Bombe im Garten und auf die kommenden 300 Jahre verseucht
N 17°37’28.6’’ E 106°23’07.4’’
Datum:
28.11.2016 bis 29.11.2016
Tag: 521 – 522
Land:
Vietnam
Provinz:
Quảng Bình
Ort:
Phong Nha Farm Stay
Breitengrad N:
17°37’28.6’’
Längengrad E:
106°23’07.4’’
Gesamtkilometer:
20.992 km
Gesamthöhenmeter:
58.432 m
Sonnenaufgang:
06:06 Uhr – 06:07 Uhr
Sonnenuntergang:
17:17 Uhr
Temperatur Tag max:
18°C
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
„Meine Mutter hat dort unten am Son Fluss geholfen die Minen und Bomben herauszufischen, die von den Amerikanern abgeworfen wurden, um den Flussverkehr lahm zu legen“, beginnt Bich, die mit ihrem australischen Mann Ben vor einigen Jahren das Gästehaus gegründet hat, zu erzählen. „Sie hatte an vielen Fronten, auch im unterirdischen Tunnelsystem gekämpft und wurde zweimal verwundet. Einmal hat man ihr den halben Hintern weggeschossen und noch heute steckt eine Kugel in ihrer Hüfte“, erzählt sie weiter und deutet auf eine kleine, alte Frau, die vor unseren Augen mit ihrem Enkel spielt. „Jahrelang war Mutter traumatisiert. Seitdem sie ihre Enkel hat geht es ihr wieder besser. Sicherlich, vergessen wird sie die schlimmen Jahre nie, aber zumindest kann sie wieder ein einigermaßen normales Leben leben.“ Tanja und ich beobachten Bichs Mutter, die ihren 18 Monate alten Enkel liebevoll beim Spielen beaufsichtigt. „Man sieht es ihr nicht an“, sage ich. „Meine Mutter ist eine starke Frau, auch wenn sie so klein und zierlich ist. Leider haben Folgen des verheerenden Krieges noch immer Auswirkungen auf sie.“ „Schmerzen?“, frage ich. „Ja, Schmerzen hat sie sicherlich noch, aber ich meine in diesem Fall den Bürokratismus.“ „Bürokratismus?“, frage ich verwundert nach. „Ja, bei einem der unzähligen Bombenangriffe wurde auch das Haus meiner Eltern dem Erdboden gleich gemacht. Dabei ist das Wenige was sie besaßen verbrannt. Seither hat sie keine Papiere mehr, die bezeugen, wer sie wirklich ist. Das ist der Grund warum man ihr bis heute keinen Reisepass ausstellt.“ „Du machst doch Scherze?“, entgegne ich. „Nein, die Behörden wollen irgendeinen schriftlichen Nachweis. Den besitzen wir für meine Mutter nicht.“ „Dabei reicht nicht aus wenn Verwandte oder Freunde bezeugen wer sie ist?“ „Nein. Ben und ich wollten sie schon lange mal mit nach Australien nehmen, um sie Bens Familie vorzustellen. Das scheitert bisher am fehlenden Reisepass. Aber wir geben nicht auf. Ich hoffe wir bekommen das Dokument noch bevor sie zu alt zum reisen ist.“ „Nicht zu fassen. Da hat sich deine Mutter für ihr Land eingesetzt, alles gegeben, alles verloren und jetzt bekommt sie als Dank nicht mal einen Pass“, sagt Tanja erschüttert. „Letztendlich hat sie trotzdem Glück im Unglück. Sie besitzt wieder eine Familie, Kinder und Enkelkinder. Da ging es unserem Nachbarn viel schlechter. Der starb erst letztes Jahr als er beim Pflügen seines Feldes auf einen Blindgänger trat und durch die Explosion getötet wurde. Die Familie verlor urplötzlich den Ehemann, Vater und Ernährer. Bald jeden Tag sterben heute noch Menschen an den Folgen des Krieges. Das U.S. Militär hat über 15 Millionen Tonnen Boben auf unser Land geworfen. Ungefähr 10 Prozent sind davon nicht explodiert. Das heißt, dass heute noch ca. 3,5 Millionen Landminen und Blindgänger herumliegen. Meine Regierung schätzt, dass 6,6 Millionen Hektar, ungefähr ein Fünftel unseres gesamten Landes, mit Bomben und Minen verseucht sind. In manchen Gebieten sind bis zu 80 Prozent der Fläche durch Blindgänger kontaminiert. Es ist ein furchtbares Erbe welches die Nachkriegsgeneration angetreten hat. 38 000 Zivilisten wurden seit Kriegsende im April 1975 durch alte Sprengkörper getötet und 64 000 verletzt. Jedes Jahr werden etwa 2 000 Unfälle registriert“, erzählt Bich traurig. Tanja und ich wussten zwar, dass die Kriegsfolgen fatal sind, aber Bich’s Geschichte trifft uns schwer.
„Bei einem unserer Nachbarn liegt eine große Fliegerbombe neben seinem Haus“, unterbricht sie unser gemeinsames Schweigen. „Er hat sie beim Umgraben eines kleinen Feldes entdeckt. Weil er durch eine künstliche Sprengung oder einer misslungenen Entschärfung nicht sein Haus verlieren möchte, hat er die Bombe wieder mit Erde zugeschüttet. Das Problem ist mittlerweile, dass der starke Monsunregen, wachsende Wurzeln und Erosion, die tödliche Gefahr an die Oberfläche befördert und durch die Oxydation die Bomben die Farbe der rotbraunen Lehmerde angenommen haben. So können die Bauern sie manchmal nicht rechtzeitig erkennen. Aber am schlimmsten sind Kinder und ethnische Minderheiten betroffen. Kinder, weil sie mit den Bombis spielen und die ethnischen Minderheiten, weil sie Metall sammeln um es zu verkaufen.“ „Was sind Bombis?“, werfe ich ein. „So nennen wir die etwa Tennisballgroßen Streubomben die Amerika zu Millionen über unser Land abgeworfen hat. Sie können überall sein: am Wegrand, in den Urwäldern, unterm Mangobaum, am Feldrand, im Bachbett, im Garten, am Haus, im Reisfeld.“ „Und was kann man dagegen tun?“, frage ich kleinlaut. „Es wird viel getan. Einige NGOs, wie die MAG, (Mines Advisor Group) arbeiten täglich daran Minen und Blindgänger zu entschärfen und unsere Leute auszubilden. Viele Länder, wie zum Beispiel Deutschland, Australien, Irland, Großbritannien und Dänemark, sowie fast 40 Nichtregierungsorganisationen, haben geholfen oder helfen noch immer Vietnam bei der Minenräumung, Aufklärung über Bomben für Bewohner und Hilfe für die Opfer.
Die US-Nichtregierungsorganisation Peace Trees hat in den vergangenen 20 Jahren Vietnam mit etwa 80 Millionen US-Dollar unterstützt, um die Bomben- und Minenfolgen zu bewältigen. Um alle Bomben und Blindgänger zu beseitigen benötigt mein Land schätzungsweise allerdings über 10 Milliarden US-Dollar, und da sind die Milliarden für die notwendigen Umsiedelungen der Bewohner nicht mit eingerechnet. Aber trotz aller Bemühungen wird es nach Schätzungen 300 Jahre dauern bis die Bomben und Minen in Vietnam vollständig beseitigt sind…
„Meine Mutter hat dort unten am Son Fluss geholfen die Minen und Bomben herauszufischen, die von den Amerikanern abgeworfen wurden, um den Flussverkehr lahm zu legen“, beginnt Bich, die mit ihrem australischen Mann Ben vor einigen Jahren das Gästehaus gegründet hat, zu erzählen. „Sie hatte an vielen Fronten, auch im unterirdischen Tunnelsystem gekämpft und wurde zweimal verwundet. Einmal hat man ihr den halben Hintern weggeschossen und noch heute steckt eine Kugel in ihrer Hüfte“, erzählt sie weiter und deutet auf eine kleine, alte Frau, die vor unseren Augen mit ihrem Enkel spielt. „Jahrelang war Mutter traumatisiert. Seitdem sie ihre Enkel hat geht es ihr wieder besser. Sicherlich, vergessen wird sie die schlimmen Jahre nie, aber zumindest kann sie wieder ein einigermaßen normales Leben leben.“ Tanja und ich beobachten Bichs Mutter, die ihren 18 Monate alten Enkel liebevoll beim Spielen beaufsichtigt. „Man sieht es ihr nicht an“, sage ich. „Meine Mutter ist eine starke Frau, auch wenn sie so klein und zierlich ist. Leider haben Folgen des verheerenden Krieges noch immer Auswirkungen auf sie.“ „Schmerzen?“, frage ich. „Ja, Schmerzen hat sie sicherlich noch, aber ich meine in diesem Fall den Bürokratismus.“ „Bürokratismus?“, frage ich verwundert nach. „Ja, bei einem der unzähligen Bombenangriffe wurde auch das Haus meiner Eltern dem Erdboden gleich gemacht. Dabei ist das Wenige was sie besaßen verbrannt. Seither hat sie keine Papiere mehr, die bezeugen, wer sie wirklich ist. Das ist der Grund warum man ihr bis heute keinen Reisepass ausstellt.“ „Du machst doch Scherze?“, entgegne ich. „Nein, die Behörden wollen irgendeinen schriftlichen Nachweis. Den besitzen wir für meine Mutter nicht.“ „Dabei reicht nicht aus wenn Verwandte oder Freunde bezeugen wer sie ist?“ „Nein. Ben und ich wollten sie schon lange mal mit nach Australien nehmen, um sie Bens Familie vorzustellen. Das scheitert bisher am fehlenden Reisepass. Aber wir geben nicht auf. Ich hoffe wir bekommen das Dokument noch bevor sie zu alt zum reisen ist.“ „Nicht zu fassen. Da hat sich deine Mutter für ihr Land eingesetzt, alles gegeben, alles verloren und jetzt bekommt sie als Dank nicht mal einen Pass“, sagt Tanja erschüttert. „Letztendlich hat sie trotzdem Glück im Unglück. Sie besitzt wieder eine Familie, Kinder und Enkelkinder. Da ging es unserem Nachbarn viel schlechter. Der starb erst letztes Jahr als er beim Pflügen seines Feldes auf einen Blindgänger trat und durch die Explosion getötet wurde. Die Familie verlor urplötzlich den Ehemann, Vater und Ernährer. Bald jeden Tag sterben heute noch Menschen an den Folgen des Krieges. Das U.S. Militär hat über 15 Millionen Tonnen Boben auf unser Land geworfen. Ungefähr 10 Prozent sind davon nicht explodiert. Das heißt, dass heute noch ca. 3,5 Millionen Landminen und Blindgänger herumliegen. Meine Regierung schätzt, dass 6,6 Millionen Hektar, ungefähr ein Fünftel unseres gesamten Landes, mit Bomben und Minen verseucht sind. In manchen Gebieten sind bis zu 80 Prozent der Fläche durch Blindgänger kontaminiert. Es ist ein furchtbares Erbe welches die Nachkriegsgeneration angetreten hat. 38 000 Zivilisten wurden seit Kriegsende im April 1975 durch alte Sprengkörper getötet und 64 000 verletzt. Jedes Jahr werden etwa 2 000 Unfälle registriert“, erzählt Bich traurig. Tanja und ich wussten zwar, dass die Kriegsfolgen fatal sind, aber Bich’s Geschichte trifft uns schwer.
„Bei einem unserer Nachbarn liegt eine große Fliegerbombe neben seinem Haus“, unterbricht sie unser gemeinsames Schweigen. „Er hat sie beim Umgraben eines kleinen Feldes entdeckt. Weil er durch eine künstliche Sprengung oder einer misslungenen Entschärfung nicht sein Haus verlieren möchte, hat er die Bombe wieder mit Erde zugeschüttet. Das Problem ist mittlerweile, dass der starke Monsunregen, wachsende Wurzeln und Erosion, die tödliche Gefahr an die Oberfläche befördert und durch die Oxydation die Bomben die Farbe der rotbraunen Lehmerde angenommen haben. So können die Bauern sie manchmal nicht rechtzeitig erkennen. Aber am schlimmsten sind Kinder und ethnische Minderheiten betroffen. Kinder, weil sie mit den Bombis spielen und die ethnischen Minderheiten, weil sie Metall sammeln um es zu verkaufen.“ „Was sind Bombis?“, werfe ich ein. „So nennen wir die etwa Tennisballgroßen Streubomben die Amerika zu Millionen über unser Land abgeworfen hat. Sie können überall sein: am Wegrand, in den Urwäldern, unterm Mangobaum, am Feldrand, im Bachbett, im Garten, am Haus, im Reisfeld.“ „Und was kann man dagegen tun?“, frage ich kleinlaut. „Es wird viel getan. Einige NGOs, wie die MAG, (Mines Advisor Group) arbeiten täglich daran Minen und Blindgänger zu entschärfen und unsere Leute auszubilden. Viele Länder, wie zum Beispiel Deutschland, Australien, Irland, Großbritannien und Dänemark, sowie fast 40 Nichtregierungsorganisationen, haben geholfen oder helfen noch immer Vietnam bei der Minenräumung, Aufklärung über Bomben für Bewohner und Hilfe für die Opfer.
Die US-Nichtregierungsorganisation Peace Trees hat in den vergangenen 20 Jahren Vietnam mit etwa 80 Millionen US-Dollar unterstützt, um die Bomben- und Minenfolgen zu bewältigen. Um alle Bomben und Blindgänger zu beseitigen benötigt mein Land schätzungsweise allerdings über 10 Milliarden US-Dollar, und da sind die Milliarden für die notwendigen Umsiedelungen der Bewohner nicht mit eingerechnet. Aber trotz aller Bemühungen wird es nach Schätzungen 300 Jahre dauern bis die Bomben und Minen in Vietnam vollständig beseitigt sind…
Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.
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