Bei Auswanderern zum Abendessen eingeladen
N 69°19'28.8" E 16°07'05.7"Datum:
02.10.2020
Tag: 061
Land:
Norwegen
Ort:
Andenes
Tageskilometer:
0 km
Gesamtkilometer:
5444 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Sonnenaufgang:
07:11
Sonnenuntergang:
18:31
Temperatur Tag max:
14°
Temperatur Nacht min:
9°
Aufbruch:
10:30
Ankunftszeit:
18:00
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Hier geht´s zu den Podcasts!
Link zur aktuellen Reiseroute
(Für weitere Beiträge klick auf eines der Fähnchen in der Karte)
„Uuuaaa, ist mir kalt“, sage ich im Bett unserer Terra liegend. „Ist dir noch schlecht?“, fragt Tanja. „Die Übelkeit ist zum Glück fast weg, aber mir ist furchtbar kalt“, sage ich bibbernd. „Du hast dich auf dem Schiff unterkühlt. Dir wird bald wieder warm sein.“ „Auf wie viel Grad steht die Heizung?“, frage ich, weil ich das Gefühl habe, mich in einem Eisschrank zu befinden. „22 Grad“, antwortet Tanja auf die Temperaturanzeige blickend. Eine ½ Stunde später bin ich zum Glück wieder aufgetaut und meine Übelkeit hat sich nahezu verzogen. „Bist du einsatzfähig?“, fragt Tanja. „Fühle mich fast wie neu geboren“, antworte ich, krabbele unter meiner Decke vor, ziehe mich an und steige in die Fahrerkabine. 10 Minuten später stehen wir vor dem Haus von Stefan. „Schön, dass ihr da seid“, begrüßen uns Stefan und seine Frau Nathalie freundlich. „Ihr habt ja ein ganz neues Wohnmobil“, sage ich, auf dem vor dem Haus stehenden Van deutend. „Haben wir erst vor einigen Monaten gekauft. Kurz bevor wir nach Norwegen gezogen sind“, sagt Stefan und zeigt uns die schöne Innenausstattung des Vans. „Nach dem bewegten Tag habt ihr sicherlich Hunger?“, fragt er uns ins Haus bittend. „Bis vor einer Stunde konnte ich nicht mal an Essen denken, aber jetzt stellt sich der Hunger langsam ein“, antworte ich. Ich hoffe, es macht euch nichts aus? Wegen der spontanen Einladung gibt es nur Pellkartoffeln, Butter, Käse und grünen Salat.“ „Das klingt fantastisch“, freuen wir uns, weil wir Pellkartoffeln mit Butter schon lange nicht mehr genossen haben, es uns an die Heimat erinnert und wir es sehr gerne essen. „Ein schönes Haus“, lobe ich und als wir das gemütliche Wohnzimmer betreten, verschlägt es uns fast die Sprache. „Wow“, sagt Tanja vor dem großen Panoramafenster stehend, vor dem sich ein goldener, von der Abendsonne beschienen Sandstrand erstreckt, der sich nur 30 Meter weiter mit dem blauen Wasser des Nordmeeres vereint. Ein paar ebenfalls goldene Felsen strecken ihre Rücken in den wolkenlosen blassblauen Himmel. „Ich war vor einem Jahr schon mal für ein paar Monate hier und habe durch Zufall das leeerstehende Haus entdeckt und mich sofort verliebt. Nathalie war einverstanden, es zu kaufen und nun leben wir seit zwei Monaten hier“, „Wollt ihr für immer bleiben?“, interessiert es mich. „Wer weiß. Nathalie arbeitet als Schwester im Krankenhaus von Andanes und ich als Guide auf dem Walschiff. Früher war ich Banker, dann Fotograf und Journalist. Ich freue mich riesig über die Abwechslung als Guide auf einem Schiff zu arbeiten und das Wissen über Wale weitergeben zu dürfen und über die einmalige Landschaft. Wir bleiben so lange es uns gefällt. Erst mal mit open end“, erklärt der Schweizer mit zufriedenem Gesichtsausdruck. „Und, wie kann man als Schweizerin in einem norwegischen Krankenhaus arbeiten? Verstehen die Menschen Englisch oder sprichst du Norwegisch?“, fragt Tanja. „Ich habe mir im Selbststudium die Sprache beigebracht. Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten, die Norweger hier zu verstehen. Es gibt sehr viele unterschiedliche Dialekte in diesem Land. Ist fast wie eine eigene Sprache, aber mittlerweile komme ich ganz gut zurecht“, erklärt die liebenswerte Frau. Obwohl wir uns gerade erst kennengelernt haben, verstehen wir uns wie alte Freunde. Stefan macht eine gute Flasche Rotwein auf, die wir Schluck für Schluck genießen. Wir verspeisen die Pellkartoffeln, freuen uns über den schmackhaften Käse, den frischen Salat, die Ananas und Kekse, die Nathalie als Nachspeise serviert. Während der angeregten Unterhaltung übers Auswandern, über die Arbeit als Krankenschwester im hohen Norden, über Corona, die Arbeit als Guide auf einem Walschiff und das Leben im Allgemeinen vergeht der Abend wie im Flug. Kurz vor Mitternacht verabschieden wir uns von unseren Gastgebern. „Wenn ihr wollt, würden wir euch morgen gerne zum Frühstücken einladen“, sagt Stefan kurz vorm Gehen. „Wir möchten euch keine Umstände bereiten“, sagt Tanja. „Das macht ihr nicht. Ganz im Gegenteil würden wir uns freuen, wenn ihr kommt. Die Welt ist zwar klein, aber wer weiß, ob wir uns jemals wieder treffen“, entgegnet er. „Okay danke. Dann bis morgen früh“, sage ich…