Eigenartiger Besuch
N 48°46'371'' E 011°37'266''Tag: 25
Sonnenaufgang:
06:08 Uhr
Sonnenuntergang:
20:26 Uhr
Luftlinie:
32,09 Km
Tageskilometer:
44,72 Km
Gesamtkilometer:
678,44 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt, 25% Schotter
Temperatur – Tag (Maximum):
25 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
20 °C
Temperatur – Nacht:
12 °C
Breitengrad:
48°46’371“
Längengrad:
011°37’266“
Maximale Höhe:
375 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
10.00 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
13,30 Km/h
Das helle Licht der Sonnenstrahlen durchflutet unser Zelt. “Huuaahh!” rufe ich zufrieden und strecke meine Arme in den herrlichen und seltenen Morgen an dem wir ohne Regen geweckt werden. Unsere heutige Fahrt führt uns durch lichte Wälder zum Jagdschloss Grünau welches Pfalzgraf Heinrich für seine Frau erbauen ließ. “Da wäre ich auch gerne Prinzessin!” ruft Tanja lachend. Gut gelaunt erreichen wir Ingolstadt. Obwohl auch diese wunderschöne Stadt schon über tausend Jahre alt ist und wir viel zu besichtigen hätten suchen wir nur eine Eisdiele auf und lassen es uns schmecken. Wir genießen die Sonne und den Flair des Sommers mehr denn je. Trotz Muskelkader radeln wir energiegeladen weiter. Auf dem Donaudamm sehen wir schon von weitem den Turm der Burg Vohburg und freuen uns auf ein frühes Camp. “Sieht wie ein öffentlicher Zeltplatz aus”, sage ich als wir unsere Roadtrains von der Brücke auf eine Wiese rollen lassen. “Ob da noch andere Camper kommen?” fragt Tanja durch die Leere des Ortes etwas verunsichert. “Keine Ahnung, aber hier auf dem Schild steht das wir unser Zelt aufbauen dürfen.
Während Tanja im Dorf etwas für unser Abendbrot kauft und Wasser holt überprüfe ich wieder einmal die Schrauben der Räder und unterziehe unsere zuverlässigen Vehikel einer genauen Inspektion. “Seits mit die Räder unterwegs”, spricht mich ein Mann mit bayrischem Dialekt an. “Äh, ja.” “Habts a haufen Zeugs dabei”, meint er, nimmt einen kräftigen Zug aus einer Flasche Bier und versucht offensichtlich ein Gespräch zu beginnen. “Ja, wir sind auf dem Weg nach Burma. Da braucht man so einiges”, antworte ich höflich und setze meine Inspektion fort. “Kosten a haufen Geld eure Räder?” “Ja”, antworte ich und beginne mich ein wenig unwohl zu fühlen. Auf einmal verschwindet mein Besucher. Ich atme erleichtert auf, denn irgendetwas an dem Mann hat mir nicht gefallen. “Da schau her. I hab auch a schöns Rad”, erschreckt mich wenige Minuten später seine Stimme. Er stellt mitten in unser Camp sein schmutziges Fahrrad ab, legt eine Plastiktüte, voller aneinander schlagender Bierflaschen, direkt neben meinen Anhänger und scheint es sich bei uns häuslich niederlassen zu wollen. Während ich mich weiter mit den Rädern beschäftige bemerke ich wie seine Augen mich unter seinem breitkrempigen Hut beobachten. Jede meiner Handbewegungen wir observiert. Dann setzt er sich direkt neben mich und öffnet eine weitere Flasche Bier.
“Willst dein Rad nicht gegen meins tauschen? Ha, ha, ha. Ist nur ein Scherz”, sagt er zusammenhaltlos und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche. “Was machst denn eigentlich von Beruf?” “Ich bin Abenteurer”, antworte ich knapp. “Was? So was hab i auch no net ghört.” “Gibt es ja auch nicht so oft”, antworte ich nur um etwas zu sagen und das Gespräch nicht weiter anzuleiern. “Wo sann denn die Anderen? Schlofen die no im Zelt?” “Meine Frau kommt gleich zurück”, sage ich, um nicht genau auf seine Frage einzugehen. “Wie alt bist denn? Was? Fünfundvierzig? Wie alt schätzt denn mich?” “Auch so alt”, murmle ich. “Ich bin fünfzig. Hättest nicht gedacht, was! Schnaps, Bier und Frauen habm mi jung ghalten. Bin früher Motorradrennen gfahren. Mag nimmer. Zwei Freunde von mir sind dabei umkommer. Habe mir gedacht, der nächste bist du. Na, na, trink lieber mei Bier. Mag nimmer.”
Endlich kommt Tanja zurück. “Ist das deine Frau? Hab i keine Chancen mehr? Ha, ha, ha.” Der Fremde steht auf, um eines seiner Biere in die nahen Büsche zu schlagen. Tanja und ich sehen uns an. Sie weiß sofort was los ist. Während unserer Reisen haben wir immer wieder seltsame Gestalten getroffen. Wenn es Ärger gab war meist Alkohol im Spiel. In der Mongolei sind wir einmal von angetrunkenen Mongolen überfallen worden. Es gab eine schlimme Schlägerei. Damals hatten wir ein Gewehr dabei aber keine Munition. Trotzdem drohte ich mit der Waffe. Es war eine der schlimmen Situationen die wir nie mehr vergessen können. Auch wenn der damalige Vorfall schon lange her ist kommt die Erinnerung hoch wenn wir von eigenartigen, betrunkenen und zwielichtigen Personen im Camp besucht werden.
Tanja und ich nutzen die Zeit seiner Abwesenheit, um das Fahrrad aus unserem Lager zu rollen, seine Plastiktüte mit den Bierflaschen dazuzulegen und unsere Räder wie bei einer Wagenburg vor unser Zelt zu stellen. Sofort setzen wir uns dahinter auf unsere Sitze und beginnen uns angeregt zu unterhalten. Wir ziehen also alle Register der Psychologie, um den Fremden auf taktische Weise loszuwerden. Dadurch, dass sein Rad nicht mehr in unserem direkten Campbereich steht hat er keinen Grund mehr sich neben uns zu setzen. Vor allem wenn sein Biernachschub auch aus unserem unmittelbaren Wohnbereich verbannt ist. Unsere Räder bilden eine weitere emotionale Barriere und dadurch, dass wir uns angeregt unterhalten kann er sich keinen von uns mehr schnappen, um irgendeine Geschichte zu erzählen. Als der Mann unter dem breitkrempigen Hut zurückkommt beobachten wir ihn beide mit Argusaugen, natürlich so dass er es nicht merkt. Wie ein Wolf der seine Beute umkreist läuft er im großen Bogen um unser Lager. Er bleibt stehen, nimmt einen kräftigen Zug aus der Flasche und scheint zu überlegen. Dann kommt er zu einem Schluss. Als wäre er nie an uns interessiert gewesen, schlendert er zu seinem Rad, hebt die Biertüte auf und schwingt sich auf den Sattel. “Servus!” verabschiedet er sich freundlich. “Servus!” antworten wir ebenso freundlich und sind froh wieder alleine zu sein.
Immer wieder sehen wir Radfahrer auf der Brücke stehen die zu uns hinunter blicken. Keiner von ihnen möchte auf dem kostenfreien Campplatz bleiben. Ich studiere noch mal die Landkarte. “Ich kann’s nicht glauben. Da gibt es noch einen weiteren Zeltplatz. Nur etwa zwei Kilometer von hier entfernt. Der muss bewirtschaftet sein. Wahrscheinlich fahren alle Radfahrer dort hin”, stelle ich fest. “Meinst du wir sind hier sicher?” fragt Tanja. “Glaube schon. Was soll schon geschehen. Hab Vertrauen zur Mutter Erde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier mitten in Deutschland an einem Dorfcampingplatz gefährdet sind. Ich glaube eher, dass die Angst aus Erinnerungen herrührt. Wenn eine Motorradgang kommen sollte, die sich in der Nacht tierisch betrinkt, brechen wir einfach unser Zelt ab”, beruhige ich sie. “Na gut, wenn du meinst wir sind hier sicher bin ich auch entspannt.”
Heftiges Jucken erinnert mich wieder an den vermeintlichen Zeckenbiss. Tanja untersucht die Stelle und holt den schwarzen Punkt aus der Haut. “Sieht wirklich wie eine Zecke aus”, sagt sie. Bei einer genaueren Inspektion meines Körpers finden wir einen weiteren der gefährlichen Blutsauger. Die Bissstellen jucken schrecklich. “Meinst du die übertragen die Borreliose?” frage ich etwas ängstlich. “Glaube ich nicht. Wir müssen die nächsten Tage die Stellen im Blick behalten. So lange sich kein roter Hof um sie herum bildet bist du bestimmt nicht gefährdet”, beruhigt sie mich.