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Mongolei/Tovuu-Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Abschied von Mogi – Wohnung

N 49°01'138'' E 104°00'125''
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    Tag: 418

    Sonnenaufgang:
    06:39

    Sonnenuntergang:
    19:19

    Luftlinie:
    4,5

    Tageskilometer:
    7

    Gesamtkilometer:
    2517

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    21 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    15 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 3 °C

    Breitengrad:
    49°01’138“

    Längengrad:
    104°00’125“

    Maximale Höhe:
    1312 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    21:15

    Ankunftszeit:
    22:00

Die Sonne blinzelt durch das winzige Fenster und wirft einen Strahl auf mein Gesicht. In den ersten Sekunden des Erwachens weiß ich nicht wo ich mich befinde. Alles wirkt fremdartig. Dann erkenne ich den Raum der sich über uns gestülpt hat. Meine Augen fallen auf den Buddhaaltar und Tanja die etwas über mir auf dem Bett schläft. „Bist du schon wach?“ „Ja.“ „Wie fühlst du dich?“ „Ganz gut. Und du?“ „Weiß nicht. Muss mich erst an ein Leben in Mauern gewöhnen. Fühlt sich seltsam an“, antworte ich. „Fühlt sich seltsam an. Ja, das ist richtig.“

Eine Stunde später sitzen wir bei Erdene Ochir und Urtnast am Tisch. Der Fernseher schleudert uns Bilder und laute Musik entgegen. Urtnast hat extra für uns Buuz zubereitet. „Schmeckt lecker“, lobe ich. Ist mit Gämse gefüllt. Erdene hat sie letzten Winter geschossen. Das Fleisch ist ohne Fett.“ „Woher weißt du dass ich kein Fett mag?“, frage ich sie. „Bilgee hat es uns verraten.“

Am Nachmittag erscheinen Tovuu und seine Frau Baatar. Sie laden uns ein die kommenden Nächte bei ihnen in der Wohnung verbringen zu dürfen. „Hast du eine Ahnung warum wir hier nicht noch ein paar Tage verweilen können? Das Haus ist doch groß?“, wundere ich mich. „Sie sagten wir können bleiben aber wir müssten über Nacht ins Zelt ziehen“, antwortet Tanja. „Ins Zelt?“ „Ja.“ „Seltsam aber darauf habe ich jetzt keine Lust. Vor allem nicht wenn wir es in diesem Hof aufbauen müssen.“ Bilgee, dessen halb zerfallene Hütte nur ein paar hundert Meter entfernt von hier steht, ist wieder gekommen um uns beim Umzug zu helfen. Wir bringen es fertig unsere gesamte Habe in Tovuus kleines Auto zu schlichten.

Weil Mogi nicht mit in die Wohnung darf muss er hier bleiben. Bilgee wird ihn später zu sich nehmen und in zwei Tagen werden er und Tanja nach Mörön fahren, um ihn bei Badamsuren abzugeben. „Die Zeit ist gekommen mein Freund“, sage ich Mogi die Brust kraulend. Mogi genießt die Liebkosung, wirft sich auf den Rücken und wedelt mit dem Schwanz. „Hast einen verdammt guten Job gemacht und uns die Diebe vom Hals gehalten. Was soll ich sagen? Ich werde dich vielleicht nie mehr wiedersehen mein Lieber. Du kannst mir glauben, ich fühle mich nicht wohl dich einfach abzuschieben. Aber wir haben ein gutes Heim für dich gefunden. Badamsuren mag dich. Das weißt du. Wir hätten dich gerne nach Deutschland mitgenommen. Leider sind die Würfel anders gefallen. Aber wer weiß? Vielleicht hätte es dir in meinem Land gar nicht gefallen? Bei uns gibt es keine Schafe die man jagen kann. Zumindest nicht so viele wie hier. Außerdem würdest du im Winter bei uns furchtbar schwitzen. Das wäre bestimmt schrecklich für dich. Bei Badamsuren kannst du dich zumindest mit anderen Hunden streiten, vor allem mit deinem neuen Kollegen Beck. Er ist Badamsurens erster Hund. Du wirst dich doch mit ihm vertragen? Mach mir bloß keinen Ärger. Hörst du? Ach mein lieber Mogi. Du warst anstrengend bist aber ein fantastischer Hund. Der Größte und Beste aller Zeiten. Hier bist du geboren und hier wirst du leben. Ist bestimmt besser für dich“, rede ich mit meinem Hund und spüre wie der Klos in meinem Hals immer höher steigt. „Machs gut mein Junge“, sage ich, tätschle zum letzten Mal die Innenseiten seiner Oberschenkel, die er mir bereitwillig entgegenstreckt, und erhebe mich. Meine Tränen unterdrückend steige ich zu Tovuu ins Auto. „Okay, wir können fahren“, sage ich und weiß nicht ob es ein Fehler ist Mogi in der Mongolei zu lassen.

Wohnung

10 Minuten später parkt Tovuu sein Auto vor einem der hässlichen Wohnblocks im Zentrum der Stadt. „Hier ist mein Zuhause“, sagt er stolz. Wir tragen die Ausrüstung durch das heruntergekommene Treppenhaus in den dritten Stock. Baatar öffnet die schwere Eisentür zu einer möblierten Einzimmerwohnung. Ein kleiner Pudel springt sie winselnd vor Freude an. „Ihr kennt doch Sissi noch vom letzten Jahr?“, fragt Tovuu. „Aber ja“, lachen wir und tätscheln die Hundedame die mit Bilgee, Baatar und Tovuu letztes Jahr im Bilgee-Camp lebte. „Kommt herein“, fordert uns Tovuu auf die Unterkunft zu betreten. Tanja und ich sehen uns etwas erschrocken an. Sollen wir in dieser kleinen Bude mit Tovuu, seiner Frau und Sissi zusammen leben? Wir betreten die etwa sieben Quadratmeter kleine Küche. „Hier ist der Hahn für Kalt- und Warmwasser“, erklärt Baatar. „Heißes Wasser aus der Leitung?“, frage ich verblüfft. „Aber ja. Und hier ist eine kleine elektrisch Herdplatte. Zwar nur für einen Topf aber sie funktioniert prima. Komm ich zeig dir wie man sie bedient. Unter der Spüle ist der Müll, dort der Kühlschrank mit Gefrierfach und das ist die Fernbedienung für den Fernseher. Falls du beim Kochen Fernsehen möchtest“, lacht Baatar Tanja an. „Wunderbar“, sagt Tanja. Ich sehe ihr an wie unsicher sie sich in der Gegenwart von Luxus fühlt den wir seit über 13 Monaten nicht mehr hatten. Tovuu zeigt mir sein Wohnzimmer, den Flachbettbildschirm, die dazugehörige Fernbedienung, den Lichtschalter und wie man die zweite Couch zu einem Schlafbett auszieht. „Fantastisch“, sage ich mich in meiner Haut gar nicht wohl fühlend. „Ihr könnt hier bleiben so lange ihr wollt. Baatar und ich werden so lange ausziehen“, glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen. „Ihr werdet was?“ „Wir ziehen in der Zeit zu Verwandten. Mach dir keinen Gedanken. Wir wollen kein Geld von euch. Bleibt hier und fühlt euch wohl.“ Als hätte mich der Blitz getroffen lasse ich mich erstmal auf einem Klappstuhl nieder. „Du meinst wir können hier wohnen und ihr zieht aus?“ „Aber ja. Asuudal bisch. (Kein Problem) Fühlt euch wohl und ruht euch von der anstrengenden und gefährlichen Reise aus. Hier ist der Wohnungsschlüssel. Wenn ihr geht sperrt bitte immer die Tür gut ab. Ansonsten habe ich euch alles gesagt worauf es ankommt.“

Nachdem die Beiden noch ein paar persönliche Sachen eingepackt haben lassen sie uns tatsächlich alleine. Noch immer fassungslos sitzen wir da und können nicht verstehen warum uns Baatar und Tovuu solch ein Geschenk machen. Nach ein paar Minuten haben wir uns von diesem positiven Schock ein wenig erholt. Ich schalte den Fernseher an und laufe in der kleinen Wohnung aufgeregt hin und her. „Das ist einfach nicht zu glauben. Tovuu war doch immer so geizig und jetzt das. Von ihm hätte ich solch ein großzügiges Angebot nicht in tausend Jahren erwartet. Kannst du dir einen Reim darauf machen?“, frage ich Tanja. „Weiß nicht. Ich sprach damals Bilgee darauf an wie schlecht Tovuu war. Vor allem als er und Tovuu mich bei einer Fahrt von Erdenet zum Camp im Auto sitzen ließen, um in einer Jurte saufen zu gehen. Damals bin ich aus dem Auto gestiegen und zu Fuß weitergelaufen. Die Beiden haben es bemerkt, stürmten sofort aus der Jurte und baten mich wieder ins Auto einzusteigen. Ich ließ mich lange bitten folgte dann aber ihrer freundlichen Aufforderung. Dieser Vorfall ist bestimmt nicht der Grund jetzt die Wohnung zu bekommen aber vielleicht hat er dazu beigetragen. Ich kann es nicht sagen. Vielleicht fühlt sich Bilgee schuldig weil er das Pferd verloren hat und wir ihm trotzdem sein Gehalt zahlten? Vielleicht bat er seine Schwester und Tovuu uns diesen Gefallen zu tun? Wie auch immer. Sie haben uns eingeladen in ihrem kleinen Reich wohnen zu dürfen. Das ist eine wunderbare Geste der Gastfreundschaft.“ „Das kann man laut sagen“, antworte ich, gehe ins Bad und lasse heißes Wasser in die Badewanne. „Was machst du da?“ „Na was wohl? Ich nehme nach über einem Jahr Wasserabstinenz ein Vollbad.“ „Eine gute Idee.“ „Ja, eine verdammt gute Idee.“

Als ich dann meinen geplagten Körper in das heiße Wasser gleiten lasse würde ich am liebsten laut aufschreien vor Lust. „Oh man ist das schön! Es gibt nichts Schöneres auf der Welt! Oh ist das angenehm! Ja, ja, ja,! Sollte ein Mensch mit seinem Leben unzufrieden sein dann lass ihn 13 Monate ungebadete durch die Wildnis laufen. Spätestens danach ist er geläutert und weiß den Luxus eines Vollbades zu schätzen. Es ist unglaublich!!!“, frohlocke ich vor mich hin und hoffe das die Nachbarn nicht meinen hier sei ein Verrückter zu Gange. Es dauert nicht lange und das Wasser färbt sich von hellbraun zu dunkelbraun. Dann wasche ich dreimal hintereinander die Haare. Als ich nach einer halben Stunde aus der Wanne steige und mich abtrockne rubbeln sich unzählige Hautfetzen vom Körper. Ich schlüpfe in die alten Latschen, die mir Tovuu hingestellt hat und wandle ins Wohnzimmer. Tanja hat indes ein paar Nudeln gekocht die sie mit einer leckeren Pastasoße serviert. Danach gibt es ein kühles Bier mit Chips, Wurst, Käse und Brot. Im Fernseher läuft ein Blockbuster in englischer Sprache. Wir genießen den Abend als wäre es unser letzter oder besser gesagt erster im Leben.

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