Vorbereitung zur Etappe 2
Temperatur - Tag (Maximum):
saukalt
Deutschland — 14.02.2001 – 12.03.2001
Wie immer, wenn ich den Telefonhörer in die Hand nehme und Anna Plains Station anrufe schlägt mein Herz schneller. Ich ärgere mich über dieses unbestimmte und unangenehme Gefühl, denn eigentlich ist es völlig unbegründet. Seit dem Tanja und ich die Station verlassen haben, um für ein paar Wochen nach Deutschland zu fliegen, umklammert mich die Angst das unsere 7 Kamele ausreißen könnten und auf nimmer Wiedersehen in den endlosen Weiten der Great Sandy Desert verschwinden. Von November bis März ziehen manchmal schlimme Wirbelstürme über die Küsten Nordwest Australiens und vernichten absolut alles was sich ihnen in den Weg stellt, natürlich auch Zäune. Weil wir während dieser gefährlichen Zeit unsere Expedition nicht fortsetzen können und weil sich unsere Tiere von den Strapazen der letzten 7 Monate erholen müssen, entschieden wir uns sie alleine zulassen und uns in Europa, um die weitere Finanzierung der Expedition zu kümmern.
Ehrlich gesagt brauche ich mir keine Sorgen um unsere Jungs zu machen, denn bevor wir sie in einer 1 × 1 Km großen Umzäunung ließen, haben wir alle Löcher im Zaun repariert die der Zyklon Sam hineingerissen hatte. Sebastian, Hardie, Goola Badoola, Istan, Jafar und die zwei neuen Jasper und Edgar sind also sicher aufgehoben. Auch ist die Anna Plains Station eine von Profis betriebene Rinderfarm. Wir kennen die Yilleroos, Yackeroos, (Cowgirls, Cowboys) den Head Stockman (Chefcowboy), Manager und Besitzer persönlich und fühlen uns dort in guten Händen. Der Manager David hat uns sogar versprochen, dass er immer wieder einmal nach den Tieren sehen wird. Trotzdem halte ich es für sinnvoll sich von Zeit zu Zeit nach dem Wohlbefinden unserer Kamele zu erkundigen. „Hallo David! Wie geht’s?“ ,frage ich wie immer beruhigt seine Stimme zu hören. „Nicht so gut. Deine Kamele sind weg!“ Ich glaube mich verhört zu haben und lache über seinen Witz. „Es ist kein Witz Denis, eure Kamele sind vor 10 Tagen abgehauen. Einer der Bauarbeiter, der an die Sturmschäden hier repariert, hat das Tor aufgelassen. Es war kaum eine Stunde offen und eure gesamte Karawane hat sich davon gemacht. Ich war leider für 10 Tage im Urlaub und habe es erst vor wenigen Stunden erfahren. Noch dazu regnet es seit Wochen, so dass ihre Fußabdrücke nicht mehr zu sehen sind und ich sie jetzt nicht aufspüren kann.“ Wie von einem Faustschlag getroffen sitze ich in meinem Bürostuhl und suche nach Worten. Das wahr es dann wohl. Ohne Kamele keine Expedition durch Australiens Outback. Meine Gedanken überschlagen sich. Wie lange wird es dauern, bis wir in dieser abgelegenen Region neue Kamele bekommen? Was wird das kosten? Wie viele Monate wird das neue Training benötigen? Überstehen wir das psychisch noch mal ein Jahr länger mit unerfahrenen Tieren zu arbeiten bis sie Expeditionstauglich sind? Haben wir eine Chance unsere Jungs zurück zu bekommen? „Denis, bist du noch dran?“ , holt mich Davids Stimme aus einer entfernten Welt in die Realität zurück. „Ja,… ich… äh, habe nachgedacht. Meinst du sie sind für immer weg oder sind sie in ein anderes Gehege gelaufen. „Sie müssten jetzt in einem 20 × 10 Kilometer großen Gebiet sein welches von drei Seiten eingezäunt ist. Nur in Richtung Westen gibt es keinen Zaun. Dort liegt aber alles unter Wasser. Meinst du sie laufen durch Wasser?“ „Keine Ahnung. Wenn sie nichts mehr zu fressen finden könnte ich mir das schon vorstellen.“ „Wenn der Regen nachlässt versuche ich ihre Spuren zu suchen. Bis dahin musst du dich noch gedulden. Ich denke wir werden sie wiederfinden.“ „Ich hoffe es, ansonsten müssen Tanja und ich die 1400 Kilogramm Ausrüstung selber tragen,“ sage ich und lache. „Schön das du noch lachen kannst. Ich rufe dich an, wenn ich Neuigkeiten habe. Richte Grüße an Tanja aus.“ , sagt er noch und legt den Hörer auf.