Überlegungen
N 49°30'504'' E 100°46'286''Tag: 63
Sonnenaufgang:
07:07
Sonnenuntergang:
19:10
Luftlinie:
14,62
Tageskilometer:
21
Gesamtkilometer:
720
Bodenbeschaffenheit:
Schotter, Steine
Temperatur – Tag (Maximum):
20°C
Temperatur – Tag (Minimum):
12°C
Temperatur – Nacht:
minus 4°
Breitengrad:
49°30’504“
Längengrad:
100°46’286“
Maximale Höhe:
1422 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
10:08
Ankunftszeit:
15:42
Um 10:00 Uhr befindet sich unsere Expedition schon auf dem Weg. „Das ist mit Abstand die beste Aufbruchszeit“, freue ich mich und lobe unsere Männer für ihre Geschwindigkeit. Machbar ist so etwas natürlich nur wenn wir vor dem Aufbruch keine Koch- und Backorgien veranstalten wie in so manchen anderen Camps dieser Reise.
Kalter starker Wind bläst uns heute entgegen. Von gestern auf heute sind die Temperaturen wieder um 25 Grad auf durchschnittlich 15 Grad, gefühlte null Grad, gefallen. Wegen dem groben Schotterweg kommen wir nur langsam voran. Für unsere Pferde, vor allem für die Wagenpferde ist der Weg beschwerlich. Müde und ausgefroren erreichen wir das Nest Toson Tsengel. Obwohl die Geschäfte am Montag geschlossen sind finden wir einen kleinen Laden in dem wir ein paar Tafeln Schokolade und zwei Zwiebeln ergattern. Der Besitzer des einzigen Kompressors in dem Örtchen öffnet für uns seinen Holzschuppen. Wir lassen die halbplatten Reifen unseres Pferdewagens aufpumpen und bezahlen 400 Tugrik (22 Eurocent)dafür. Dann versuchen wir Saraa über unser Handy zu erreichen um unsere baldige Ankunft in Mörön zu signalisieren. „Was ihr seid schon in Toson Tsengel? Das ist ja wunderbar. Dann sehen wir uns in ein paar Tagen. Ruft mich wieder an wenn ihr wisst wann ihr Mörön erreicht. Vielleicht könnt ihr bei uns die weitere Expeditionsetappe vorbereiten. Ich werde mit meinen Mann sprechen ob er einverstanden ist“, vernehmen wir erfreut da genau dieser Punkt für uns ein großes Fragezeichen bedeutet. Tanja beendet lachend die Verbindung. Wir reichen Bilgee und Ulzii ein paar Rippen Schokolade, schwingen uns in die Sättel und lassen die staubigen, verloren wirkenden Holzhütten der Ansiedlung hinter uns.
„Wäre fantastisch wenn wir bei Saraa alles Weitere organisieren können“, meint Tanja neben mir reitend. „Damit hätten wir ein großes logistisches Problem gelöst. Nur muss erst noch ihr Mann zusagen“. „Das wird er bestimmt.“ „Aber Mörön hat so weit ich weiß über 35.000 Einwohner. Ist nach Ulan Bator eine der größten Städte in der Mongolei. Wie sollen wir in der Stadt unsere Pferde versorgen?“, überlege ich. „Keine Ahnung. Das wird sich schon irgendwie geben“. „Lassen wir uns überraschen“, antworte ich von Tanjas Zuversicht angesteckt. Auf dem weiteren Ritt diskutieren wir das Für und Wider unseren Ritt in Mörön eventuell fürs erste zu unterbrechen. Die Temperaturschwankungen sind zurzeit derart extrem das vor allem Tanja mit jedem Tag mehr größeren Respekt vor der Kälte bekommt. Vielleicht ist ihr Vorschlag gar nicht so schlecht in Mörön unseren Pferdewagen bei Saraa unterzustellen und unser gesamtes Hab und Gut inklusive der Jurte mit einem großen Allradfahrzeug über die Pässe zu den Zataans transportieren zu lassen? „Vielleicht sollte wir dann im kommenden Jahr nur mit den Pferden um den Khuvsgul See reiten?“, überlege ich laut, da wir erfahren haben, dass die nördliche Region des Sees wegen der undurchdringlichen Wildnis nahezu unpassierbar ist. Das würde zum jetzigen Stand bedeuten das wir bei den Rentiernomaden überwintern und dann von dort zu dem legendären schönen See zu reiten, um ihn soweit wie möglich zu umrunden. Danach würden wir nach Mörön zurück reiten um dort mit unseren Pferdewagen über eine andere Route nach Erdenet zugelangen. Nur stellt sich hier die Frage wie unsere Pferde zu den Zataans kommen sollen? Die einzige Möglichkeit wäre mit den Pferden hin zu reiten. Aber genau das möchte Tanja wegen der Kälte vermeiden. Irgendwie komme ich an diesem Punkt mit meinem Gedankenspiel nicht weiter und weil diese Überlegungen Erwägungen sind die im Augenblick nichts mit unserer Realität zu tun haben, lege ich meine geistige Arbeit in eine Schublade, um sie zum passenden Zeitpunkt wieder herauszuholen.
Um kurz vor 16:00 Uhr beenden wir den heutigen Tag im Windschatten eines lang gezogenen Hügels. Bilgee sucht mit seinem Fernglas nach einer Wasserstelle und glaubt ca. einen Kilometer den Berg hinauf etwas entdeckt zu haben. „Zumindest sind dort drei Jurten. Also muss es irgendwo Wasser geben“, sage ich Ulzii hinterher blicken der sich aufmacht um Bilgees Vermutung auszukundschaften.
Auf der Spitze des lang gezogenen Hügels entdeckt Bilgee zwei alte Pferdepfähle die Hirten dort zurückgelassen haben. Er gräbt sie aus und bringt sie ins Camp. Sofort beginnt er mit der Handsäge etwa 30 Zentimeter lange Stücke von einem der Pfähle zu sägen. Dann zerkleinert er mit der Axt die kurzen Holzstämme. Somit haben wir wie jeden Tag wunderbares Feuerholz. Kaum ist unser Lager errichtet bekommen wir von zwei Jugendlichen besuch. „Ist schon eigenartig. Da sind wir mitten in der mongolischen Wildnis und glauben uns einsam und alleine und trotzdem werden wir fast immer von irgendwelchen Hirten, die auf irgendeinem Berg sitzen und ihre Herden bewachen, aufgesucht“, sage ich zu Tanja. „Denke wir werden bald immer beobachtet. Die Hirten haben hier ja nichts anderes zu tun als den lieben langen Tag ihre Herden zu bewachen. Wenn sie dann so einen Pferdewagen erspähen ist das eine große Abwechslung in ihrem Tagesgeschehen“, antwortet sie. „Klar“, gebe ihr Recht und möchte die zwei Besucher fotografieren. Sobald ich aber meine Kamera zücke reißt der eine von ihnen erschrocken aus und versteckt sich hinter Bilgee. „Ist nur ein Fotoapparat. Kannst dich ruhig ablichten lassen. Tut nicht weh und wenn du Glück hast werden dich deine Eltern und Freunde in einer Zeitung bewundern können“, beruhigt ihn Bilgee. Der etwa 15 Jahre alte Junge lacht plötzlich auf und als ich ein Bild schieße kann er gar nicht genug bekommen und möchte immer wieder und immer wieder fotografiert werden. Tanja reicht den beiden ein paar Schokokekse während Ulzii ihnen Zigaretten anbietet. Sie nehmen gerne beides, stecken sich erst die Süßigkeit in den Mund und dann die Zigarette.
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