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/Schwül-Camp Link zum Tagebch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 3

Dunstglocke

N 51°44'55.5'' E 072°21'49.5''
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    Tag: 84

    Sonnenaufgang:
    05:52 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:38 Uhr

    Luftlinie:
    91.94 Km

    Tageskilometer:
    104.29 Km

    Gesamtkilometer:
    9390.18 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt/schlecht

    Temperatur – Tag (Maximum):
    36 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    16 °C

    Breitengrad:
    51°44’55.5“

    Längengrad:
    072°21’49.5“

    Maximale Höhe:
    338 m über dem Meer

    Maximale Tiefe:
    275 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    07.30 Uhr

    Ankunftszeit:
    17.00 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    15.98 Km/h

Schon um 5:00 Uhr morgens kräht Tanjas Hahn uns seinen Weckruf entgegen. Sofort springe ich auf und ersticke sein lästiges Gekrächze indem ich das Handy abschalte. Dann packen wir unsere Habe in die Ortliebtaschen, frühstücken und schaffen alles vor Gafurs Haus. Schnell sind unsere Räder startklar und wir bereit für neue Abenteuer. Kurz nach 7:00 Uhr kommen wie vereinbart Indira und Timur, um uns den Weg aus der Stadt zu zeigen. Wir wecken Gafur der gestern Abend mit einem Schulfreund kräftig Wodka gebechert hat und verabschieden uns von ihm. Noch sichtlich angeschlagen steht er, nur im Morgenmantel gehüllt, vor seinem Haus. “Tausend Dank für deine Gastfreundschaft. Es hat uns in deinem schönen Haus sehr gut gefallen”, bedanke ich mich ihn freundschaftlich umarmend. “Es war interessant und angenehm mit euch. Ihr könnt gerne jederzeit wiederkommen. Meine Türen stehen für euch immer offen”, erwidert er freundlich lächelnd.

Wir besteigen unsere Rösser, heben unsere Hand zu einem letzten Gruß und folgen Timurs kleinen Minibus. Sofort hat uns der gewaltige Staub der grottenschlechten Straßen Astanas eingehüllt. Obwohl in Kasachstan, besonders in der Hauptstadt, unzählige supermoderne und sehr teure Autos das Straßenbild prägen, sind die Abgase hier kaum zu beschreiben. Es liegt ein regelrechter Nebel aus Ruß und Staub über der Metropole die uns die Lungen brennen lassen. Viele der Fahrer bauen ihre Katalysatoren sogar aus, um somit ihrem Vehikel mehr Leistung abzuverlangen. Wir befinden uns im Tross der fahrenden Blechhaufen die, wie in jedem Land unserer Mutter Erde, zum größten Teil für die Umweltbelastung verantwortlich sind. Aber nicht nur die Verbrennungsmotoren schleudern Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Stickoxide, leichtflüchtige organische Verbindungen, Schwebstoffteilchen und beim Bremsen sogar Krebs fördernden Asbest in die Atemluft, sondern auch rauchende Schlöte. Ihr grotesk aussehender schwarzer, giftiger Russ wird vom Wind fein säuberlich über einen gesamten Stadtbereich verteilt.

Als wir nach 20 Minuten endlich den Stadtrand erreichen wird der Dunst um uns etwas lichter. Wir verabschieden uns vom hilfsbereiten Timur mit seinem wunderbaren sonnigen Gemüt und seiner liebeswerten Schwester und lassen die noch im Bau befindliche Hauptstadt hinter uns. Immer wieder blicken wir zurück und erkennen jetzt, aus der größer werdenden Distanz, wie die mitten in der ebenen Steppenlandschaft liegende menschliche Siedlung in eine übel aussehende Glocke gehüllt ist. Noch im letzten Jahrhundert waren die Kasachen ein Nomadenvolk und zogen mit ihren Tieren durch ihr riesiges Land. Die Politik und der Zahn der Zeit haben sie gezwungen aus der Steppe in enge, schmutzige und ungesunde Metropolen zu ziehen. Astana soll laut den Planern eine Millionenstadt werden. Dies hat zur Folge, dass noch mehr Kasachen ihr ländliches Leben gegen Stress, Hektik, dem Hecheln nach Geld, Fortschritt und Ansehen eintauschen werden. Nachdenklich sitze ich auf meinem Rad und frage mich wann wir Menschen verstehen werden worin das wahre Glück liegt? Mit Sicherheit nicht im ständigen Streben nach Geld, Ansehen und Macht.

Der Verkehr ist überraschend stark. Viele Lastwägen und Autos brausen an uns vorbei. Die Oberfläche des dunklen Asphaltstreifens ist rau und grob. Wie ein überdimensional großes Reibeisen. Die Rahmen unserer Bikes, die Anhängerkupplung, die Hänger und unser gesamtes Material sind einer enormen Belastung ausgesetzt. Gut, dass unsere Körper durch die voll gefederten Rahmen von riese und müller stark entlastet werden.

Plötzlich klingelt mein Handy. Ich bremse, hole das Mobiltelefon aus der Satteltasche und höre die Stimme von Marat aus Koktschetaw. “Hallo Marat. Schön von dir zu hören. Du hast Glück uns erreicht zu haben. Normalerweise schalte ich das Handy außerhalb einer Stadt ab”, sage ich. “Wie geht es euch?” “Sehr gut.” “Stell dir vor. Die Journalistin Alia, die den großen Artikel über euch geschrieben hat, war gestern bei mir in der Wohnung.” “Echt? Warum?”, frage ich. “Sie hat über mich und meine Kunst ein Interview gemacht.” Äh, welche Kunst?”, will ich vorsichtig wissen. “Na meine aus Draht gebogenen Autos und Pistolen! Stell dir das vor! Ich bin jetzt auch bald in der Zeitung!”, ruft er sehr freudig. “Fantastisch Marat. Gratulation. Vielleicht wird es ja doch noch etwas mit dem Eintrag im Guinness Buch der Rekorde”, antworte ich weil ich weiß, dass dies sein größter Wunsch ist. “Ja, vielleicht. Ich wünsche euch noch eine gute und sichere Reise. Wollte dir nur schnell die Neuigkeiten mitteilen”, beendet er seinen Anruf.

Schmunzelnd drehte ich weiter in die Pedale als wir plötzlich von einem Kleinbus gestoppt werden. Zwei Journalisten steigen aus und stellen uns viele Fragen. Geduldig beantworten wir alles was sie wissen möchten und lassen uns von der Kamera ablichten. “Wir schreiben einen Artikel über euch. Sollen wir ihn irgendwohin schicken?” “Vielen Dank, aber wir besitzen in Kasachstan leider keine Adresse”, antworten wir uns verabschiedend.

Als wir nach 104 Kilometern einen Campplatz hinter einer dichten Buschreihe finden ist die Luft extrem schwül. “Man könnte sie glatt mit dem Messer teilen”, meint Tanja “Zieht ein mächtiges Gewitter auf”, vermute ich den Himmel studierend. “Vielleicht ist das der Grund für meine Kopfschmerzen”, antwortet sie ihre Sachen ins Zelt räumend.

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