Zimmer, nicht exklusiv
N 44°26'20.6'' E 026°51'42.6''Nachdem wir unser Zelt verstaut haben machen wir uns über Octavias kulinarische Ergüsse her. Ich lasse mir die frittierten Händel schmecken während Tanja sich den Kuchen einverleibt. Kaum sind wir fertig, tauchen unsere Gastgeber wieder auf. Sie stellen Kaffee und Brot auf den Tisch. Wir trinken das heiße, gut schmeckende und aufmunternde Gebräu. Dann drängen wir aber darauf aufbrechen zu müssen. Wir wollen heute auf jeden Fall die Kleinstadt Lehliu-Gara erreichen. Es fällt uns nicht leicht nach den vergangenen schönen Tagen Abschied zu nehmen. Wir drücken uns gegenseitig. Dans Augen werden feucht. Ist schon fantastisch das man nach kurzer Zeit so eine Herzensverbindung zu wildfremden Menschen aufbauen kann. Manchmal kommt es mir so vor als würde ich den einen oder anderen schon aus einer anderen Zeit kennen, zu angenehm sind die Gefühle die man sich entgegenbringt.
Um 9:30 Uhr treten wir unsere Böcke über die staubige Piste zur Hauptstraße. Dan folgt uns mit seinem alten Auto. Auf der Straße trennen sich unsere Wege endgültig. Mit etwa 10 bis 17 Stundenkilometer strampeln wir dahin. Unsere Muskeln haben sich noch nicht an die Belastung gewöhnt. Wen wunderst. Leichter Gegenwind bremst unsere Euphorie. Nach 23 Kilometer erreichen wir um ca. 11:00 Uhr bereits Lehliu-Gara. Vorbei geht es an verschiedenen Straßen-Restaurants. Die Menschen winken und manche rufen. Die Kinder und Jugendlichen einer Schule johlen uns entgegen. Wir fühlen uns gut. So begrüßt man im Normalfall nur die Tour de France-Fahrer und uns schon nach 23 schlappen Kilometern. Wir überlegen ob wir weiterfahren sollen. Bis zum nächsten Übernachtungsort sind es noch 54 Kilometer. Zuviel für die ersten Tage. Da wir einen Berg an Ausrüstung radeln sind für uns die Strecken doppelt zu zählen. Wir wollen uns nicht gleich in den ersten Tagen überlasten, sondern schön gemächlich an größere Tages-Etappen gewöhnen. Klar, könnten wir auch irgendwo wild Campen. Doch wollen wir uns im Augenblick auf Einladungen, so wie bei Dan, beschränken. Auf einem Feld einfach sein Zelt aufzuschlagen ist nicht unbedingt ratsam. Hier in Rumänien wird zuviel gestohlen, zumindest hat man uns das berichtet. Wir müssten uns dementsprechend ungesehen in die Büsche schlagen. Leider wird auf den Feldern ständig gearbeitet oder es werden Schafe, Rinder oder Pferde gehütet. Meist ist immer ein Augenpaar da, welches uns aus ungesehenen Winkeln beobachtet. Für heute auf jeden Fall checken wir in die einzige kommerzielle Unterkunft der Stadt ein.
“Haben sie ein Zimmer frei?”, möchte ich wissen. “Da”, verstehe ich, was soviel wie ja heißt. Freundlich führt mich die Dame zu unserer Kammer. Hätten wir nicht schon viel auf unseren Reisen gesehen würde mich spätestens jetzt der Schlag treffen. Wir steigen über völlig mit Grünzeug zugewachsene Treppen in den ersten Stock. Es geht durch einen muffigen dunklen Gang. Links und rechts gähnen mich angefressene Türen an. In eine der hinteren Pforten steckt sie den krummen Schlüssel und siehe das Ding öffnet sich mit lautem Knarren. Mein Blick fällt in einen ebenfalls dunklen, sehr kleinen Raum. Es stinkt nach altem Rauch, die Tapeten sind aus den 50ger Jahren. Das spärliche Mobiliar ist kurz vor dem Zusammenbrechen und die Matratzen sind völlig durchgelegen. “Ich hoffe es gibt darin keine weiteren Bewohner die einem nachts anknabbern”, denke ich. “Camer not exclusiv”, sagt die Dame sich entschuldigend. “Ja, not exclusiv”, bestätige ich. Dafür kostet es umgerechnet aber 25 Euro. Ein stolzer Preis für das Loch. Verhandeln gibt es nicht. Entweder wir zahlen oder wir gehen. Letztendlich einigen wir uns auf bleiben. Wir tragen die gesamte Ausrüstung in das Etablissement und sperren mit drei Schlössern unsere Räder und Anhänger im Hinterhof ab. Dann mache ich mich daran mich mit meinem neuen Bildarchivierungsprogramm auseinanderzusetzen. Mir raucht die Rübe. Es ist für mich immer schwierig mich mit den Computerprogrammen auseinanderzusetzen. Dadurch, dass wir schon so früh angekommen sind habe ich aber die Zeit. Am Abend, nachdem ich so einiges an Lehrgeld bezahlt habe sind die Bilder im Laptop und beschriftet. “Ich werde jeden Tag besser”, lobe ich mich. Dann bestellen wir unser Abendessen. Weil das Restaurant im Vergleich zu den Zimmern sehr gut aussieht und der Koch sogar eine weiße Mütze über sein Haupt gestülpt hat hoffen wir auf ein schmackhaftes Gericht. Als das Essen kommt und wir uns heißhungrig darüber stürzen ist die Enttäuschung groß. Der Koch ist kein Koch. Ohne Frage hätte man ihm in einem vergangenen Jahrhundert für diese Leistung nach seinem Leben getrachtet.
Unbefriedigt aber wegen dem bisherigen guten Verlauf der Reise glücklich, verziehen wir uns in die dunkle Kammer. Kaum haben wir als die einzigen Gäste des Hotels unsere Körper auf die Matratze gebettet beginnt die Schlacht. Hunde bellen gleich im Rudel direkt vor unserem Fenster und geben alles um uns wach zu halten. Milben scheinen uns aus allen Ecken und Enden regelrecht anzuspringen, denn Tanja und ich müssen schrecklich niesen. Diese unsichtbaren Viecher lieben offensichtlich das 30 Grad warme Ambiente, um sich gleich millionenfach fortzupflanzen. Ganze Moskitogeschwader warten seit langer Zeit bereits darauf endlich an Beute zu kommen. Wild schlagend wehren wir uns bis nur noch die Chemiekeule wirkt und das Moskitomittel unsere Feinde in die Flucht schlägt. Kurz um, es ist eine schreckliche Nacht, weshalb wir uns zur Fischerhütte zurücksehnen.