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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Abgezockt, Reparatur und Fahrt durch Reisfelder

N 22°18’04.5’’ E 103°53’41.3’’
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    Datum:
    08.07.2016 bis 11.07.2016

    Tag: 377 – 380

    Land:
    Vietnam

    Ort:
    Ta Van

    Breitengrad N:
    22°18’04.5’’

    Längengrad E:
    103°53’41.3’’

    Tageskilometer:
    25 km

    Gesamtkilometer:
    17.407 km

    Luftlinie:
    10 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    11.6 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    37.4 km/h

    Fahrzeit:
    01:49 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt / Schotter

    Maximale Höhe:
    1.600 m

    Gesamthöhenmeter:
    44.463 m

    Höhenmeter für den Tag:
    670 m

    Sonnenaufgang:
    05:27 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:52 Uhr

    Temperatur Tag max:
    34°C

    Temperatur Tag min:
    27°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Kim, der liebenswerte Kellner unseres Hotels, mit dem wir uns angefreundet haben, bringt mich auf seinem Moped zu einer kleinen, heruntergekommenen Werkstatt. „Können sie da zwei Löcher reinbohren?“, frage ich den Mechaniker. Der Mann sieht sich die Haltewinkel, die uns gestern per Kurier aus Deutschland erreicht haben, genau an und nickt zuversichtlich. Vor einigen Wochen ist in China der Haltewinkel, an dem Tanjas Anhänger mit dem Hinterbau ihres Rades befestigt ist, angerissen. Eine hilfsbereite und freundliche Werkstatt hat uns schnell und kostenfrei den Winkel geschweißt. Sicherheitshalber ließen wir uns deswegen zwei Ersatzwinkel aus Deutschland nach Sa Pa schicken, die aber etwas modifiziert werden müssen.

„Setzen sie sich“, sagt der Mechaniker auf einen alten Plastikstuhl deutend, der für Kleinkinder geeignet ist. Der Mann kramt in einer kaputten Holzschachtel nach ein paar Bohrern. „Passt die Größe?“, frage ich die stumpfen Dinger unter die Lupe nehmend. „Passen perfekt“, meint der Chefmechaniker in gebrochenem Englisch und setzt einen Bohrer in eine ebenfalls betagte Bohrmaschine ein. Kim sitzt mittlerweile, ebenfalls auf einen Kinderplastikstuhl neben mir und lacht mich zuversichtlich an. „Wenn er mir die Winkel verbohrt sind sie kaputt“, sage ich, während der Chefmechaniker nach dem ersten Fehlversuch den stumpfen Bohrer wieder aus der Maschine nimmt und mit einer Selbstschneideschraube den Anfang eines Loches in den Winkel quält. Weil dabei die Spitze der Selbstschneideschraube immer wieder abrutscht, eilt sein Mechanikerkollege herbei, um den Winkel mit einer Zange auf dem Fußboden zu arretieren. Mir ist klar hier in Südostasien zu sein und erwarte keinen europäischen Standard. Dafür habe ich während der letzten 25 Reisejahre schon zu viel erlebt. Jedoch geben die Beiden, bei der Lochbohraktion, ein derart erbärmliches Bild ab, dass ich ernsthafte Bedenken um meinen Haltewinkel bekomme. „Bleib locker Denis. Die bringen da bestimmt zwei anständige Löcher rein“, beruhige ich mich. Endlich hat die Selbstschneideschraube gegriffen und dringt in das Aluminium, bis sie nach wenigen Millimetern den Geist aufgibt. „Gut, dass wir Zeit haben“, sage ich zu Kim, der mich wie immer gutmütig anlächelt. Der Chefmechaniker setzt nun wieder den stumpfen Bohrer in die Maschine ein und versucht damit ein Loch in das Aluminium zu martern. Es raucht und qualmt, dann rutscht der Bohrer ab, seinem Helfer knapp am Fingernagel vorbei. Ein gefährlicher Job, diese Lochaktion. Der Chef wechselt den Bohrer mit einem anderen noch stumpferen Exemplar. Nachdem das nichts bringt, außer viel Rauch und einen fast glühenden Aluminiumwinkel, wird der Bohrer erneut getauscht. Nach 15 Minuten ist das erste, nach 25 Minuten das zweite Loch im Winkel. Das malträtierte Teil liegt dampfend auf dem schmutzigen Erdboden. Ich warte bis es abgekühlt ist und stecke zur Überprüfung die Schrauben durch. „Passt“, sage ich anerkennend. Weitere 25 Minuten später ist der zweite Winkel mit Löchern versehen. Freudig stecke ich die für mich wichtigen Ersatzteile in die Hosentasche. „Was kostet das?“, frage ich freundlich. 50.000 Dong (2,- €). „Was? 50.000 Dong für vier Löcher?“, frage ich überrascht. „No sir per hole“, (Nein Sir pro Loch) traue ich meinen Ohren nicht. „Was? Sie verlangen 200.000 Dong (8,16 €) für vier Löcher?“, frage ich entsetzt und ärgere mich nicht gleich zu Beginn den Preis geklärt zu haben. „Ja, das war viel Arbeit. Wir haben lange gebraucht.“ „Klar habt ihr mit dem kaputten Werkzeug lange gebraucht. Wahrscheinlich hätte man die Löcher eher mit der Hand ein streicheln können als mit deinem stumpfen Bohrer. Ich zahle dir 100.000 Dong und damit verdient ihr noch immer mehr als die meisten Menschen der Industriestaaten in Europa“, sage ich, obwohl ich weiß, dass seine Englischkenntnisse nicht ausreichen, um mich zu verstehen. „200.000 Dong!“, fordert der Wucherer mit freundlichem Lächeln. Da ich vor meinem Freund Kim keinen Streit beginnen möchte, ich durch diese unverschämte Forderung etwas unter Schock stehe und zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß was ein Vietnamese im Durchschnitt verdient, packe ich zähneknirschend die 200.000 Dong aus und reiche sie dem Mann. Erst später erfahre ich das Ausmaß dieser Abzocke. Das Durchschnittsgehalt eines Vietnamesen ist zurzeit etwa 1.147 € im Jahr. Das sind 96 € im Monat. Da fast alle Vietnamesen 7 Tage in der Woche arbeiten müssen, sind das 3,19 € am Tag und weil 12 bis 15 Stunden am Tag keine Seltenheit sind, ca. 21 bis 26 Cent in der Stunde. Auch wenn der Mann anstatt fünf Minuten eine knappe Stunde benötigte um vier Löcher zu bohren, hat er von mir das Gehalt von 2 ½ Tagen erhalten. Umgerechnet das 30fache was ein Einheimischer hätte bezahlen müssen. Klar kann man an dieser Stelle sagen, dass man sich darüber nicht aufregen soll, weil es letztendlich kein großer Betrag ist. Jedoch braucht man im Normalfall nicht länger als 5 Minuten, um 4 Löcher zu bohren. Umgerechnet wären das knapp 100,- € Stundenlohn. Also auch bei uns in Deutschland der reine Wucher.

Als Kim und ich die Werkstatt verlassen, schüttelt er den Kopf und entschuldigt sich bei mir. „Du kannst nichts dafür“, sage ich. „Wir hätten vorher fragen sollen. Es war meine Schuld“, entgegnet er etwas geknickt. „Nein, es war nicht deine Schuld. Weil wir lange in China lebten, und in den Regionen in denen wir unterwegs waren so etwas nicht erlebt hatten, war ich nicht auf das Handeln in Asien vorbereitet. Mach dir keine Gedanken. Das war mir eine Lehre. Ich werde ab jetzt immer und überall vorher die Preise abklären.“

Da ich in unseren Hundeanhänger eine neue, stärkere und professionellere Deichselaufnahme einbauen muss, die wir ebenfalls aus Deutschland erhalten haben, bin ich nun verunsichert wie das geschehen soll. Von einer Werkstatt, von denen es sicherlich auch viele freundliche und ehrliche gibt, möchte ich erstmal Abstand nehmen. Am liebsten würde ich die Reparatur selber vornehmen, dessen ungeachtet benötige ich dafür eine Bohrmaschine, um die nötigen Löcher setzen zu können.

„Denis, Ich habe eine Bohrmaschine gefunden!“, ruft Tanja freudig, als sie nach dem Gassigehen mit Ajaci ins Zimmer eilt. „Wie, du hast eine Bohrmaschine gefunden?“, frage ich ungläubig. Ich lief an einem Massagesalon vorbei in dem ein Mann mit einer Bohrmaschine gerade Lampen anbrachte. „Wir bräuchten dringend eine Bohrmaschine“, habe ich ihm gesagt und erklärt für was. „Dann bringen sie doch ihren Anhänger vorbei. Ich werde ihnen gerne helfen“, hat er geantwortet.“ „Hm, das ist sehr nett von ihm. Was möchte er dafür haben?“, frage ich. „Glaube er will nichts. Aber es ist besser wir gehen da mal gemeinsam hin. Dann kannst Du ja mit ihm persönlich sprechen.“ 15 Minuten später unterhalte ich mich mit Thang, dem Touristenführer und Inhaber des Massagesalons. „Nimm die Bohrmaschine mit und bring sie mir morgen wieder“, sagt er. „Oh fantastisch. Das wird uns sehr helfen. Was bekommst du dafür?“ „Für die Bohrmaschine? Nichts. Ich leihe sie dir gerne.“ „Wie unterschiedlich doch die Menschen sind“, sage ich zu Tanja und freue mich das Thang den rip-off seines Landsmannes mehr als ausgleicht. Stunden später habe ich die neue, massive Deichselhalterung eingebaut, die sicherlich nie mehr brechen wird.

Am nächsten Tag erneuere ich zum zweiten Mal auf dieser Tour das Antriebsritzel, Schaltritzel und die Kette. Eine fällige Servicearbeit die alle 3.500 km bis 4.000 km anfällt. Bevor wir weiterfahren sollten wir eine Testfahrt unternehmen“, überlege ich. „Auf jeden Fall“, meint Tanja, weswegen wir mit Ajaci und minimalem Gepäck aufbrechen, um die nahe Umgebung von Sa Pa mit seinen manchmal magisch wirkenden leuchtend grünen Reisterassen zu inspizieren.

„Du hast aber ein tolles Fahrrad“, sagt ein junger Mann als er mit seinem Moped an Tanja vorbeifährt. Durch seine offene freundliche Art angezogen, kommen wir schnell ins Gespräch. „Ich war selbst ein Jahr mit meinem Rad in Vietnam unterwegs und bin hier gestrandet, um Geld für die Weitereise zu verdienen“, erzählt der Vietnamese namens John. „Als Radfahrer ist man doch immer hungrig. Ich würde euch sehr gerne zum Essen einladen. Was meint ihr? Wollt ihr mit zu dem Gästehaus kommen in dem ich arbeite?“ Tanja und ich sehen uns kurz an. „Warum nicht“, überlege ich, worauf wir John folgen. In dem Gästehaus, was in Vietnam auch als Homestay (Wohnen bei einer Privatfamilie) bezeichnet wird angekommen, werden wir von ein paar Travellern aus Italien, Spanien, Vietnam und Kanada begrüßt. Jeder von ihnen hegt den Traum vom zeitlosen Reisen auf Mutter Erde. Als sie erfahren, dass wir schon seit 1991 unterwegs sind, werden wir wie so oft mit Fragen überschüttet. Ganz unerwartet, wie es auf Reisen keine Seltenheit ist, befinden wir uns in einer äußerst angenehmen Atmosphäre und erzählen vom Leben on the road…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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