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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Ein anstrengender Zwölfstundentag

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    Tag: 75 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:58

    Sonnenuntergang:
    17:35

    Luftlinie:
    19,6

    Tageskilometer:
    30

    Temperatur - Tag (Maximum):
    31 Grad

Tanjas-Geburtstags-Camp — 29.08.2001

Um 8 Uhr 15 folgen wir dem roten Erdweg. Wie all die anderen Tage scheint die Sonne am wolkenlosen Himmel, nur das heute kein Lüftchen weht und wir die 31 Grad zu spüren bekommen. „Schau mal, sind das Kamele da vorne,“ sagt Tanja mit ihren ausgestreckten Arm nach Osten deutend. Konzentriert versuche ich die kleinen, dunklen Punkte zu identifizieren die sich einige hundert Meter vor uns auf dem Track befinden. „Ich glaube nicht. Es sieht eher aus als wären es Buschtruthähne die wiedereinmal den Weg kreuzen. Aber mach dir keine Sorgen wenn es Kamele sind haben wir noch viel Zeit. Noch sind sie weit weg,“ antworte ich und lasse ab diesem Zeitpunkt die zwei Punkte nicht mehr aus den Augen. Fünf Minuten später bestätigt sich Tanjas Annahme. Zwei Kamele kommen auf dem Weg direkt auf uns zu. „Kamele udu,“ befehle ich und als sich dann Sebastian absetzt hole ich unser Gewehr von seinem Sattel. „Während du die Karawane weiterführst laufe ich voraus. Ich gehe den wilden Kamelen entgegen und versuche sie zu vertreiben. Vielleicht sind sie aus der Brunft und bereiten uns keinen Ärger mehr,“ sage ich zu Tanja und marschiere los. „Kamele walk up,“ höre ich wie Tanja den Tieren das Weiterlaufen befiehlt, um mir in einem Sicherheitsabstand zu folgen. Etwa 50 Meter vor mir erkenne ich, dass es sich um zwei Bullen handelt. Der Kräftigere läuft mir mit aufrechten Kopf entgegen. Ich beschleunige meine Geschwindigkeit. „Ääähhh! Ääähhh!“ ,brülle ich und gebe den ersten Warnschuss ab. Der jüngere Bulle bleibt verdutzt stehen und schlägt sich Sekunden später in die Flucht. Der Ältere stoppt seinen Lauf und sieht mich auffordernd an. Er blubbert nicht. Das ist ein gutes Zeichen. Ich nehme das Gewehr und schieße etwa 10 Meter über seinen Kopf. Das ist zuviel für ihn und er läuft dem Jüngeren hinterher, um dann etwa 30 Meter vom Weg entfernt stehen zu bleiben. Aufmerksam beobachtet er uns. „Du kannst weiterlaufen,“ rufe ich Tanja zu die mittlerweile stehen geblieben ist, um zu sehen ob der Bulle angreift. Langsam schreiten wir an den beiden Bullen vorbei. Bullluubulllub, ringt er sich selbst einen unvollendeten Blubberlaut ab, sieht uns nach, um dann das Interesse zu verlieren und seine Wanderung durch die Great Sandy Desert fortzusetzen. „Ohne Zweifel, sie sind nicht mehr in der Brunft,“ stelle ich erleichtert fest und bin froh nicht auf ihn schießen zu müssen. Nachdem ich bis heute acht Bullen erschießen musste und wir wegen der Angriffe viele Nächte kaum geschlafen haben fällt uns beiden ein Stein vom Herzen.

Eine Stunde später erreichen wir die zweite Windmühle. Ich lasse die Tiere absetzen und wir binden aus Sicherheitsgründen die Vorderbeine zusammen. Dann löse ich die Eimer von Edgars Sattel und laufe zu dem Wassertank. 200 Kilometer bis nach Kunawarritji, steht auf diesem mit weißer Farbe geschrieben. Unser Satellitennavigationscomputer zeigt nur 168 Kilometer was mir verrät, dass sich der Weg ab jetzt stark zu winden scheint. „Vielleicht stimmt diese Angabe nicht,“ meine ich zuversichtlich zu Tanja und beginne Wassereimer für Wassereimer zu unseren Kamelen zu schleppen die schon wieder furchtbar durstig sind. Max ist ganz gierig und versucht auf den leicht steinigen Boden aufzustehen. „Oh weh, sieh dir mal seine Knie an. Er hat sie sich schon wieder aufgeschlagen,“ sagt Tanja. Ich bin fassungslos, denn die aufgescheuerten Stellen waren gut verheilt. Sofort lassen wir Max aufstehen, um zu vermeiden dass er sich seine offensichtlich empfindlichen Knie noch mehr aufschürft. Max ist jedoch so durcheinander, setzt sich wieder ab, nur um gleich danach wieder in die Höhe zu springen. Er wiederholt das Auf und Ab so lange bis das Blut nur so aus den offenen Stellen fließt. Wir sind verzweifelt und eilen zwischen der Windmühle und Karawane hin und her, um auch den Durst der anderen zu stillen. Max versucht mittlerweile dem vor ihm sitzenden Jasper über den Hals zu steigen was eine unübersehbare Katastrophe nach sich ziehen würde. „Max bist du wahnsinnig? Zurück. Geh zurück, brülle ich ihn an um dem unvermeidlichen Unglück zuvorzukommen. Max hört und reiht sich wieder hinter Jasper ein. Doch kaum drehe ich ihm den Rücken zu schwingt er seinen Körper, der mit seinem Vordermann durch die Führungs- und Nasen leine verbunden ist zur Seite und versucht wiederholt dem armen Jasper über den Hals zu steigen. Jasper beginnt aus Leibeskräften zu brüllen und versucht ebenfalls aufzuspringen. Edgar bekommt natürlich das Chaos hinter sich mit und bringt es fertig sich von seinen Beinseilen zu befreien um nach oben zu explodieren. Er reißt dabei den immer noch auf den Boden sitzenden Jasper mit dem Verbindungsseil am Hals. Tanja und ich springen wie die Torerokämpfer ein und versuchen die schwer beladenen Tiere zu beruhigen. Istan, Jafar und Hardie starten nun auch einen Ausbruchversuch und wir haben alle Hände voll zu tun das nervöse Bündel unter Kontrolle zu bringen. Nach mehreren Adrenalinausbrüchen sind wir wieder Herr der Lage. Während ich nun weitere Wassereimer und acht Wassersäcke für uns von der Mühle anschleppe steht Tanja neben Max, um ihn daran zu hindern die Karawane von hinten her aufzumischen. Nach 1 ¼ Stunden Schwerstarbeit marschieren wir weiter. Es dauert noch einige hundert Meter bis sich die Wüstenschiffe wieder an den Trott des Laufens gewöhnen und zu ihrer normalen Routine finden. „Wir müssen Max seine Knie heute Abend desinfizieren und ihm ein entzündungshemmendes Medikament geben,“ sage ich nachdenklich. „Ja ich glaube du hast recht.“ „Also ehrlich gesagt macht sich Max bisher nicht gerade besonders gut. Wegen seiner Schulter und dem schlechten Sattel ist er nur noch mit 20 Liter Wasser beladen und ich weiß nicht ob er neben seiner Fähigkeit kräftig auszuschlagen beißen würde wenn wir ihm die Gelegenheit dazu geben,“ äußere ich meine Gedanken. „Hm, du hast recht aber wenn man bedenkt, dass er bisher den ganzen Tag in einem Pferdegehege gelebt hat und nichts anderes tun musste außer zu fressen ist sein Verhalten kein Wunder. Auf ein mal wird er 2500 Kilometer in eine Wüste transportiert und muss urplötzlich jeden Tag 25 oder 30 Kilometer laufen. Noch dazu hat er bei den Temperaturen hier einen dicken Wintermantel an und schwitzt wie ein Eskimo den man unfreiwillig in einer afrikanischen Wüste ausgesetzt hat. Ich denke wir sollten mit ihm etwas nachsichtig sein. Er wird sich schon noch an den Expeditionsablauf gewöhnen.“ „Ja ich das leuchtet ein. Ich hoffe, dass er ab Kunawarritji voll einsatzfähig ist, nicht mehr tritt, versucht zu beißen oder sich ständig quer setzt. Bis dahin hat er noch genügend Zeit ein Expeditionskamel zu werden.“

Wir sind nun schon seit sechs Stunden unterwegs und jedes Mal wenn ich mein GPS einschalte, um nachzusehen wie viel Kilometer wir zurückgelegt haben bin ich enttäuscht. „Und wie sieht es aus? Kommen wir voran?“ ,fragt Tanja. „Es ist wie verhext. Der Weg führt hier in einem großen Bogen um die Dünen herum, was uns kaum etwas an Luftlinie bringt. Ich habe diesen Krümmung schon in der Karte gesehen dachte aber nicht das der Umweg so heftig ist.“ „Ist schon deprimierend Stunde um Stunde zu laufen und sich dem Ziel nicht zu nähern.“ „Du sagst es,“ gebe ich Tanja recht und stecke das GPS wieder in die Brusttasche. Plötzlich entdecken wir wieder riesige Rauchschwaden die sich an der Horizontlinie nach oben fressen. „Da hinten ist irgendwo ein Buschfeuer.“ „Meinst du es kann für uns bedrohlich werden?“ „Ich glaube nicht. Hier hat erst vor einem halben Jahr ein furchtbares Feuer gewütet und alles niedergebrannt. Ich kann mir nicht vorstellen das hier ein Flammenmeer genug Nahrung bekommt, um wieder in einem großen Flächenbrand auszuarten. Da sieh dir die freien Stellen zwischen dem Spinifexgras an und dort drüben sind die Pflanzen noch so klein das ein Feuer kaum von einer zur anderen springen kann. Selbst wenn ein Buschfeuer kommen würde werden wir ein Gegenfeuer anlegen und auf der verbrannten Fläche so lange warten bis die Gefahr vorüber ist. Wirklich gefährlich sind solche Feuer wo es große Wälder gibt oder das Buschland schon lange nicht mehr den Flammen ausgesetzt war,“ erkläre ich und hoffe damit recht zu haben, denn der Wind bläst den Rauch in unsere Richtung.

Es ist bereits 15 Uhr und wir laufen jetzt bald sieben Stunden. Der Navigationscomputer zeigt 18 Kilometer an was uns nicht gerade motiviert. Wir müssen dringend einen Lagerplatz finden sonst kommt Tanja mit dem Hüten in die Dunkelheit. Leider können wir keine höheren Büsche entdecken und da Tanja morgen Geburtstag hat wollen wir es in unserem Rastcamp so gemütlich wie möglich haben. Um 15 Uhr 30 führt der Track in ein kaum wahrnehmbares Tal. Auf einmal wachsen zwei bis drei Meter hohe Bäume am linken und rechten Wegrand die uns genügend Schatten spenden und noch dazu gerne von den Kamelen gefressen werden. „Lass uns noch 10 Minuten gehen, vielleicht wird es da vorne noch besser,“ schlage ich vor. „Kamele udu,“ stoppe ich die Karawane und suche dann mit dem Fernglas das Dünental nach der geeigneten Vegetation ab. „Wie sieht es aus? Ist dort unten unser Camp?“ „Ich glaube nicht. Es ist besser wir kehren zu dem Platz zurück wo die schönen Büsche waren,“ sage ich und führe die Kamele in eine 180 Grad Kehre. Um 15 Uhr 45 finden wir neben drei lichten aber grünen Büschen einen Platz, um ein paar Tage auszuruhen. Im hohen dichten Spinifexgras, welches man auch alter Mann Spinifex nennt, husche ich die Lasttiere nieder. Nach knapp 7 ½ Laufstunden, 280 Liter Wasser schleppen und dem Bändigen der Kamelen entladen wir mit letzter Kraft ca. 1200 Kilogramm an Ladung. Hardie und Jafar brüllen auf als wir ihnen die Sättel vom Rücken heben. Ihre Druckstellen an den Hüften haben sich anscheinend stark verschlimmert. Obwohl ich während der Rasttage an ihren Sätteln arbeiten werde und die Strohfüllung an den betroffenen Stellen weich klopfe sind meiner Ansicht nach die Druckstellen so weit fortgeschritten, dass wir sie nur noch mit dem Myoton (entzündungshemmendes Medikament) bekämpfen können um ein Fortschreiten der Verletzung zu unterbinden.

Tanja begibt sich dann nach ein paar Schluck Wasser sofort zum Kamelehüten und ich schnappe mir meinen besten Freund die Schaufel, um eine Lichtung in das ekelhaft stachelige Gras für unser Lager zu schlagen. Ich reiße mich zusammen, sammle noch mal alles was in mir steckt und wüte gegen das hüfthohe Gras. Um 18 Uhr steht unsere Schlafburg, die Küche und eine Grube für das Lagerfeuer. „Das sieht ja toll aus,“ lobt mich Tanja die gerade zurückkommt. „Ja, es ist ja auch dein Geburtstagscamp,“ antworte ich mich nach einem 12 Stundentag erschöpft in den Stuhl sinken lassend. Ich streichle Rufus der plötzlich laut aufheult. „Was hast du denn?“ ,frage ich ihn besorgt und untersuche ihn. Als ich seine Pfoten berühre winselt er herzzerreißend. „Rufus du arme Kerl. Du hast dir wieder einmal die Pfoten wund gelaufen. Die halten deinen Jagdtrieb nicht aus. Jetzt kannst du dich ein paar Tage ausruhen,“ sage ich und streichle seinen Kopf den er ebenfalls erschöpft auf seine Decke gelegt hat.

Wie in Trance beobachte ich dann die gefräßigen Flammen des Feuers. Tanja stellt einen Topf in die züngelnde Mitte und kocht Wasser für unser Lieblingsgericht: Wie so oft gibt es Nudeln mit Tomaten und Seelachs. Danach bringt Tanja eine Köstlichkeit auf den Tisch. „Schau mal was ich da habe,“ sagt sie übers ganze Gesicht strahlend. „Wauu, Spargel,“ antworte ich fast ehrfürchtig und mir läuft das Wasser im Mund zusammen als sie die Dose öffnet.

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