Behandlung von Goola und Istan
Tag: 35 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
06:28
Sonnenuntergang:
17:32
Temperatur - Tag (Maximum):
28 Grad
Edgar Kampf-Camp — 20.07.2001
Diesmal haben wir Glück. Das Gewitter ist an uns vorbeigezogen ohne einen Tropfen Regen über unserem Camp zu verschwenden. Sofort nach dem Aufstehen sehen wir nach unseren Patienten. Goola sieht fürchterlich aus. Er hat schlimmen Durchfall. Aus seinem After läuft unaufhörlich übelriechende Flüssigkeit. Er tropft aus dem Maul, liegt apathisch auf dem Boden und sein Atem röchelt wie ein verrostetes Windrad. „Oh weh, er muss schrecklich leiden,“ flüstere ich und streichle seinen Kopf. Wir bringen ihm etwas zu trinken doch er interessiert sich nicht dafür. Die Decken mit denen wir Ihn und Istan seit drei Tagen vor der nächtlichen Kälte schützen sind von seinen Ausscheidungen verschmutzt. Ich lasse Goola aufstehen und führe ihn zu einem anderen Platz. „Hier kannst du dich wieder absetzen,“ sage ich und husche ihn nieder. Er gehorcht, kann sich aber nur mit großer Mühe bewegen.
Collin meldet sich dann wie vereinbart am Funkgerät. Er fragt welche Lebensmittelsäcke und wie viel Wasser er mitbringen soll. „Wir benötigen Lebensmittelsack zwei, einen viertel Ballen Stroh um einige Sättel nachzustopfen und ca. 100 Liter Wasser,“ spreche ich in das Handmikrofon. „Okay, Denis wir sind gegen Mittag bei euch. Lass dein Funkgerät auf Empfang falls wir Euch erreichen müssen.“ „Collin, ich werde pinkfarbenes Leuchtband an einem Busch hängen. Ihr könnt unser Lager nicht verfehlen.“ „In Ordnung Denis wir sind in ca. zwei Stunden da.“
Nach dem Funkkontakt suchen wir Istan auf. Sein Zustand ist unverändert. Ihm scheint es zwar nicht besonders gut zu gehen aber im Vergleich zu Goola sieht er viel besser aus. Als Tanja dann unsere Kamele hütet frisst er an den verschiedenen Büschen und folgt seinen Gefährden. Goola hingegen bewegt sich keinen Zentimeter. „Gut das Collin bald kommt,“ sagt Tanja niedergeschlagen und traurig.
Um 12 Uhr hören wir ein Fahrzeug. Es hält neben meiner Markierung. Ein Mann steigt aus und untersucht den Untergrund des Buschlandes ob es nach den heftigen Regenfällen befahrbar ist. Sofort stelle ich meine Schreibarbeit ein und laufe die 300 Meter zum Track. Freudig begrüße ich Stephen und Collin. „Wie geht es euch?“ ,fragen sie. „Na ja, den Umständen entsprechend gut. Schön das ihr da seid. Wir haben sehnsüchtig auf euch gewartet. Wie war die Fahrt? War der Track unter Wasser?“ „Ganz gut, es sind nur ein paar Stellen überschwemmt. Wir sind aber leicht durchgekommen,“ antwortet Stephen. Ich laufe dem Jeep voraus, um Collin und Stephen den Weg zu unserem Camp zu zeigen. Im Lager werden sie von einer lachenden Tanja empfangen. „Gut das ihr hier seid,“ ruft sie und umarmt die beiden.
Bevor wir uns um die Kamele kümmern tauschen wir erst mal ein paar Neuigkeiten aus. Dann studieren wir die Anweisung der Kamelbehandlung die Jo Collin detailgenau durchgegeben hat und bestaunen die vielen Schätze die Collins Frau Jo in einem Karton für uns verpackt hat. Bevor wir dann zu den Kamelen gehen essen wir mit Heißhunger ein leckeres Sandwich welches Jo liebevoll belegt hat.
Schon eine halbe Stunde später sitzt Goola wie ein Paket verschnürt am Boden. Da ich während unserer Pakistandurchquerung vor einigen Jahren meinem Kamel Heera viele Spritzen geben musste ist diese Prozedur für mich nichts neues. Mit einem schnelle Stich jage ich ihm die Nadel der Spritze in das Muskelfleisch seines hinteren Oberschenkels, während Tanja seinen Kopf mit der Führungs- und Nasenleine gerade hält. Goola hat kein bisschen reagiert. Jetzt schüttle ich die Spritze damit sich das Penicillin mischt und stecke sie auf die Nadel. Um zu sehen ob ich eine Ader getroffen habe ziehe ich den Spritzenkolben nach außen. „Sieht gut aus,“ sage ich und drücke Goola die 35 Milliliter in den Körper. Danach klopfe ich mit der flachen Hand auf die Stelle und reibe ihm den Muskel damit sich alles gut verteilt. Jetzt gebe ich ihm noch 7 Milliliter Dexafort in die gleiche Stelle. Dexafort soll ihm helfen seinen Verdauungsapparat wieder in die Reihe zu bekommen. Istan kann die Spritzen überhaupt nicht leiden und wehrt sich fürchterlich. Als ich ihm die Medizin in den Muskel spritzen will zuckt er derart, dass sich jedes Mal die Nadel aus seinem Fleisch zieht. Ich benötige drei Stiche, um ihn die vom Tierarzt vorgeschriebene Dosis zu verpassen. Alle zwei Tage bekommen sie eine weitere Spritze. Insgesamt beinhaltet die Behandlung drei Spritzen. Wenn das Medikament anschlägt müssen wir also im günstigsten Fall noch vier Tage hier im Camp verbringen.
Bevor Collin und Stephen wieder gehen untersuchen wir den Sattel von Hardie. „Ich werde ihn um 15 Zentimeter kürzen,“ schlägt Stephen vor. Wir sind über den Vorschlag von Collin und Stephen froh den Sattel in der Werkstatt neu zu überarbeiten und laden ihn in den Jeep. Wenn die beiden uns in zwei Wochen noch mal besuchen bringen sie ihn wieder mit. Bis dahin müssen wir die Ladung auf sechs Kamelen verteilen. Um 15 Uhr verabschieden sich unsere beiden Helfer von uns. Schnell verschwindet der Jeep hinter den Büschen und wir sind wieder alleine. „Gut das wir nur 100 Kilometer in die Great Sandy vorgedrungen sind. Wären wir weiter, wäre diese Aktion unmöglich gewesen,“ meine ich nachdenklich. Tanja und ich sitzen dann am Campfeuer und bereiten unser Abendessen. Obwohl wir schon 2466 Kilometer durch das Outback zurückgelegt haben empfinde ich das erste Mal richtige Einsamkeit. Erst in 550 Kilometern werden wir wieder auf eine kleine menschliche Siedlung stoßen und dann sind es weit über tausend Kilometer bis zur nächsten. Es gibt Momente in diesem Camp die mich Zweifeln lassen. Die Höhen und Tiefen die wir hier durchleben gehen definitiv an unsere Grenzen und seit die Kamele so todkrank sind ist mir die Realität des Todes stark ins Bewusstsein gerückt. Für uns ist nun wichtig an unserer Moral und der Psyche zu arbeiten und auf eine baldige Besserung der Kamele zu hoffen.