Der Wald kann einem schon Respekt beibringen. Beim Marsch zum Bilgee-Camp musste ich wirklich inne halten und mich konzentrieren in welcher Richtung sein Zelt steht. Aber wir sind jetzt da und es ist nichts geschehen. Also mach mir bitte keine Vorwürfe.“ „Hm, in Ordnung. Jetzt wärme dich erstmals auf bevor wir in das kalte Zelt gehen“, meine ich versöhnlich.

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