Die neuen 500 Watt Boschakkus und zunehmender LKW-Verkehr
N 39°05’19.1’’ E 112°12’05.8’’Datum:
03.11.2015
Tag: 128
Land:
China
Provinz:
Shanxi
Ort:
Shenche
Breitengrad N:
39°05’19.1’’
Längengrad E:
112°12’05.8’’
Tageskilometer:
94 km
Gesamtkilometer:
10.322 km
Luftlinie:
71.32 km
Durchschnitts Geschwindigkeit:
22.0 km/h
Maximale Geschwindigkeit:
48.6 km
Fahrzeit:
4:14 Std.
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Maximale Höhe:
1.500 m
Gesamthöhenmeter:
6.511 m
Höhenmeter für den Tag:
500 m
Gegenwind Windstärke: 5
35 km/h
Sonnenaufgang:
06:59 Uhr
Sonnenuntergang:
17:230 Uhr
Temperatur Tag max:
19 °C
Temperatur Tag min:
9 °C
Aufbruch:
Uhr 10:00 Uhr
Ankunftszeit:
Uhr 16:30 Uhr
Platte Reifen gesamt:
8
Platte Vorderreifen:
2
Platte Hinterreifen:
5
Platte Anhängerreifen:
1
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Obwohl es uns hier sehr gut gefällt und ich noch viele Geschichten zu schreiben habe, entscheiden wir uns weiterzufahren. Der Grund ist der Wetterbericht, an den wir uns soweit es geht halten. Die kommenden Tage soll es nicht regnen. Die von Kohlestaub überzogenen Straßen werden bei Nässe schmierig und glatt. Bei dem extremen Schwerlastverkehr, der uns seit mehreren hundert Kilometern zusetzt, eine wichtige Voraussetzung wohlbehalten das jeweilige Tagesziel zu erreichen.
Wir sind mittlerweile den Menschenauflauf während des Packens und Ladens auf der Straße gewöhnt. Hier allerdings steigert sich der Zuschauerrausch derart, dass die immer größer werdende Menschentraube auf dem Gehsteig keinen Platz mehr findet und beginnt den Straßenverkehr zu behindern. Die Polizei schickt eine Streife um nach dem Rechten zu sehen. „Alles okay!“, ruft ihnen der Manager des Hotels zu.
Bei blauem Himmel und ca. 9 °C lassen wir die Pedale kreisen. Schnell wird Shanyin im Rückspiegel kleiner. „Super! Keine Lastwägen!“, freue ich mich als sich unser Fahrweg am Stadtende mit der Fernstraße S305 vereint. Ab diesen Zeitpunkt rauscht ein nicht enden wollender Schwerlastverkehr an uns vorbei. „Tuuuhhhhht! Tuuuhhhhht! Tuuuhhhhht!“, begrüßen oder warnen uns die unzähligen Brummis. Ihr Gehupe ist teils derart laut, dass es uns fast aus dem Sattel bläst. Hoch konzentriert treten wir unsere Rösser auf dem schmalen Seitenstreifen entlang, dessen rechte Seite auch heute wieder von einer steilen Abbruchkante begrenzt wird. „Wooouuuhhh!“, fauchen die mit Kohle schwer beladenen 38-Tonner unaufhörlich vorbei, um ihre Millionentonnen schwarze Last von den Kohleminen zu den Städten zu transportieren. „Ich dachte wir befinden uns auf einer Nebenroute?“, fragt Tanja, da die Straße die wir jetzt nutzen in der Karte eher unscheinbar wirkt und noch dazu sich an der Chinesischen Mauer entlang windet. Niemals hätten wir damit gerechnet hier auf solch eine gnadelose Lastwagenkolonne zu treffen. „Oh nein! Ajachi hat das Sicherheitsnetz zerstört“, ruft Tanja als sie beim Vorbeifahren einen Blick auf seinen Hänger geworfen hat. Sofort halten wir an, um den Schaden zu begutachten. Erst gestern habe ich ein Drahtnetz an Ajachis Anhänger angebracht, damit er während der Fahrt seine Pfoten nicht mehr rausstrecken kann. Das leichte Moskitonetz, welches der Hersteller mitlieferte, hatte Ajachi schon in den ersten Stunden mit seinen Pfoten zerschlitzt. Tanja war deswegen bald täglich mit Näharbeiten beschäftigt. Damit er seine Pfoten nicht an meinen Hinterreifen oder im schlimmsten Fall während der Fahrt unter den Hänger bringen kann, setzten wir ihn anders herum hinein, so dass er während der Fahrt nach hinten heraus sehen konnte. Das wiederum hatte zu Folge, dass zuviel Last auf die Deichsel kam, weswegen sie sich so verbogen hat. Das Gitternetz versprach endlich Abhilfe. „Man Ajachi, du bist doch total bescheuert“, schimpfe ich ihn. Sein betretener Blick verrät, dass er genau weiß wovon ich spreche. „Wir müssen bei nächster Gelegenheit eine Barriere aus Kunststoff oder Holz einbauen“, sage ich das zerrissene Netz entfernend.
„Ob das so bleibt?“, fragt Tanja. „Was so bleibt?“ „Na der schreckliche LKW-Verkehr?“ „Nichts bleibt für ewig“, antworte ich darauf hoffend, dass das Land der Superlativen uns nicht vom Gegenteil überzeugt. Nachdem wir uns ein wenig die Beine gelockert haben setzen wir unsere zusehend schwieriger und gefährlicher werdenden Fahrt fort. Es geht vorbei an stinkenden Kraftwerken, deren schwerer Rauch das Land bedeckt. Aber auch die Große Mauer zieht sich in Bruchstücken immer wieder rechts und links der Straße in Richtung Westen. An besonders interessanten, noch erhaltenen Abschnitten legen wir einen Stopp ein, um sie zu fotografieren, uns mit ein paar Mandeln und Rosinen zu stärken oder den Akku zu wechseln. Durch die neuen 500 Watt-Akkus haben sich unsere bisherigen Energieprobleme wie in Luft aufgelöst. Wenn mein Energiesammler leer war hatte Tanja bislang noch immer für 5 bis 7 Kilometer Reserven. Jetzt ist es genau anders herum. Wenn Tanjas 400 Watt Kraftspeicher alle ist besitzt mein 500 Wattakku noch für gut 5 km Power. Dadurch, dass nun jeder von uns 6 Akkumulatoren im Gepäck geladen hat, gönnen wir uns den Luxus im höchsten Energiemodus, also Turbo, zu fahren. Deswegen sind wir schneller geworden, verbrauchen weniger Kraft, müssen mittags in kein Straßenrestaurant um zu laden und kommen abends früher an. Vor allem hat sich unser Aktionsradius verdoppelt, was da heißt, dass wir je nach Geländeform und Windsituation wahrscheinlich 150 km bis 200 km Reichweite besitzen. Das ist ein geradezu traumhafter Luxus. Aber es ist nicht nur Luxus sondern gibt uns Sicherheit und vor allem große Freude. In diesem Augenblick windet sich die S305 bei aufkommenden starken Gegenwind über einen 1.500 Meter hohen Pass. Noch gestern hätten wir nach 80 Tageskilometer, wie so häufig in den letzten Monaten, Bedenken gehabt liegen zu bleiben. Nur indem wir uns im Eco- oder Tourmodus die Berge hinaufgearbeitet haben konnten wir meist unsere Tagesziele erreichen. Jetzt hingegen surren unsere Bikes mit ca. 12 km/h die steil ansteigende Straße nach oben. Natürlich müssen wir trotzdem strampeln und unser Herz pumpt das nötige Blut durch unsere Adern aber wir sind dabei verblüffend schnell und sind während des Anstiegs in der Lage ein paar Sätze zu wechseln. Auf unserem Weg von Europa bis in die Mongolei waren wir bei solchen Bergen sogar gezwungen unsere schweren Böcke über Stunden hinweg zu schieben. „Ein Traum!“, ruft Tanja nach 94 Tageskilometer lachend. „Ein Traum“, antworte ich mich ebenfalls über die neue Situation freuend…
Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.