Tödlicher Strom
Wundowie — 22.02.2000
Nie hätte ich gedacht, dass wir mit unseren Kamelen einen Platz finden der so perfekt ist. Der Ort hier, den wir Basis Camp 3 nennen, bietet alles was wir benötigen. Unsere Kamele vergnügen sich in einem wirklich großem Gehege. Sie sehen prächtig aus und scheinen sich von Tag zu Tag wohler zu fühlen. Seit dem wir hier sind leiden sie nicht mehr unter den schrecklichen Stechfliegen, die ihnen, wie bereits erwähnt, täglich bis zu 100 Milliliter Blut abgezapft haben. Auch die Heuqualität ist besser und noch dazu ist es entschieden günstiger. Von unserem Wohnwagen aus können wir sie ständig beobachten und ihr Verhalten studieren. Sie scheinen endgültig die Rangordnung unter sich geklärt zu haben.
An manchen heißen Tagen sitze ich hinter unserem Caravan unter den ausladenden Feigenbaum und genieße seinen Schatten. Der Sommer scheint uns mit seinen 35 bis 40 Grad noch mal zeigen zu wollen, dass wir hier in Australien sind. Ich denke über die vergangenen Monate nach und kann kaum glauben, was wir hier alles erleben mussten, oder sollte ich vielleicht sagen: „durften?“ Ich mache mir Gedanken über die Konstruktion der Sättel. Die Zeit rast dahin und wir müssen dringend mit deren Konstruktion beginnen um uns nicht ein weiteres Mal zu verspäten. Mitten in meinen Gedanken vernehme ich das, mir bekannte Geräusch von tropfendem Wasser. Ich drehe mich um, und bemerke, dass die Schlauchverbindung zu unserem Wohnwagen undicht ist. Ich verwerfe die Überlegungen mit der Sattelkonstruktion und hole meinen Werkzeugkasten, um der Wasserverschwendung ein Ende zu setzen. Da der Wasserdruck sehr stark ist muss ich gleich drei Schlauchklemmen anbringen, um dem Tropfen Herr zu werden.
Ich schraube gerade die dritte Klemme an und halte mich mit der linken Hand am Rahmen des Wohnwagens fest, als mich urplötzlich ein heftiger Stromschlag durchfährt. Im ersten Augenblick etwas benommen knie ich auf dem Boden und schnappe nach Luft. “Mein Gott da ist Strom auf dem Gehäuse unseres Caravans!” Nachdem ich mich von dem kräftigen Schlag erholt habe, hole ich ein kleines Messgerät, welches ein wichtiger Bestandteil unserer Ausrüstung ist, um eventuell Probleme mit den Kameras oder der Solartechnik mitten im Busch nachmessen zu können, und überprüfe den Caravan.
Ich kann es nicht glauben, an allen Ecken und Enden, also überall, fließen satte 230 Volt vom Gehäuse zur Erde. Nicht auszudenken, wenn eines der Kinder barfuss den Wohnwagen angefasst hätte? Tanja hatte schon vor mehreren Tagen einen Schlag bekommen als sie die Tür öffnete und wir dachten es wäre elektrostatische Aufladung gewesen. Auch ich hatte enormes Glück da ich ja auf dem feuchten Boden kniete und anscheinend die vollen 230 Volt abbekam. Ohne weitere Überlegung ziehe ich das Stromkabel aus dem Hauptstecker und rufe einen Elektriker an. Es stellt sich heraus, dass wir enorm Glück hatten. Das Zuleitungskabel zum Wohnwagen ist fehlerhaft und die Erdung des Caravans nicht angeschlossen. Abgesehen davon ist die ganze Verkabelung des Farmhauses unfachmännisch verlegt. Das alte Sicherungssystem hat nie funktioniert. “Ihr hattet sehr viel Glück, dass euch der Wohnwagen nicht einfach abgebrannt ist. Diese Dinger fangen so schnell Feuer, dass sie innerhalb nur weniger Minuten völlig ausbrennen. Manchmal ist es schon vorgekommen, dass die Bewohner eines Caravans nicht mehr die Gelegenheit hatten ihn rechtzeitig zu verlassen und verbrannt sind.” Sagt der Elektriker und legt seine Stirn in Falten. Tanja und ich sind erleichtert. Alles was wir besitzen ist in diesem Wohnwagen. Hätte er wirklich Feuer gefangen, würden wir nie auf diese Expedition gehen.