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Mongolei/Bilgee Schwester-Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Achtes Resümee – Schock im Frühjahrscamp der Tuwanomaden

N 49°01'460'' E 104°02'800''
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    Tag: 439

    Sonnenaufgang:
    07:11

    Sonnenuntergang:
    18:32

    Gesamtkilometer:
    2525

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    15 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 10 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 12 °C

    Breitengrad:
    49°01’460“

    Längengrad:
    104°02’800“

    Maximale Höhe:
    1281 m über dem Meer

Kaum erreichten wir das atemberaubend schöne Hochtal, welches die Rentiernomaden als Frühjahrsdomizil gewählt hatten, ließ mich Bilgee alleine, um zu Tanja zu reiten.

Mein Lager befand sich am Rande der Tipisiedlung. Ich bekam für Tage keinen Besuch. Jeder war mit sich selbst und dem Einrichten seines Zeltes beschäftigt. Die immer hungrigen und diebischen Hunde der Nomaden zwangen mich dazu im Zelt zu bleiben, um auf die Nahrung und Ausrüstung zu achten. Als ich einmal für nur eine Stunde Tsayas und Ultsans Tipi aufsuchte büßte ich dafür mit dem Verlust unserer gesamten Fleischvorräte.

Nach einer knappen Woche erreichten Tanja, Bilgee, die Stute Naraa und das Fohlen Tuya unser Frühjahrscamp. Nie werde ich vergessen wie ich mich freute meine Frau unversehrt in die Arme schließen zu können. „Ich habe eine schlechte Nachricht für dich“, sagte Tanja nach einiger Zeit etwas geknickt. „Bilgee wird uns bald verlassen.“ Ich konnte nicht glauben was ich da hörte und war plötzlich zutiefst betrübt. Mittlerweile war Bilgee mein Freund und ich wollte nicht verstehen, dass er uns wegen einem besseren Jobangebot im Stich lassen würde. Selbst als wir ihm ein höheres Gehalt anboten blieb er bei seinem Entschluss. Wie sollte es ohne ihn weitergehen? Bilgee hatte sich in den Monaten unseres Zusammenseins unentbehrlich gemacht. Vor allem aber war nach Aussagen der Mongolen und der Tuwa eine Pferdeexpedition ohne einheimischen Begleiter äußerst gewagt. „Ihr werdet mit hundertprozentiger Sicherheit alle eure Pferde durch Diebe verlieren. Und wenn ihr Pech habt werdet ihr überfallen und umgebracht“, warnten sie uns. Was sollten wir tun? Unsere Reise schien an einem Scheidepunkt gelangt zu sein. Einige Tage später entschied sich Bilgee uns noch bis nach Tsagaan Nuur zu begleiten und so lange zu warten bis wir für ihn einen Ersatz finden würden. Das war zumindest ein Trost.

Wegen der Höhe von knapp 2.000 Meter zog der Frühling nur äußerst schleppend ins Land. Das Summen der ersten Fliege versetzte mich in Hochstimmung.

Bilgee lebte mit den Pferden 20 Kilometer vom Lager entfernt. „Das Gras ist dort besser“, sagte er. Alle paar Tage kam er angeritten, um sich mit Nahrung zu versorgen und uns beim Feuerholzholen und Sägen zu helfen.

Die Tage flogen dahin. Schon lange waren wir keine Fremden mehr sondern als Stammesmitglieder anerkannt. Wir suchten die Tipis auf, aßen unter schlimmsten hygienischen Verhältnissen Fleisch vom Elch und Gazelle und verstanden uns wegen den zunehmenden Sprachkenntnissen immer besser. Purvee, die Frau des Schamanen, erzählte uns offen von ihrem Leben, wie sie die Vergangenheit sah und was sie sich von der Zukunft versprach. Gerne empfing uns die 77jährige Puntsel in ihrem kleinen Tipi. Wir teilten mit der Stammesältesten eine Flasche ihres Lieblingsgetränks Wodka, lauschten ihren Liedern und ihren Erzählungen.

Das Wetter schlug Kapriolen. Einmal glaubte man der Winter sei endlich besiegt nur um urplötzlich von einem schlimmen Blizzard überrascht zu werden. Der Schneesturm deckte einige Tipis auf und fetzte so manche Zeltplane weg. Am kommenden Morgen war jeder damit beschäftigt die Schäden zu reparieren.

„Od ist weg!“, sagte Bilgee als er von seinem Außencamp angeritten kam. Tatsächlich traf uns der Pferdediebstahl wie ein Fausthieb. Er sollte die gesamte vor uns liegende Reise beeinflussen. Weil unsere Pferde noch immer schwach waren wurde uns bewusst das Frühjahrscamp zu Fuß verlassen zu müssen. Wir besaßen zuviel Ausrüstung und nun zu wenig Packpferde. Bilgee fühlte sich wegen dem Verlust von Od als Versager und fiel in eine Depression. Es kostete uns viel Mühe ihn da wieder herauszuholen, ihn davon zu überzeugen, dass es nicht seine Schuld war.

Noch immer nicht wissend wie es ohne unseren Mann weitergehen sollte bestiegen wir einen der nahen Berge. Dort oben hatten wir die Möglichkeit uns ins Handynetz einzuloggen und mit Saraa zu telefonieren. „Ich werde versuchen für euch einen neuen Pferdemann zu finden“, versprach sie.

Wir freuen uns über Kommentare!

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