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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Die Macht des Feuers

N 68°57’18.3’’ E 015°26’28.0’’
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    Datum:
    04.10.2020

    Tag: 063

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    In der Wildnis

    Gesamtkilometer:
    5507 km

    Sonnenaufgang:
    07:16 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:18 Uhr

    Temperatur Tag max:
    14°

    Temperatur Nacht min:

 

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

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Knack! Zisch! Öffnen wir eine Büchse von dem dänischen Bier, an dessen Geschmack wir uns mittlerweile gewöhnt haben. „Prost“, sage ich und stoße mit Tanja an. „Prost“, erwidert sie mir ihren Arm um die Schulter legend. „Bist du froh, mal wieder einen Übernachtungsplatz mitten in der Wildnis gefunden zu haben?“, fragt sie leise. „Absolut. Da kommt gleich ein bisschen Abenteuerfeeling auf.“ „Es freut mich dich glücklich zu sehen.“ „Bist du auch glücklich?“ „Ja. Wie könnte ich an so einem wunderbaren Ort unglücklich sein?“, antwortet sie, deutet auf die Bergsilhouette im Nordmeer vor uns und fragt: „Sind das die bekannten Vogelinseln Bleiksøya und Forøya?“ „Nein, die liegen etwas nördlicher von hier, aber es gibt auf Vesterålen viele Vogelarten wie Tordalken, Trottellummen, Krähenscharben, Reiher und sogar Schwäne. Dafür ist die Inselregion unter anderem bekannt. Die Fjordlandschaften bietenden den Seevögeln jede Menge Futter“, erkläre ich, als just in diesem Augenblick ein Seeadler seine Kreise über unseren Köpfen dreht. „Auch der König der Lüfte fühlt sich hier offensichtlich wohl“, sagt Tanja in den Abendhimmel blickend, um der Flugbahn des Greifvogels zu folgen. „Weißt du, ob auf den Inseln auch Papageientaucher leben?“, möchte Tanja wissen. „Klar auch die leben hier.“ „Ob wir welche von ihnen sehen werden?“ „Weiß nicht. Soweit ich weiß, bevorzugen sie steile Felswände, um in den dort vorkommenden Nischen und Spalten zu brüten. Nachdem, was ich gelesen habe, nisten Zehntausende von Papageientaucherpaaren auf den Vogelinseln, die du erwähnt hattest.“ „Werde nie vergessen, wie wir damals den lustig anzusehenden Vögeln mit ihren roten Schnäbeln und Füßen auf der Insel Grimsey stundenlang zugesehen haben.“ „Du meinst das winzige Atoll Grimsey zwischen Island und Grönland?“ „Gibt es sonst noch eine Insel, die so heißt?“ „Glaube ich nicht, aber ich wollte nur sichergehen, die gleiche Geschichte zu teilen.“

Bis die Sonne sich hinter den Bergen vollständig versteckt hat, sitzen wir da und schwelgen in Erinnerungen. Dann springe ich auf, schnappe mir die Axt und gehe mit Ajaci in den nahen Wald, um Feuerholz für ein Lagerfeuer zu sammeln. „Pass auf dich auf!“, ruft uns Tanja hinterher. Wenig später spratzeln die ersten glühenden Funken in die aufkommende Dunkelheit. Weil unser mobiles Heim nur wenige Meter hinter uns steht, benötigen wir das Feuer nicht, um Wasser zu kochen, Brot zu backen oder ein Abendessen zuzubereiten. Gedankenversunken sitzen wir da und blicken wie hypnotisiert in die hungrigen, züngelnden Flammen. Die Stille der scheinbar noch unberührten Natur umgibt uns, umhüllt uns wie ein seidener Kokon. Umso länger wir schweigend dasitzen, desto mehr schärfen sich unsere Sinne. Plötzlich vernehmen wir das leise Rauschen des nahen Meeres, wir hören das Plätschern des Baches neben uns, den entfernten Ruf eines Vogels, das Rascheln der Blätter als ein leichter Windzug durch die Bäume streicht, das angenehme Knistern des Feuers und das manchmal laute Knacken des Holzes. „An was denkst du?“, mischt sich Tanjas Stimme in die wohltuende Geräuschkulisse, die vom menschlich gemachten Fortschritt völlig verbannt wurde. „Ich denke gerade daran, wie wir während der Durchquerung des australischen Outbacks nahezu jeden Tag am Feuer saßen. Wie uns das Feuer in den kalten Winternächten wärmte und wie wir darauf kochten. Das Feuer hatte zu jener Zeit etwas Elementares. Ich denke daran, welch ein Unterschied es ist, ein Feuer nur zum Vergnügen zu entfachen oder um zu überleben. Ein Überlebensfeuer wie damals während unserer Australien- oder Mongoleidurchquerung hatte eine ganz andere Gewichtung als hier in diesem Augenblick. Irgendwie liebe ich diese bedeutende Verbindung zwischen Menschen und Feuer. Ich glaube das die heutigen Erdenbürger, die nie unmittelbar von der Kraft des Feuers abhängig waren, wissen, was es für sie bedeutet. Ohne den richtigen Einsatz von Feuer hätte der Mensch sich nie dahin entwickelt, wo er heute steht. Feuer und Mensch ist für mich eine der wichtigsten Synergien. Auch wenn es manchmal töten kann, können wir ohne Feuer nicht sein“, sinniere ich.

Eine Windböe fällt von den Bergen ins Tal und lässt die Flammen hell aufflackern. Ich blicke in den sternenklaren Himmel. Im Süden erkennen wir eine schwarze Wolkenfront. „Braut sich da etwas zusammen?“, fragt Tanja. „Hoffentlich nicht. Weiß nicht ab wann es wieder Asphalt gibt. Wäre übel, wenn die noch vor uns liegende Piste in Matsch versinkt und wir darin stecken bleiben.“ „Du hast gesagt, der Weg ist für die Terra ein Kinderspiel.“ „Habe ich aber du weißt, wie es hier regnen kann und wie schnell sich Bedingungen ändern. Aber mach dir keine Sorgen. Ich passe auf und wie schon erwähnt können wir noch immer umkehren.“

Um 22:00 Uhr ist Tanja im Bett, während Ajaci und ich noch am Lagerfeuer sitzen und die Sterne beobachten. „Ist das ein Aurorastreifen?“, frage ich, worauf Ajaci mit einem freundlichen Brummen antwortet. „Tatsächlich, das sind Nordlichter!“, sage ich aufgeregt, springe hoch und eile in die Terra, um meine Kameraausrüstung zu holen. Obwohl wir mittlerweile schon ein paarmal den Anblick von Nordlichtern genießen durften, ist es jedes Mal völlig anders. Fasziniert sitze ich da und beobachte das Schauspiel des kosmischen Tanzes, bis es urplötzlich verschwindet, als wäre alles nur ein Spuk oder Einbildung gewesen. Um Mitternacht ist der Himmel noch immer farblos, weshalb ich mich in die Terra verziehe und mich zu Tanja ins warme Bett lege…

 

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