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E-Bike-Expedition Teil 2 Mongolei - Online-Tagebuch 2015

Auf in die Gobi Wüste

N 47°21’23.9’’ E 107°29’59.6’’
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    Datum:
    27.08.2015

    Tag: 60

    Land:
    Mongolei

    Ort:
    Bagakhhangai

    Breitengrad N:
    47°21’23.9’’

    Längengrad E:
    107°29’59.6’’

    Tageskilometer:
    95

    Gesamtkilometer:
    8.658

    Luftlinie Luftlinie:
    77 km

    Durchschn. Geschw.
    21,6 km/h

    Maximale Geschwindigkeit
    60 km/h

    Fahrzeit Std
    4:22

    Bodenbeschaffenheit:
    Teils schlechter Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.700 m

    Gesamthöhenmeter
    3.417 m

    Höhenmeter für den Tag
    417 m

    Sonnenaufgang:
    07:00 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:43

    Temperatur Tag max:
    34

    Aufbruch:
    07:30

    Ankunftszeit:
    17:00

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Nach 2 ½ Wochen in Ulan Bator geht es endlich weiter. Wegen der Flut an Erledigungen, die wir in dieser Stadt zu bewältigen hatten, bin ich mit meinen Aufzeichnungen noch lange nicht fertig aber wir wollen keinen Tag länger bleiben. „Du kannst ja unterwegs schreiben wenn wir ein schönes Plätzchen finden“, meint Tanja. Um nicht von dem schrecklichen Berufsverkehr gefressen zu werden stehen wir bereits um 5:00 Uhr früh auf. Draußen ist es noch stockdunkel und sogar etwas frisch. Weil wir auf dem Dach von Ganas Guesthouse wohnen sind wir gezwungen unsere gesamte Ausrüstung zwei Stock tiefer zu tragen. Auch die Räder, die wir aus Angst vor Diebstahl neben unserer Jurte an ein paar Wasserohre fesselten, lassen wir langsam über die Treppe nach unten holpern. So kommt es, dass wir erst um 7:30 Uhr aufbruchbereit sind. „So ein Mist“, fluche ich an der roten Ampel stehend und auf die sich vor uns windende, schnaubende Verkehrsschlange deutend. „Das schaffen wir schon!“, ruft Tanja wie immer zuversichtlich. Im Turbomodus drücken wir uns zwischen die stinkenden Blechhaufen und strampeln mit einer Geschwindigkeit von ca. 27 km/h dahin. „Jetzt!“ brülle ich gegen das Husten der vielen Vehikel als eine weitere Ampel auf Grün schaltet damit wir gleichzeitig starten und so eine homogene Einheit bilden. Die meisten Autofahrer behandeln uns sehr gut. Begrüßen uns mit lauten Hupen oder winken uns aus ihren Fenstern aufmunternd und bewundernd zu. „Wir müssen zu den Bergen. Dort führt uns eine weniger befahrene Straße aus dem Moloch“, sage ich Tanja als wir erneut vor einer Ampel warten. „Und woher weißt du das?“, wundert sie sich. „Kahdbaatar hat mir die Route bei unserem letzten Treffen genau erklärt. Wir können uns gar nicht verirren. Müssen einfach nur der Bergflanke folgen. Immer dem Fluss Tuul entlang in Richtung Osten. Dann kommt eine Kreuzung. Von da geht es Richtung Süden“, erkläre ich als es auch schon weitergeht.

Als wir die Bergflanke erreichen befinden wir uns in einer Wohngegend. Hier fahren tatsächlich nur wenige Autos. Zu unserer Rechten sehen wir das von den Russen erbaute riesige Zaisan-Kriegerdenkmal. Es thront über der Stadt und erinnert an die Freundschaft zwischen Russland und der Mongolei, an die sowjetische Unterstützung für die Unabhängigkeit der Mongolei 1921, die Niederlage der japanischen Kwantung-Armee am Chalcha-Fluss an der mongolische Grenze 1939, den Sieg über Nazi-Deutschland und die russische Raumfahrt. „Schau mal dort ist doch der Platz an dem wir während unseres letzten Aufenthaltes in der Mongolei dem Schamenenfest beiwohnten“, sage ich und erinnere mich noch als sich am 14. Oktober jener Zeit etwa 100 Schamanen und Schamanin trafen, um ein riesiges Bornfeuer standen und alle zusammen den gesamten Tag lang ihre Trommel schlugen. Der Rhythmus ging mir derart unter die Haut, dass ich noch jetzt glaube die Schwingungen zu spüren. Roelofs Frau Anu, die selbst eine angehende Schamanin war, hatte uns erzählt, dass die Schamanen während diesem Ritual den Herbst verabschieden und den Winter begrüßen. In Gedanken versunken laufen wir auf dem Platz herum, dann lassen wir ohne viel Verkehr die Hauptstadt von Ulan Bator hinter uns. „Das ist ja fantastisch gelaufen. Du hast uns da super herausnavigiert!“, frohlockt Tanja.

Mittlerweile befinden wir uns wieder auf der stark befahrenen Ausfallstraße die eher einem Acker gleicht. Der Verkehr hat jetzt stark zugenommen. Lastwagen husten an uns vorbei und bedecken uns mit Staub und Schmutz. Als wir nach über 20 km die kleine Stadt Nalaikh links liegen lassen beruhigt sich schlagartig der Verkehr. „Ab hier geht es immer gerade aus Richtung China“, sage ich. Noch gibt es viele Berge. Der erste Akku ist schon nach 20 km leer. Das Stopp and Go im Stadtverkehr, der Gegenwind und das teils bergauf fahren haben ihn schnell ausgesaugt. Wir fragen uns wo wir wieder laden können? Auf der Karte ist der nächste Ort in 60 km angegeben. Ein Mongole spricht von 100 km. Mit über 30 °C im Schatten ist es sehr warm. Nach 40 km sind wir müde. Die lange Pause in U.B. fordert ihren Tribut. „Rooaarrr“, hämmert ab und an ein fetter Allradjeep an uns vorbei. Alle paar Kilometer kündigt entsetzlicher Verwesungsgestank eine tote Kuh oder ein totes Pferd an. Die Opfer der Raserei liegen mit aufgeplatzten Bäuchen, gebrochenen Beinen oder Genick am Straßenrand und glotzen uns mit leeren Augenhöhlen entgegen. An einem Friedhof halten wir und blicken auf einen Berghang an dem die Mongolen ihre Toten begraben. Am Schlauch unserer Trinkrucksäcke ziehend löschen wir unseren ständigen Durst. Dann lassen wir unsere Drehtrösser die Anhöhe herunter gleiten. Ab hier geht es immer leicht bergab. Zu unserer Rechten schnauft und ratter die Transmongolische Eisenban durch das immer flacher werdende Land. „Thhhüüüüüiiiiiiit! Thhhüüüüüiiiiiiit! Thhhüüüüüiiiiiiit!“, ertönt das laute Horn der Zugmaschine. Der Lokführer winkt uns zu. Wir strecken den Daumen nach oben. Auch er hält seine Hand mit dem Daumen nach oben aus dem Fenster und wir glauben auf seinem Gesicht ein Lächeln zu erkennen.

Wie eine Fata Morgana taucht nach über 60 km endlich ein kleines Straßenrestaurant auf wo wir unsere Akkus laden dürfen. Erleichtert lassen wir uns in dem kargen Raum nieder und essen ein mongolisches Nudelgericht. Zur Freude von Ajaci fingern wir das fette, ranzig schmeckende Fleisch heraus. Nach dem leckeren Veganesse in U.B. ist die Mahlzeit eine echte Herausforderung an meine Geschmacksknospen. Drei Stunden später sind unsere Akkus voll. Wir verabschieden uns von der Wirtin, heben unsere erschöpften Körper in den Sattel und lassen die Tretkurbeln erneut kreisen. Hätte man uns nicht immer wieder gewarnt würden wir spätestens jetzt unser Zelt aufschlagen. So jedoch versuchen wir eine Unterkunft zu erreichen in der wir auch unsere leeren Akkus über Nacht laden können.

Nach 95 Tageskilometer erreichen wir ein verlassen aussehendes Haus in dem man auch übernachten kann. Das Zimmer kostet 35.000 Tugrik. (15,58 €) Neben der Karaokebar im Erdgeschoss finden unsere Räder einen Platz. Als ich sie am Treppengeländer mit dem Stahlseil absichere knattert ein Moped heran. Beim Abstellen des rostigen Gefährts fällt der alte Mongole fast aus dem Sattel. „Oh weh, der Mann ist ja total betrunken. Hoffentlich kommt er nicht hier rein“, sagt Tanja als er auch schon zur Tür herein torkelt. „Sajn bajna uu“, (Guten Tag) begrüßt er uns lallend. „Sajn, sajn bajna uu“, (Danke, guten Tag) antworten wir. „Habt ihr eine Zigarette?“, fordert er. Leider nein wir sind Nichtraucher“, versuche ich freundlich zu erklären. Dann sieht er unsere Bikes und spricht irgendetwas Unverständliches. Nach wenigen Minuten beginnt die Situation schwierig zu werden. „Gefällt Euch die Mongolei?“, möchte er wissen. Tanja spricht mit Engelszungen auf ihn ein und versucht ihn nach draußen zu begleiten. Kaum ist er über den Treppenabsatz gestolpert dreht er sich wieder um die eigene Achse und steht erneut mit den gleichen Fragen vor uns. Es dauert eine Weile bis wir unsere Arbeit abermals aufnehmen können. „Hoffe die kommen nachts nicht hier rein und klauen uns die Räder?“, sagt Tanja. „Die kommen auf jeden Fall hier rein. Schau, die Tür dort führt zur Karaokebar. Bin mir sicher dass da jeden Abend die Post abgeht“, antworte ich als urplötzlich der aufgestellte Hundeanhänger umfällt und weil auf seinem Dachträger noch die schwere Tasche verladen ist kracht er mit voller Wucht auf die Deichsel. „Oh nein!“, rufe ich, springe zur Deichsel, um sie zu untersuchen. „Das sollte uns unter keinen Umständen passieren“, schimpfe ich das Aluminiumrohr auf Brüche oder Risse prüfend. „Hat es Schaden genommen?“, fragt Tanja nervös, weil sie weiß was ein Deichselbruch bedeutet. „Ja, schau dir das an. Sie ist völlig verbogen“, sage ich den Kopf schüttelnd. „Kann man das nicht geradebiegen?“ „Aluminium? Nein auf keinen Fall. Wenn man Aluminium biegt bricht es recht leicht“, erkläre ich. „Und jetzt? Was machen wir jetzt?“ „So weiterfahren. Wir können nur hoffen dass sich das Rohr nicht noch mehr verbiegt. Es muss bis China halten. Dort müssen wir uns eine neue Deichsel schicken lassen. Beim weiteren verstauen der Räder und Anhänger stelle ich fest dass die Schutzblechhalterung beim Einfedern des Hinterbaus am Gepäckträger schabt. Müde von dem anstrengenden Tag, wegen der Hitze schwitzend und schlecht gelaunt wegen dem Lapsus mit der Deichsel, sitze ich vor dem Rad und überlege wie ich das Problem lösen kann. Dann habe ich den simplen Einfall die Befestigungsschrauben um 180 Grad zu drehen. Eine halbe Stunde später ist auch dieser Schaden behoben.

Mit hängenden Schultern trage ich nun einige Ausrüstungsgegenstände in den ersten Stock. „Welches Zimmer wollen sie?“, fragt mich die junge Angestellte des Hauses, mir einige Alternativen zeigend. Da auf der Hofseite die Sonne durchs Fenster knallt und es im Zimmer recht heiß ist entscheide ich mich für die Straßenseite. „Sajn“, (Gut) sagt sie und geht. Wir schlichten alles in unser schmutziges Zimmer. „Dötschin mjanga Tugrik“, 40.000 Tugrik (17,81 €) fordert nun die junge Frau umgehend. „Dötschin mjanga Tugrik?“, frage ich verwundert weil sie erst vor wenigen Minuten 35.000 Tugrik verlangt hat. Nach einigem Hin und Her verstehen wir dass im Zimmer zur Straße drei Betten stehen und im anderen nur zwei. Obwohl wir die einzigen Gäste sind hält sie hartnäckig am Preis fest weswegen wir unsere Ausrüstung nun in die Schwitzbude gegenüber tragen. Frische Bettbezüge, Handtücher und Klopapier bleiben eine Wunschvorstellung. „Andere Kulturen andere Vorstellung von Hygiene“, sage ich. Wir packen unser eigenes Zeug aus und versuchen keinen Streit anzufangen. Als ich in das heruntergekommene Badezimmerchen gehe verschluckt sich urplötzlich der Wasserhahn und außer ein paar Tropfen zischt nur warme Luft aus dem angerosteten Ding. „Jetzt habe ich aber die Schnauze voll!“, schimpfe ich schlecht gelaunt und bin im Begriff nach unten zu stürmen. „Lass mich das machen“, sagt Tanja… „Und geht das Wasser?“, ruft sie zehn Minuten später aus dem Hinterhof, der eher mit einer Schutthalte zu vergleichen ist. „Was machst du denn dort unten?“, will ich wissen. „Die müssen das Wasser von irgendwoher in Kanistern anschleppen. Dann füllen sie es in das kleine blaue Fässchen dort in der Holzbaracke und pumpen es mit einem Benzinmotor nach oben“, erklärt sie. „Denke nicht dass es Absicht war. Denen ist einfach das Wasser ausgegangen.“ „Hm, okay“, antworte ich, drehe den Wasserhahn auf als die gelbliche Flüssigkeit auch schon unregelmäßig herausspuckt.

Nachdem ich meine Kurzaufzeichnungen in den Laptop getippt und die Bilder mit Unterschriften versehen habe gehen wir nach unten. Es gibt warmes Bier aus der Dose. Dazu bestelle ich das einzige Gericht. Suppe mit Nudeln und ranzigem Fleisch. Schon nach wenigen Löffeln stelle ich das Essen ein. „Was ist los?“, fragt Tanja, die voraussehender Weise auf das Abendessen verzichtet hat. „Total versalzen und das Fleisch ist voller Knorpel, Fett und schmeckt noch dazu als wäre es zu lange in der Sonne gelegen.

Plötzlich erzittern die dünnen Wände. Extrem laute, schräge Töne malträtieren das Haus. „Was ist denn das?“, fragt Tanja erschrocken. „Karaoke“, antworte ich grinsend obwohl ich am liebsten flüchten würde.

Auf dem Weg zu unserem Zimmer hilft gerade eine junge Mongolin einem der Sänger beim Übergeben. Er kotzt direkt vor die Tür des Etablissements. „Dem ist anscheinend von seinem eigenen Gesang schlecht geworden“, scherze ich an den beiden vorbeilaufend. Wieder in unserer überhitzten Bude liege ich auf der Isomatte und versuche zu schlafen. Keine Chance. Der Vollmond scheint durch die verdreckten Scheiben des Zimmers als wäre es Tag und das entsetzliche Geschrei und Gegröle der Karaokefetischisten lässt unaufhörlich die Wände erbeben. Nach dem Motto um so lauter desto besser steigert sich der Lärm mit fortgeschrittener Stunde. Die Lautsprecher scheint es fast zu zerreißen. Es schrillt und quietscht das mir die Ohren schmerzen. Ich blicke zu Tanja und Ajaci herüber die beide wie Käfer auf dem Rücken liegen und schlafen. Anscheinend hat ihnen die Anstrengung des Tages geholfen vor diesen Nerventerror in die Welt der Träume zu flüchten während ich da liege und mich beherrschen muss nicht zum Verbrecher zu werden…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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