Unverhoffte Überraschung
N 55°56'27.7'' E 098°00'10.3''Tag: 26-27
Sonnenaufgang:
05:56 Uhr
Sonnenuntergang:
23:10 Uhr
Luftlinie:
49.42 Km
Tageskilometer:
55.84 Km
Gesamtkilometer:
11275.06 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Temperatur – Tag (Maximum):
30 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
25 °C
Temperatur – Nacht:
17 °C
Breitengrad:
55°56’27.7“
Längengrad:
098°00’10.3“
Maximale Höhe:
441 m über dem Meer
Maximale Tiefe:
280 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
09.30 Uhr
Ankunftszeit:
18.00 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
14,33 Km/h
Um kurz vor sechs Uhr am Morgen wirft die Sonne ihre ersten Strahlen auf unseren Palast. Es dauert nicht lange und wir fühlen uns wie in den Tropen. Ich blicke zur Seite und betrachte Tanja. Ihr Gesicht ist durch die Anstrengung geradezu erschreckend aufgequollen und von den Bremsen und Stechmücken stark zerstochen. Hätte ich genügend Energie würde ich sie in den Arm nehmen. Jedoch nimmt mich mein eigener Körper schwer in Anspruch. Trotz Magnesium bekomme ich bei bald jeder Bewegung Krämpfe im linken Oberschenkel. Ich fahre mit meinen Händen über mein verschwitztes Gesicht und versuche die Kraft zu finden in die Horizontale zu kommen. “Unglaublich wie uns der gestrige Tag zugesetzt hat”, geht es mir durch den Kopf. Konzentriert lausche ich dem Surren hinter der Zeltbahn. “Kommt endlich raus. Kommt raus wir wollen euch saugen. Wir haben Zeit. Wir warten. Aber wenn ihr kommt gehört ihr uns. Hi, hi, hi, hiiieee!”, glaube ich die Stechmücken lachen zu hören und ärgere mich über die gemeinen Mistviecher. Vögel müssen hier geradezu im Fressparadies leben. Zumindest im Sommer ist die Taiga für jeden Insektenfresser der Garten Eden. “Schade, dass ich kein Insektenesser bin. Ich würde mich für die gemeinen hinterlistigen Stechereien revanchieren und so viele von ihnen wie nur geht in mich hineinstopfen”, denke ich und erhebe mich stöhnend, heftig an den Füßen kratzend. Nun endlich sitzend berühre ich vorsichtig Tanja. “Aufstehen. Wir müssen hier raus. Die Sonne scheint und es wird mit jeder weiteren Minute unerträglicher hier drinnen”, flüstere ich. “Ich will da nicht raus”, höre ich es bald unverständlich neben mir. Dann ziehe ich mir meine verschwitzten Radhosen und mein nach Schweiß riechendes Radshirt an. Nicht zu glauben wie ein Mensch nach acht Stunden im Sattel riecht. Auch Tanja macht sich nun wie in Trance für den heutigen Tag fertig. Unsere Laune könnte definitiv besser sein. “Na dich haben sie auch ganz schön erwischt”, sagt sie auf meinen Hals und Stirn deutend. Ich befühle die besagten stellen und erschrecke vor den erbsengroßen Erhebungen. Kaum habe ich sie berührt beginnen sie heftig zu jucken.
Ohne weitere Worte zu verlieren verrichten wir unsere Aufgaben. Tanja krabbelt wie in Zeitlupe nach draußen, während ich die Luft aus den Isomatten lasse und sie zusammenrolle. “Und wie ist es im Reich der Insekten?”, frage ich. “Sie sind da und warten auf dich”, höre ich und finde ihre Aussage recht unspaßig. Draußen sprühe ich erstmal einen kräftigen Abwehrnebel von dem Insektenzeugs über die Kleider. Dann räumen wir die Ortliebtaschen aus dem Innenzelt und legen sie neben die Räder. Ohne Zweifel würde hier ein Mensch mit schwachen Nerven durchdrehen, denn trotz der kräftigen Sonnenstrahlen schwirrt es um uns herum was das Zeug hält. “Denke das liegt an dem hohen, feuchten Gras um uns herum”, äußere ich mich. “Möchtest du Frühstücken?”, frage ich Tanja mitfühlend. “Klar, ich fange jetzt hier in dieser Hölle das Teekochen an”, antwortet sie bärbeißig. “Na jetzt werde doch nicht gleich sarkastisch”, wehre ich mich, nicht zugebend das Frühstücken unter solchen Umständen eine Schnapsidee ist. Schnell ziehen wir uns trotz 28 Grad im Schatten an als käme der Winter. So zumindest können die Blutsauger nicht ihren verdammten Rüssel durch die Kleidung stecken. Dann stülpen wir uns ein feinmaschiges Moskitonetz über den Helm, sprühen unsere Schuhe und Füße nochmals gegen die Zecken ein und schieben unsere Intercontinental durch das hohe Gras zu der grausamen Straße.
“Zeckencheck!”, fordere ich uns auf, vor der Fahrt über die staubige Piste, die Beine nach den gefährlichsten Bewohnern der Taiga zu untersuchen. Erst dann holpern wir über die Kieselsteine den Berg hinauf. Nur Minuten später bepudern uns die vorbeiratternden Autos und Lastwägen mit Staub. “So ähnlich muss es im Mittelalter gewesen sein”, sage ich. “Wie meinst du das?” “Na wenn man geteert und gefedert wurde. Hier ist der Teer der Schweiß, das Insektenmittel und die Sonnenkreme und die Federn sind die Millionen von Staub- und Sandkörner die uns um die Ohren fliegen”, erläutere ich, um ein wenig witzig zu sein. Tanja antwortet nicht. “Hm, ist ja auch nicht witzig”, geht es mir durch den Kopf. “Sieh mal, da vorne beginnt Asphalt”, rufe ich freudig. “Ja, wunderbar. Darauf zu radeln ist trotz der Berge wie Urlaub”, antwortet Tanja beschwingt.
Georgio
Wir haben unsere Böcke gerade gegen eine verrostete Leitplanke gelegt, um unsere Windstopperjacken und langen Hosen auszuziehen, als ein einsamer Motorradfahrer anbraust und seine Maschine neben uns zum Halten bringt. “Wo kommt ihr denn her?”, fragt der Mann in gebrochenem Englisch. “Aus Deutschland.” “Mit den Fahrrädern?” “Ja. Und wo ist deine Heimat?”, wollen wir wissen. “Mein Name ist Georgio. Ich komme aus Barcelona”, antwortet er den Helm abnehmend. “Dann hast du eine weite Reise hinter dir?” “Oh ja. Ich bin seit bald zwei Monate unterwegs. Habe von Spanien aus Frankreich, Italien, Kroatien, Serbien, Rumänien, die Ukraine, Russland, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan und ein Stück der Mongolei durchquert”, zählt er seine bereisten Länder auf. “Und das alles allein?”, wundere ich mich. “Ist kein Problem. Die Menschen im Osten sind sehr freundlich. Nur bei der Ausreise aus Kirgisistan wollte man Geld und ein Taschenmesser von mir. Ansonsten lief alles glatt”, erzählt der sympathische Mann, während gleich mehrere Stechmücken seine Stirn nutzen, um sich an seinem Blut zu laben. “Du hast da ein paar sibirische Sauger”, warnt Tanja Georgio der offensichtlich nicht spürt gerade angezapft zu werden. “Ach die verflixten Moskitos”, lacht er und streift sich über die bereits blutig gestochene Halbglatze. “Wie sieht die Straße dort vorne aus? Wann kommt der schreckliche Schotter wieder?”, möchte ich wissen. “Also die nächsten 50 Kilometer bleibt ihr davon verschont. Alles Asphalt. Aber dann sind es noch ungefähr 250 bis 300 Kilometer. Auf der Strecke wechseln sich Schotter und Erdpech ständig ab. Die schlechten Straßen hören erst hinter der Stadt Tulun auf. Ab dort ist es bis zur Mongolei durchgehend gut”, berichtet er. “Gibt es viele Berge? Wir haben gehört das die Berge um Irkutsk sehr hoch sein sollen?”, interessiert es mich brennend da wir endlich jemand getroffen haben der gerade aus dieser Richtung kommt und offensichtlich verlässliche Aussagen macht. “Ich fahre selber viel Rad in Spanien. Das schafft ihr”, macht er uns Mut, worauf unsere Zuversicht wieder steigt. Dann berichtet der Spanier noch von den netten Menschen in der Mongolei. “Die Mongolen sind ganz anders als die Russen. Sie lachen mehr. Das merkt ihr sobald ihr die Grenze überschritten habt. Die Straße von Russland bis nach Ulan Bator ist übrigens perfekt. Besser als die meisten russischen Verkehrsadern. Kein Wunder, ist ja auch die einzige Straße die die Mongolen besitzen”, lacht Georgio. Wir schütteln uns die Hände zum Abschied und wünschen uns, wie so unter Reisenden üblich, eine sichere und angenehme Weitereise.
Bes Mikrowolnowaja (Ohne Mikrowelle)
Nach schon sieben Kilometern erreichen wir ein Straßencafe. In großer Vorfreude, in stechmückensicheren Raum unseren großen Radlerhunger stillen zu dürfen, lehnen wir unsere Räder unter das Fenster der Hütte. Tatsächlich hat die Truckerkneipe geöffnet. Warmer Küchendampf und ein plärrender Fernseher empfangen uns. Eine große Uhr tickt an der Wand. Sie geht um eine Stunde vor und weist uns darauf hin auf unserer Reise eine weitere Zeitzone überschritten zu haben. Jetzt sind wir sieben Stunden weiter als in Deutschland. “Dobre utra (Guten Morgen) begrüßen wir die junge Köchin hinter ihrem Dresen. “Blinis jeßt? (Gibt es Blins?) “Jest”, (“Gibt es”) antwortet sie. “Podogrewat bes Mikrowolnowaja paschalusta. Paschalust podogrewat c Plita.” (“Aufwärmen bitte ohne Mikrowelle. Bitte mit Herd aufwärmen.”), bitten wir die Sibirierin darum unser Essen von der schrecklichen Mikrowelle fern zu halten. Obwohl sie, bei dieser Bitte wie gewohnt, uns mit unverständlichen großen Augen ansieht, versteht sie. Meist fügen wir noch hinzu, auf diese Mikrowellen allergisch zu reagieren. Das wirkt immer.
Als Erklärung muss ich an dieser Stelle sagen, dass es in Russland üblich ist bald überall und an jedem Ort, vor allem in Truckerkneipen, einfach alles mit der Mirkowelle zu erwärmen. Auch hier gilt das Sprichwort “Zeit ist Geld” und immer weniger Menschen nehmen sich genügend Muse, um ihre Körper richtig zu speisen und mit sauberer Energie zu versorgen. Die Folgen von Nahrung, die mit Mikrowellen erhitzt werden, sind nach dem was wir bisher über den ungesunden Essenserhitzer herausfinden konnten auf Dauer fatal. Tanja und ich trauern den Jahren nach in denen die Nahrung grundsätzlich noch auf dem Feuer oder Ofen gewärmt wurde. Aber die Zeit hat sich geändert. In beinahe allen Ländern die wir während unserer Trans-Ost-Expedition durchquert haben, werden damit Speisen und Flüssigkeiten erhitzt. Schon oft berichteten wir darüber. Hier ein Auszug aus unserem aktuellen Buch “Land des Windes” (Erscheinungstermin voraussichtlich Dezember 2009)
Gefährliche Mikrowellen!
Eigenartig ist für uns warum die Gefahr einer mit Mikrowellen erhitzten Nahrung in nahezu allen Ländern dieser Erde noch immer nicht bekannt ist. Es gleicht einem Alptraum das der preislich günstige Mirkowellenofen die gesamte Welt erobert hat und nun auch Einzug in die armen Länder findet.
Mikrowellen sind nichts anderes als kurze, hochfrequente Radiowellen die beispielsweise bei Rundfunk und Fernsehen, in der Radartechnik, bei der Meteorologie, Nachrichtenübertragung über Satelliten, beim so genannten Richtfunk, in der Materialuntersuchung und zum Erwärmen von Lebensmitteln Verwendung finden.
Mikrowellenherde regen die Wassermoleküle in Nahrungsmitteln zum Schwingen an, wodurch Wärme entsteht. Nach unserer Information zerplatzen ( Zerstörung ) bei der Erwärmung durch Mikrowellen nicht nur die Moleküle, sondern auch die lebenswichtigen Enzyme die in der Nahrung stecken. Zum Beispiel das Enzym Pesin und Trypsin spielen eine wesentliche Rolle bei der Verdauung von Fleisch. Sie katalysieren viele verschiedene Reaktionen. Andere Enzyme wiederum setzen Energie frei, die das Herz schlagen lässt und auch den anderen Muskeln die Kontraktion ermöglicht. Viele Enzyme setzen Zucker und andere Nährstoffe zu den Verbindungen um, die der Organismus braucht, um Gewebe aufzubauen, verbrauchte Blutzellen zu ersetzen und zahlreiche weitere Tätigkeiten auszuführen.
Isst ein Mensch auf Dauer Nahrung die von Mikrowellen regelrecht getötet wurde kann das nur fatale Folgen mit sich bringen. Der menschliche Körper wird unter Mangelerscheinungen leiden da Enzyme für unser System überlebensnotwendig sind.
Mikrowellen sind unter anderem für Lebewesen gefährlich, vor allem wenn es sich um starke Strahlungen handelt. Sie können u.a. Verbrennungen und Schäden am Nervensystem verursachen. Die möglichen Gefahren einer Langzeitbestrahlung mit schwachen Mikrowellen sind noch nicht genau bekannt. Dennoch geben die Gesetzgeber in vielen Ländern Grenzwerte für die Bestrahlung durch Mikrowellen vor. Und ehrlich, wer will schon wissen wie viel Strahlung, die aus dem Herd aus dringt, für uns gefährlich ist oder nicht?
Freunde von uns, die sich professionell mit Ernährung beschäftigen, betreten nicht mal eine Wohnung in der ein Mikrowellenofen in der Steckdose steckt. Klar kann man alles übertreiben, jedoch müssen wir ständig beobachten wie unwissende Mütter Milch und andere Babynahrung für ihre Liebsten in der Mikrowelle erhitzen. Wüssten sie von der potentiellen Gefahr, würden sie es mit Sicherheit unterlassen. Oder geht hier Bequemlichkeit vor? Unmöglich. Niemals würde eine Mutter ihr Kind wissentlichen Schaden zufügen.
Um 18:00 Uhr, nach 56 Tageskilometern und 8 ½ Stunden erreichen wir die Kleinstadt Tayshet. Gegenüber des Bahnhofes der Transsibirischen Eisenbahn finden wir die einzige im Ort vorhandene Gastiniza. In einer Kammer dürfen wir die Räder und Anhänger abstellen. Müde tragen wir unsere gesamte Ausrüstung in den zweiten Stock, in ein einfaches Zimmer. Wir freuen uns auf die heiße Dusche, um uns den Staub, das Moskitomittel, Sonnenkreme und Schweiß von unseren malträtierten Körpern zu waschen. Tanja bereitet uns Salat und Brot fürs Abendessen. Es war ein harter aber schöner Tag. Vor allem ein Tag ohne Kieselsteine, Schotter und dem verheerenden Staub.