Brillen für die Jäger – Verlorene Pferde
N 51°33'337'' E 099°15'341''Tag: 252-254
Sonnenaufgang:
06:59/06:52
Sonnenuntergang:
19:54/19:59
Gesamtkilometer:
1341
Bodenbeschaffenheit:
Eis, Schnee
Temperatur – Tag (Maximum):
minus 3°C – minus 8°C
Temperatur – Tag (Minimum):
minus 8°C – minus 5°C
Temperatur – Nacht:
minus 14°C – minus 20°C
Breitengrad:
51°33’337“
Längengrad:
099°15’341“
Maximale Höhe:
1981 m über dem Meer
Das Wetter könnte nicht wechselhafter sein. Sturmböen, Schneetreiben, Sonnenschein und Tauwetter wechseln sich bald täglich. War die Mongolei für uns bisher das Land des blauen Himmels so ist es jetzt das Land der Stürme. Vor unserem Filzhaus verbrennt Ultsan den Müll der sich über den Winter angesammelt hat. Tsaya und er haben mit einem primitiven, selbstgebauten Rechen kleines Astwerk, Rinde, trockenes Gras, Papier, Plastik und sonstiges Undefinierbares zu einem großen Haufen zusammengerecht und angezündet. Ein imposanter Anblick wie die Sturmböen die Funken über die Taiga und in das fade Blau des Himmels bläst. Durch die Sauerstoffzufuhr brennt das Zusammengetragene über 30 Stunden und taucht den Vorplatz lange nach Sonnenuntergang in ein gespenstisches Licht. Auf meine Frage warum sie kurz vor dem Umzug in das Frühjahrscamp den Platz reinigen erklärt Ultsan; „Wenn wir diesen Winter wiederkommen wollen wir nicht auf Müll leben. Wir säubern unsere Campplätze immer bevor wir sie verlassen.“
Damit die Pferde auch nachts die Chance besitzen ihren Hunger zu stillen beschließt Bilgee ab sofort abends nicht mehr ins Camp zu kommen sondern die gesamte Zeit draußen im Hochtal zu verbringen. Ich baue mit ihm ein Zelt auf damit er sich vor der Kälte und den Sturmböen schützen kann. Auch Mogi wird abkommandiert Bilgee Gesellschaft zu leisten. Somit hat er nachts mehr Ruhe weil, so hoffen wir, Mogi ihn vor eventuellen Pferdedieben mit seinem Bellen warnen wird. Bilgee richtet sich sogleich eine kleine Buschküche ein in dem er einen Topf an einem auf dem Waldboden schräg nach oben liegenden Ast hängt unter dem er ein Feuerchen entfacht. Mogis Lager befindet sich hinter mehreren abgestorbenen, dünne Baumstämme die Bilgee als Windschutz für ihn errichtet hat.
Am Nachmittag reiten Ultsan und Sansar auf ihren Rentieren zur Jagd. Sie tragen die Brillen die UVEX auf unser Anfragen hin geschickt hat. Als ich ihnen die Brillen überreichte waren sie äußerst Dankbar, denn gerade im Frühjahr verursachen die vom Schnee reflektierten Sonnenstrahlen Augenreizungen und Schneeblindheit. Stolz lachen sie in die Kamera und verabschieden sich. Durch die großzügige Geste von UVEX sind wir in der Lage allen Jägern mit denen wir den Winter verbracht haben eine Brille zu geben. Für den Stamm bedeutet dieses Geschenk einen Wert von 1,7 Millionen Tugrik (955,- €).
Verlorene Pferde
20:00 Uhr. Bilgee erscheint ganz plötzlich im Camp. „Was ist denn los? Es ist hoffentlich nichts geschehen?“, fragen wir. „Ich hatte Tenger, Sar und Od in der Nähe meines Zeltes festgebunden und als ich Sharga, Bor und Naraa von der Weide holen wollte waren sie nicht mehr da. Ich dachte sie sind vielleicht ins Camp gelaufen?“, erklärt er. „Warum sollten sie ins Tuwa-Camp gehen?“, wundert sich Tanja. „Sie hatten hier das Zusatzfutter bekommen. Könnte sein sie haben sich daran erinnert und Appetit auf eine Nachspeise verspürt.“ „Hm, hier sind sie nicht“, sage ich, worauf Bilgee sich kurzerhand verabschiedet, um wieder im nächtlichen Wald zu verschwinden.
Tanja und ich sprechen gerade darüber ob wir ihm folgen sollen, um ihm bei der Suche nach den Tieren zu helfen als die Jurtentür aufgeht und Saintsetseg und Tsaya über die Schwelle treten. „Saintsetseg kann das schamanische Ritual heute Nacht nicht halten. Das geht nur in der ersten Hälfte des Monats“, erklärt Tsaya. „Warum?“, frage ich, da wir mit der Schamanin erst gestern ein Ritual vereinbarten welches uns Glück und Gesundheit für die kommende Reise bringen soll. „Die Geister kommen nur zu dieser Zeit. In der zweiten Monatshälfte bleiben sie fern.“ „Schade. Na dann verschieben wir das Ritual aud den kommenden Monat“, meine ich. Saintsetseg scheint erleichtert zu sein. Wie immer kaut sie Baumharz als Kaugummi und wie immer legt sie ihn während des Kaffeetrinkens irgendwo ab. Diesmal auf meinem Laptop. Bevor sie uns wieder verlässt nimmt sie das hart gewordene Baumharzkügelchen von meinem Notebook, steckt es sich in den Mund und murmelt ein „Saihan dsuud dsuud leerei“ („Habt schöne Träume“)
Kaum haben uns Tsaya und Saintsetseg verlassen machen wir uns auf, um Bilgees Zeltcamp auf der Lichtung zu besuchen. Im Strahl unserer Stirnlampe tappen wir durch den finsteren Wald über den mit Flechten bewachsenen Boden. Nach 20 Minuten erreichen wir die in der Nacht fremdartig aussehende Fläche zwischen dem Bergzug und dem Forst. Im fahlen Sternenlicht heben sich sechs schwarze Schatten von den weißen Schneeinseln ab. „Die Pferde sind alle da“, raune ich. „Ja, er hat sie wieder gefunden“, antwortet Tanja. Als wir uns dem Zelt nähern beginnt Mogi zu bellen. Der Schein von Bilgees Stirnlampe erhellt das Zeltinnere. Es dauert nicht lange und Bilgee kommt nur halb bekleidet aus seiner Behausung und begrüßt uns lachend. „Die Pferde waren in der Tat auf dem Weg zum Tuwa-Camp“, erklärt er. „Auf dem Track den die Fahrzeuge nutzen die ab und an ins Camp kommen?“, frage ich. „Tijmee“, („Ja“) antwortet er. „Gut. Wir hatten uns schon ein wenig Sorgen gemacht“, meine ich jetzt ebenfalls lächelnd. „Kein Grund zur Sorge Denis. Hier können uns die Pferde nicht verloren gehen“, sagt er. Wir tauschen noch ein paar Sätze aus dann begeben wir uns auf den Rückweg. Wegen dem dichten Wald und der Dunkelheit finden wir auch jetzt wieder den Pfad nicht den die Rentiere nutzen, um zur Lichtung zu gelangen. „Es ist verblüffend wie leicht man sich hier verirren kann“, meint Tanja. „Und das obwohl wir schon vier Monate hier leben“, antworte ich. „In der Nacht sieht einfach jeder Baum gleich aus“, erwidere sie.
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