Wie eine neue Expeditionsidee entsteht
N 49°30'264’’ E 011°04'453’’Tanja und ich waren erst seit wenigen Wochen von unserer 25 monatigen E-Bike-Expedition durch Asien zurück. Wir saßen in unserem Büro und planten für unsere neueste Multivisionsshow die kommende Vortragstournee.
„Hast du das in den Nachrichten gehört? Die wollen alle älteren Dieselfahrzeuge in so manchen deutschen Innenstädten verbieten?“, fragte ich Tanja. „Was? Wieso?“ „Es ist hier sicherlich bei weitem nicht so dramatisch wie in China, aber anscheinend hat der Feinstaub auch in Europa immense Auswirkungen auf unsere Gesundheit erreicht. Wir wissen ja, dass die kleinen Partikel über die Atmung in den Körper gelangen und den Mensch krank machen. Massive Feinstaubbelastung haben wir ja schon in vielen Städten der Welt am eigenen Leib erlebt. Weil die Rußpartikel zusätzlich auch für die Weltklimaerwärmung mitverantwortlich sind, möchte die EU das jetzt durch Fahrverbote einschränken und Dieselfahrzeuge aus den Metropolen verbannen“, antwortete ich und überlegte welche Konsequenzen diese Maßnahmen für uns haben würden. „Verstehe ich nicht. Dem Feinstaub sind doch keine Grenzen gesetzt. Wenn er durch Dieselfahrzeuge erzeugt wird dann doch auch außerhalb der Städte“, unterbrach Tanja meine Gedanken. „Das stimmt schon, nur ist Feinstaub durch das immer höher werdende Verkehrsaufkommen, gerade in Ballungsräumen, gefährlich geworden. So wie ich verstanden habe, geht es dabei erstmal darum die hohe Konzentration durch Fahrverbote älterer Dieselautos zu reduzieren, weil die besonderst viel Dreck raus blasen“, antwortete ich. „Das würde bedeuten, dass wir unsere Showausrüstung nicht mehr mit unserem Sprinter zu den jeweiligen Veranstaltungsorten bringen dürfen?“ „So wie es aussieht könnte das der Fall sein“, meinte ich, noch immer grübelnd.
Einige Monate später gab es keinen Ausweg mehr. Wenn wir weiterhin Vorträge halten wollten, würde uns die politische Situation in absehbarer Zeit dazu zwingen ein modernes Tourfahrzeug anschaffen zu müssen.
Diverse Festivalveranstalter weisen ihren Referenten, Gästen und Besuchern zuweilen auch Parkplätze auf Wiesen und Feldern zu, die sich nach einem heftigen Sommerregen manchmal in einen regelrechten Acker verwandeln. Nicht selten versinken dann Transporter und PKWs ohne Allrad bis zu den Achseln im Schlamm. Genau das war der Grund warum bei mir der Wunsch nach einem geländegängigen Tourfahrzeug aufkam. Um Hotelkosten zu sparen, am besten wieder einen in dem wir auch die Nacht verbringen konnten. Die Entscheidung einmal getroffen, ließ mich der Gedanke nicht mehr los, weshalb ich im Netz unzählige Stunden verbrachte, um das Passende für uns zu finden.
Als uns René, ein befreundeter Fotograf, mit seinem Wohnmobil, einem Mercedes Sprinter Allrad besuchte, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich fühlte mich augenblicklich wie ein kleiner Junge der seinen Geburtstag oder Weihnachten herbeisehnte, um endlich seine Playstation oder Legokasten zu bekommen. Urplötzlich konnte ich nicht mehr richtig schlafen. Träumte von diesem tollen geländefähigen Fahrzeug und hätte es am liebsten auf der Stelle besessen. Seltsam auf welchen Wegen manchmal Wünsche kreiert werden. Nie hätte ich mir träumen lassen jemals ein fertig ausgebautes Wohnmobil besitzen zu wollen. Ehrlich gesagt, ergab das für uns auch nicht all zu viel Sinn da wir seit 1991 auf der Großen Reise, der längsten dokumentierten Expedition der Menschheitsgeschichte, unterwegs waren und zwar mit Kamelen, Elefanten, Pferden, Motorrad, Fahrrad und auf der letzten Etappe mit E-Bikes. Was sollten wir also mit einem Wohnmobil anfangen? Klar, wir benötigten wieder einen Transporter. Möglicherweise so etwas wie unseren Sprinter, den ich vor vielen Jahren mit einem Freund selber ausbaute. Aber ein fertig ausgebautes Campingfahrzeug? Passte das zu uns? Und trotzdem, hingegen aller Vernunft war ich nun mal infiziert, angesteckt von einem ungebändigten Wunsch. Ein geländegängiges Wohnmobil formte sich daher mehr und mehr zu einem Traum, einem Traum der soweit entfernt schien wie einmal einen muskulösen, gut trainierten Kamelbullen zu reiten, oder noch besser, im Nacken eines fauchenden, Feuer speienden Drachen zu sitzen, um mit ihm über ferne Gebirgszüge und Urwälder zu rauschen.
Immer wieder erwachte ich aus meinem Schlaf, hatte wirre, scheinbar illusorische Träume die offensichtlich einer Fantasiewelt entsprangen. In den wachen Stunden sah ich Tanja, mich und unseren Hund Ajaci in einem dunkelgrauen, futuristisch wirkenden Geländefahrzeug mit fetten, grobstolligen Reifen. In sich immer wiederholenden Gedankenschleifen überlegte ich welcher Hersteller der beste für uns sein würde, vor allem wie wir das Hirngespinst finanzieren sollten ohne uns dabei finanziell zu verausgaben. Schließlich lag unser Hauptaugenmerk nach wie vor auf den Expeditionsreisen. Die wollten Tanja und ich durch nichts gefährden.
„Denis, gratuliere Euch zum Artikel im Explorer-Magazin“, hörte ich Renés Stimme ein paar Wochen später durch den kleinen Lautsprecher meines Smartphons scheppern. „Welchen Artikel?“, wollte ich wissen, da ich mir nicht bewusst war etwas für das Magazin geschrieben zu haben. „Na der Artikel über eure E-Bike-Tour durch Asien!“ Wie Treibsand rieselte es in mein Gehirn. „Ach ja, stimmt. Ich habe vor ca. einem halben Jahr auf der Eurobike Messe einen Redakteur getroffen und ihm etwas zu unserer Reise geschickt“, erinnerte ich mich wieder. „Haben die es tatsächlich veröffentlicht?“ „Ja… und die Story ist echt gut geworden“, lobte René. Kaum hatten wir das Telefonat beendet, rief ich beim Magazin an und ließ mir zwei Belegexemplare für unser Archiv schicken. Ein paar Tage später lag das Heft auf meinem Schreibtisch. Beim Suchen unseres Artikels blätterte ich es langsam durch. „Wow“, entfuhr es mir immer wieder als ich die abgefahrenen, geilen Offroadgeräte sah. Richtig umgehauen hatte mich der IVECO Daily 4×4 mit Kabinenaufbau. „Sagenhaft“, flüsterte ich andächtig. „Der sieht ja genauso aus wie in meinen Träumen.“ Dann viel mir der Kaufpreis ins Auge und mir wurde regelrecht schwindelig.
Ab diesem Zeitpunkt wusste ich erst welche unbegrenzten Möglichkeiten es im Bereich Offroadwohnmobile gab. Weitere Wochen später wurde der Wunsch nach so einem Gerät bald schmerzhaft, trieb meinen Geist in Regionen die ich am besten nie betreten hätte. Scheiß Feinstaubbelastung, ging es mir durch den Kopf, denn genau diese Problematik hatte in mir etwas entzündete, was immer größer wurde und kaum noch zu bremsen war. Um der Sache näher zu kommen verfiel ich in einen ungebremsten Aktivismus. Ich sprach mit Hinz und Kunz. Telefonierte, schrieb Firmen an und fragte ob man es sich vorstellen konnte mit uns eine Sponsorkooperation einzugehen. „Da können wir gerne drüber sprechen“, meinte der Verkaufsleiter eines bekannten Reisemobilherstellers in Bayern. Wir vereinbarten einen Termin. Hoch nervös und gespannt wie ein britischer Langsehnenbogen, saßen wir in dem großen Ausstellungsraum vor einem der Campingfahrzeuge und unterhielten uns mit dem Geschäftsführer und Verkaufsleiter. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch, mit dem freudigen Resultat, in der Zukunft tatsächlich zusammenarbeiten zu wollen.
Der Plan war, ein Mercedes Sprinter Wohnmobil mit professionellem Allradantrieb aufrüsten zu lassen. Das sollte eine in der Szene bekannte externe Firma bewerkstelligen. „Und wo wollen wir unsere Vortragstechnik unterbringen?“, verpasste Tanja meiner unters Dach geschossenen Euphorie einen heftigen Schlag. „Hm, weiß nicht, wir müssten halt mal Probeladen“, antwortete ich kleinlaut. „Denis, jetzt wach doch auf. Unsere Technik passt da niemals rein.“ „Hmm, dann kaufen wir uns einen Anhänger und verstauen da alles was im Womo keinen Platz findet.“ „Und wie wollen wir mit solch einem großen Gespann durch die kleinen Straßen der Innenstädte manövrieren? Und wo willst du das Gefährt parken? Es ist doch bisher schon nicht einfach vor einer Veranstaltungshalle einen passenden Parkplatz zu finden“, schlug Tanja, in meine bereits einknickende Euphorie, weitere heftige Dellen. „Uns wird schon etwas einfallen“, verteidigte ich meinen neuen großen Wunsch hartnäckig.“ Mir war natürlich klar, dass Tanja Recht hatte und so eine Entscheidung von ihr mit getragen werden musste, weshalb ich nach Lösungen rang sie umstimmen zu können.
Zum Glück gab Tanja im Laufe der Zeit nach und wir waren uns einig den Spezialoffroadsprinter zu kaufen. Im Januar des folgenden Jahres war es endlich soweit. Das Angebot des Wohnmobilbauers lag auf dem Tisch. Als ich es durchgearbeitet hatte kollabierte mein Traum zu einem unscheinbaren Häufchen. Weil im Herbst ein neues Modell auf den Markt kommen sollte, hatte man uns ein bereits fertig konfiguriertes Fahrzeug angeboten. Es waren Sonderwünsche eingebaut die wir nicht wollten und Zubehör, welches wir sehr gerne gehabt hätten, war in diesem Modell nicht vorhanden. Noch dazu kam, dass die Reifengröße plötzlich mit einer Schmalspureisenbahn vergleichbar war, die Farbe uns an einem konservativen Kühlschrank aus den 50. Jahren erinnerte und der Offroadumbauer signalisierte uns eine weitere Wartezeit von mindestens sechs Monaten. Obwohl wir das Womo um einiges günstiger hätten haben können, waren die Kompromisse einfach zu groß. „Dann müssen wir warten bis im Herbst das neue Modell auf den Markt kommt“, sagte ich geknickt. Tanja, die gerade an ihrem kleinen Schreibtisch saß, blickte mich an. „Du weißt doch, dass alles im Leben einen Sinn ergibt. Nichts geschieht einfach nur so. Habe Geduld. Du wirst schon sehen“, tröstete sie mich.
Wochen später erhielten wir von einem anderen Wohnmobilhersteller ein weiteres Kooperationsangebot. „Kommen sie uns auf der Caravan Messe in Düsseldorf besuchen, dann können wir über Details sprechen“, schlug der Marketingleiter vor. Obwohl wir über das Angebot sehr glücklich waren, verstrich immer mehr Zeit. Mittlerweile suchte ich bereits seit 7 Monaten nach dem zukünftigen Tourfahrzeug und wenn es so weiter ging würde das Jahr ins Land ziehen ohne dem Wunsch einen Schritt näher gekommen zu sein. Abgesehen davon wollten wir im kommenden Jahr unsere Große Reise fortsetzen, und wenn sich in der Sache nicht bald etwas tat, müssten wir das gesamte Projekt bis auf unsere Rückkehr aus Asien verschieben. „Das bedeutet aber unseren Sprinter eventuell nicht mehr verkaufen zu können weil ihn dann wegen der Abgassituation keiner mehr haben möchte. Wir werden also einen Verlust einfahren“, schlussfolgerte ich. „Es wird sich schon eine Lösung abzeichnen“, war Tanja noch immer zuversichtlich. Nicht locker lassend, und weil ich im Explorer Magazin von IVECO regelrecht infiziert war, rief ich bei IVECO an. „Kann ich bitte ihren Chef sprechen?“, fragte ich den Verkaufsleiter. „Der bereitet sich gerade für die Abenteuer Allrad vor und ist nicht zu sprechen“. „Und sie meinen Ihr Chef hätte an einer Kooperation Interesse?“, fragte ich im weiteren Verlauf des Gespräches. „Vielleicht, aber sie müssten uns auf der Abenteuer Allrad besuchen.“ „Entschuldigung, was ist die Abenteuer Allrad?“ „Herr Katzer, sie schreiben einen Artikel für das Explorer Magazin und wissen nicht was die Abenteuer Allrad ist?“ „Sorry, ich bin Abenteurer und war bisher mit Pferden, Kamelen, Elefanten und Fahrrädern unterwegs. Mit Wohnmobilen und Allradfahrzeugen hatte ich bislang wenig am Hut“, rechtfertigte ich mich. „Ha, ha, ha, so was habe ich bisher auch noch nicht gehört“, prustete der Mann ins Telefon. „Also, die Abenteuer Allrad ist die größte Off-Road-Messe der Welt und findet im Juni in Bad Kissingen statt. Das ist doch bei ihnen gleich um die Ecke. Fahren sie hin und sprechen sie mit meinem Boss“ „Wann im Juni?“ „In zwei Tagen.“ „In zwei Tagen schon?“, räusperte ich und blätterte augenblicklich in meinem Timer. Verblüfft, genau in dieser Zeit auf unbeleckte weiße Seiten zu stoßen, sagte ich einem Treffen zu und vereinbarte einen Termin.
„Ich fahre übermorgen zur Allrad Messe nach Bad Kissingen“, stellte ich Tanja vor vollendete Tatsachen und berichtete ihr von meinem Telefonat mit dem IVECO-Händler. „Ich fahre mit“, vernahm ich ihre spontane Entscheidung. Weil Tanja nicht gerade technikaffin ist und ich sie im Regelfall geradezu überreden muss mich auf solchen Messen zu begleiten, war ich völlig verblüfft. „Ich muss uns vor all zu euphorischen Entscheidungen schützen“, lachte sie und zwinkerte mir verschmitzt zu.
Bei strahlendem Sonnenschein trafen wir bereits kurz hinterm Eingang der Allradmesse die Geschäftsleitung des Wohmobilbauers, von dem wir im Januar bald ein Fahrzeug gekauft hätten. Herr Schmidt zeigte uns einen der Allradsprinter mit breiten Reifen, um den ich mit glänzenden Augen schlich. „Schade, dass der noch nicht lieferbar ist“, meinte ich. „Im Hebst, spätestens im Winter, können sie ihn haben“, antwortete Herr Schmidt. „Wir sehen uns mal ein wenig um“, verabschiedeten wir uns. Auf dem Weg zum Stand des IVECO-Händlers staunten Tanja und ich über das scheinbar endlose Angebot der unterschiedlichsten Aussteller. Vom Dachzelt, über Kochtöpfe, zu Reifen aller Art und Größe bis zu Spezialumbauten von Expeditionswohnmobilen, zahlreichen Reiseveranstaltern und unzähligem mehr, waren die Angebote geradezu erschlagend. „Millionär müsste man sein“, sagte ich vor einem unfassbar schönen Offroader stehend und ärgerte mich ein wenig über mich selbst. Habe ich doch während der letzten 30 Reise- und Expedtionsjahre erfahren wie befreiend ein minimalistischer Lebensstiel sein kann? Und jetzt, auf einmal, bin ich von diesen teils großen Fahrzeugen regelrecht angefixt. Als wir beim Iveco-Händler ankamen, brummte mir buchstäblich der Kopf, denn die Informationsfülle übersteigerte jegliche Gehirnkapazität.
Bevor wir uns am Messestand des Iveco-Händlers zu erkennen gaben inspizierten wir die zwei ausgestellten Allradkleinlaster. „Und das Riesending soll ich mal fahren?“, fragte Tanja verunsichert. „Sieht größer aus als es ist“, versuchte ich sie zu überzeugen. „Hm, also schau dir doch nur mal die Reifen an. Die sind ganz schön mächtig.“ „Ja, ist halt ein echtes Offroadfahrzeug, obwohl, ein bisschen breiter könnten die Reifen schon sein“, antwortete ich und konnte meine Begeisterung kaum zügeln. „Warum Männer immer auf breite Reifen stehen bleibt mir ein Rätsel“, entgegnete Tanja. „Es gibt auch Frauen die breite Reifen lieben“, konterte ich ein wenig beleidigt. „Und du meinst wir können anstatt der hier ausgestellten Ladefläche eine Wohnkabine hinten drauf bauen lassen?“, wechselte Tanja das Thema. „Das sollte kein Problem sein. Wir müssen uns nur so eine Kabine kaufen.“ „Und du willst sie selber ausbauen?“ „Da wird mir nichts anderes übrig bleiben. Eine fertig ausgebaute Kabine ist einfach zu teuer.“ „Fragt sich nur woher du die Zeit nehmen willst?“ „Denke das wird ein paar Jahre dauern. Die ersten Monate müssten wir auf Isomatten schlafen. Ist zwar nicht komfortabel aber wir bekommen sicherlich unsere gesamtes Showequipment in so eine Kabine rein und benötigen somit keinen Anhänger.“ „Darf ich ihnen behilflich sein?“, unterbricht ein Mann unsere Unterhaltung. „Gerne“, antwortete ich, worauf wir uns vorstellteten. „Ach sie sind die Abenteurer. Mein Kollege hat sie schon angekündigt. Schön sie hier bei uns auf Messestand begrüßen zu dürfen“, wurden wir freundlich empfangen. Umgehend berichtete ich von den Kooperationsangeboten der zwei Wohnmobilbauer, davon wie lange wir schon suchten, das uns der IVECO Daily 4×4 am besten gefallen würde und ob er sich vorstellen könnte mit unserem Lebensprojekt, der längsten dokumentierten Expedition der Menschheitsgeschichte, zusammenarbeiten zu wollen. „Da können wir gerne darüber sprechen“, hörten wir und konnten unser Glück kaum fassen. Noch während des anregenden Gespräches wurden wir uns einig und vereinbarten eine Kooperation. Beflügelt und überaus freudig verabschiedeten wir uns und nutzten den angebrochenen Tag weitere Offroadfahrzeuge zu bestaunen. „Ich habe einen Bärenhunger. Wollen wir uns was an den Essenständen holen?“, machte sich Tanja bemerkbar. „Eine verdammt gute Idee“, antwortete ich, wegen des gerade abgeschlossenen guten Deals, bestens gelaunt.
„Tanja! Tanjaaa!“, zwängt sich ein Ruf durch das Stimmengewirr der Menschenmassen, als ich gerade im Begriff war mich auf eine der Bierbänke niederzulassen. „Mensch Heiko, was machst du denn hier?“, fragte Tanja den Mann umarmend. Erst jetzt erkannte ich Heiko Müller, der mit seinem Freund Markus Riese 1993 in der elterlichen Garage das legendäre Faltrad namens Birdy konstruierte. Wenig später brachten die beiden Ingenieure das Birdy mit großem Erfolg auf den Markt. Heiko und Markus sind bereits seit dem Jahr 2005 Sponsoren unserer großen Reise. Damals waren wir im Punkte Radfahren noch blutige Anfänger und trotzdem glaubten die beiden an uns und schenkten uns ihr Vertrauen. Mit ihren Rädern reisten wir in mehreren Etappen von Deutschland bis nach Thailand. 5 Bücher sind alleine über die Radreisen veröffentlicht worden. Unglaublich, wenn man daran denkt, dass wir das Radfahren nur einsetzen wollten, um auf ökologische Weise von einer Expedition zur anderen zu gelangen.
Heiko, seine Frau Sandra und Markus zählen mittlerweile zu unseren Freunden. Ein Grund weshalb wir uns besonders über das glückliche Treffen auf dieser Messe freuten. „Was machst du denn auf der Abenteuer Allrad?“, wollten wir wissen. Ich bin mit meinen Söhnen hier, um mich nach einem Offroadwohnmobil umzusehen.“ „Du auch? Wir sind aus genau dem gleichen Grund hier“, antwortete ich lachend. „Nach was haltet ihr denn Ausschau? Habt ihr schon etwas Konkretes im Auge?“, interessierte es Heiko. „Wir denken darüber nach einen IVECO Daily 4×4 anzuschaffen und uns eine Kabine darauf bauen zu lassen“, erklärte ich. „Ist ja nicht zu glauben, wir suchen nach dem gleichen Fahrzeug“, war Heiko überrascht. „Ist wirklich nicht zu glauben, noch dazu, dass wir uns hier mitten in der Menschenmasse treffen“, meinte ich. „Ihr solltet mal bei bimobil vorbeischauen. Die stellen dort hinten, in dem großen Zelt ihre Fahrzeuge aus“, schlug er vor. „bimobil? Wer ist das denn?“, fragte ich neugierig nach. „bimobil baut meiner Ansicht nach mit die besten Kabinen auf dem Markt. Schaut dort einfach mal vorbei“, empfahl Heiko und zeigte uns ein Prospekt von seinem Traumfahrzeug.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen eilten Tanja und ich zu bimobil. Als wir wenig später vor dem ersten Expeditionsmobil standen verschlug es uns regelrecht die Sprache. „Der sieht ja besser aus als der IVECO der im Explorer Magazin vorgestellt wurde“, flüsterte ich fast andächtig. „So ein Fahrzeug wäre der Traum“, hörte ich Tanjas Stimme und mochte nicht glauben, dass auch sie auf Anhieb begeistert war. „Komm lass uns mal fragen was eine leere Kabine kostet“, schlug ich vor. „Es tut mir leid, wir verkaufen keine Leerkabinen“, vernahmen wir. „Was? Warum denn nicht?“, hakte ich nach und spürte wie meine im Himmel angekommene Euphorie wieder in den Keller rutschte. „Weil wir zur Zeit mindestens 1 1/2 Jahre Wartezeit auf einen ausgebaute Kabine haben. Tendenz steigend. Da auch eine Leerkabine von uns extra angefertigt wird, können sie sich bestimmt vorstellen, dass wir genau deswegen keine Leerkabinen verkaufen“, erklärte uns der Mann. „Warum den nicht?“, lasse ich nicht locker. „Weil unser Geschäft nicht nur im Bau einer Kabine liegt, sondern hauptsächlich im Ausbau.“ „Hm, eineinhalb, vielleicht zwei Jahre Wartezeit? Das Ist ja nicht zu fassen. Das heißt, wir haben keine Chance?“ „Nein“, blieb der Verkäufer hartnäckig. Er musste die endlose Enttäuschung in meinen Augen gelesen haben, denn als wir im Begriff waren zu gehen räusperte er sich. „Aber…,“ „Ja?“ „Aber fragen sie doch mal meinen Chef.“ „Wo ist denn ihr Chef?“, hakte ich wenig hoffnungsvoll nach. „Er läuft gerade über den Messestand. Sehen sie ihn?“, fragte er auf einen Mann in Outdoorkleidung deutend.
Hallo Herr Christner, wir sind Tanja und Denis Katzer“, stellte ich uns vor und fragte ob er ein paar Minuten Zeit für uns hätte. „Natürlich, worum geht´s denn?“, antwortete er freundlich. Wir berichteten von unserer angehenden Kooperationsangeboten der zwei Wohnmobilbauer und dem Iveco-Händler. „Wenn ich sie richtig verstanden habe ziehen sie ernsthafte Expeditionsreisen durch. In diesem Fall ist die weiße Ware, also herkömmlich Wohnmobile, nichts für sie. Da würde ich ihnen sogar abraten. Sie benötigen etwas Vernünftiges. Etwas womit sie nicht mitten in der Wüste oder auf einer Schotterpiste im tropischen Monsunregen liegen bleiben“, meinte er im Brustton der Überzeugung. „Eigentlich dachten wir nicht daran damit gleich auf Expeditionsreise zu gehen. Wir wollen nur aus einer nassen Wiese wieder raus ohne uns festzufahren und benötigen genügend Raum für unsere Vortragstechnik. Aber sie haben natürlich Recht. Es wäre schon gut für kommende Projekte gleich das richtige Fahrzeug zu besitzen“, antwortete ich nachdenklich, überlegte einige Sekunden, blickte kurz in Tanjas Augen und führte meine Anfrage fort: „Unabhängig von den Angeboten, die wir bereits haben, gefallen uns ihre Fahrzeuge extrem gut. Was soll ich sagen? Sie hauen uns echt um. Hier steht genau das wovon ich seit Monaten träume. Einfach gigantisch. Es ist nur so, dass auch der Preis gigantisch ist und unser Budget massiv sprengen würde. Noch dazu kommt die jahrelange Wartezeit. Bis so ein Fahrzeug fertig wäre sind wir schon lange wieder auf der nächsten Expeditionsreise unterwegs. Es sei denn wir streben eine Zusammenarbeit an. Wäre so etwas für sie denkbar?“ „Warum nicht. Ich müsste mal mit meiner Frau sprechen. Aber grundsätzlich könnten wir darüber reden“, hörten wir und glaubten im ersten Augenblick seine Worte, die sich gerade unterm Zeltdach verflüchtigen und vom allgemeinen Gemurmel der Messebesucher aufgesogen wurden, seien eine verbale Fata Morgana gewesen. Wenig später saßen wir in einem EX412, so hat bimobil dieses traumhaft schöne Expeditionsmobil genannt, und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Tanjas und mein Puls lag bei 120. Vermochte es wirklich sein, dass wir gerade in einem Fahrzeug saßen für dessen Kaufpreis man sich auch ein Haus anschaffen konnte? War es wirklich real plötzlich mit dem Gedanken zu spielen Besitzer von solch einem Wahnsinnsgefährt zu werden? Wie sollte so etwas funktionieren ohne unser Reiseleben zu gefährden? Ohne uns in einer Sackgasse zu verrennen? Spielten unsere Gedanken jetzt völlig verrückt? Meinte es Herr Christner wirklich ernst mit einer Kooperation? Und um wie viel würde uns die Firma entgegenkommen?
Das wir solche Partner mit unserer Arbeit zufrieden stellen können stand außer Frage. Das hatten wir in den letzten Jahrzehnten mehrfach bewiesen. Wir hatten und haben viele große Firmen als gleichwertige Kooperationspartner, aber noch nie im Bereich Offroad. Das wäre etwas völlig Neues, etwas Aufregendes, eine so genannte Weichenstellung im Leben. Im Verlauf des intensiven Gespräches glaubte ich mein Puls würde sich noch weiter steigern und spürte wie das Blut durch meine Halsschlagadern strömte, als würde es sich den Niagarafällen herunterstürzen. „Sie haben Glück. Erst vor wenigen Tagen musste einer unserer Kunden aus gesundheitlichen Gründen von seinem Kaufvertrag zurücktreten. Wenn sie sich für ein bimobil entscheiden geben wir ihnen diesen Bauplatz. Das bedeutet, dass sie in spätestens drei Monaten ihr mobiles Offroadheim abholen könnten.“, hörte ich die Worte des Mannes von weitem an meine Ohren dringen. Das war einfach unfassbar. Welcher göttliche Strahl traf uns da denn gerade?
Als wir am Abend die Messe verließen schwindelte uns beiden der Kopf. Tanjas Gesicht sah aus als hätte sie zuviel Sonne erwischt. „Wenn wir tatsächlich so ein geiles Teil kaufen, sollten wir es richtig nutzen“, schwebten ihre Worte zu mir. „Wie meinst du das?“ „Na wir haben doch ein Problem unsere Akkus von Deutschland nach Asien zu bekommen?“ „Jaaa. Worauf willst du hinaus?“ „Warum laden wir die Akkus nicht einfach in das bimobil und fahren sie nach Kambodscha?“ „Was? Wie?“, fragte ich und spürte wie das Blut in meinem Körper nach langen Fall auf eine hundert Meter tiefe Wasserfläche traf, in Millionen Einzelteile zerstäubte und sich in seine Atome auflöste. „Das meinst du doch nicht im Ernst oder?“, hörte ich meine eigenen Worte. „Warum nicht? Jetzt bleib doch mal realistisch. Es ergibt doch keinen Sinn so viel Geld und Energie in so ein Expeditionsfahrzeug zu stecken, um nach einer Veranstaltung aus einer nassen Sommerwiese raus fahren zu können. Kooperation hin oder her, Fakt ist, dass wir trotzdem ein Vermögen investieren müssten. Und wenn wir das wirklich tun sollten, dann sollten wir das richtig nutzen.“ Wenn ich vorher schon dachte ein Summen in meinem Kopf wahrzunehmen, dann war es jetzt ein Rauschen. „Warum sagst du denn nichts? Alles okay mit dir?“, fragte Tanja nach einigen Schweigesekunden, die sich wie eine kleine Ewigkeit anfühlten, nach. „Na du bist echt unglaublich. Eigentlich habe doch immer ich die geilen Expeditionsideen und jetzt haust du so ein Brett raus. Ich finde die Idee unfassbar. Einfach genial. Super! Du bist wirklich eine tolle Frau. Yes, wir bringen unsere Akkus und Ausrüstung selber nach Kambodscha und starten von dort unsere E-Bikeexpedition. Mann, das ist fantastisch!“, rief ich in den abendlichen Sommerhimmel.
Da Tanja wegen einem Fotoshooting noch am Abend mit dem Zug abreisen musste, blieb ich alleine zurück. Ich verbrachte die Nacht in unserem Sprinter, indem wir auf Messen und Vorträgen immer logieren. Es war die erste von vielen schlaflosen Nächten in denen ich darüber grübelte wie und ob Tanjas Idee umsetzbar war.
Stefan Christner, Geschäftsführer der von Liebe GmbH – bimobil,
und Denis Katzer, während des ersten Ofroadtrainings im Sommer 2018