Tanjas Geburtstag
N 46°34'28.2'' E 030°54'28.9''Es regnet wie aus Eimern. Die nach dem Nass lechzende Natur bedankt sich. Die Touristen des Strandes sind wieder nach Hause gefahren und es ist Ruhe eingekehrt. Auch bei Luda haben die meisten Gäste die Koffer gepackt. Wir alle sind froh. Endlich können wir durchatmen. Mit 13 Grad sind die Nächte plötzlich frisch und wir schlüpfen zum ersten Mal auf dieser Etappe in unsere Fjällräven-Schlafsäcke. Wegen meinen nur langsam verheilenden Wunden müssen wir noch bei Luda bleiben. Es fällt mir schwer, dass Tanja mitzuteilen, aber es macht keinen Sinn mit dieser Entzündung loszufahren. Eigentlich wollten wir ihren Geburtstag an einem schöneren Ort verbringen, aber so wie es das Reisen uns wieder beweist, kann man nur selten seine gemachten Pläne einhalten. Tanja ist auch heute, an ihrem Geburtstag, in Odessa und ich sitze wieder vor dem Laptop in unserem Zimmer. Ich blicke auf den kleinen Balkon der von reifen Weinreben umwachsen ist. Dunkle Wolken ziehen vorbei und entleeren sich immer wieder. Es ist richtig ungemütlich geworden. Ob das bereits der Herbst ist? Während ich so dasitze und über den Verlauf unserer bisherigen Reise nachdenke, kommt mir Tanjas Geburtstag in den Sinn. Gerne wäre ich mit ihr in ein gutes Restaurant gegangen oder hätte mit ihr etwas anderes Schönes unternommen und nun sitzen wir hier fest. Was könnt ich nur tun, um ihr eine Freude zu bereiten? Mein Blick schweift durch unsere staubige, heruntergekommene Unterkunft. “Ja, das ist es!”, rufe ich leise und begebe mich zu Luda. “Hast du einen Staubsauger?” “Ja. Was willst du denn machen?” “Tanja hat heute Geburtstag. Ich würde gerne mal unsere Zimmer putzen”, antworte ich lachend. Nur Minuten später sauge ich den uralten Dreck von den Fensterbrettern das es in dem Schlauch des Saugers richtig klappert. Mit dem Rohr bewaffnet erkläre ich allen Insekten den Krieg, sauge Spinnweben aus den Ecken und Fliegen vom Fenster. Auch der Teppich und die Ritzen unterm Bett sind dran. Dann bekomme ich von Luda einen Eimer. Ich mische eine starke Seifenlauge zusammen und wische die Stahltreppen, den Balkon, und das gesamte Zimmer. Zum Schluss beziehe ich unsere Betten neu und straffe das Moskitonetz. “Na also, sieht ja schon ganz gut aus”, sage ich nach ein paar Stunden zufrieden mit meiner Arbeit. Wieder setze ich mich in meinen Klappstuhl und überlege. Irgendetwas fehlt noch, geht es mir durch den Kopf. Dann mache ich mich auf, um den kleinen Dorfladen aufzusuchen. Es ist nicht einfach etwas zu finden was man hier für ein Geburttagskind kaufen könnte. Vor allem etwas was man nicht in die Satteltaschen stopfen und mitschleppen muss. Nach längerem Herumkucken erstehe ich einen Block mit Papierblock, eine Flasche Dessertwein und ein paar Tafeln Schokolade.
Auf dem Rückweg zapzarapse ich ein paar Blüten von einem über den Zaun hängenden Strauch. Im Zimmer reiße ich das Papier aus dem Block und schreibe auf die Zettel Liebeserklärungen. Dann Stelle ich auf die erste Stufe unserer Treppe eine Rose die mir Luda für Tanja gegeben hat und lege einen der Zettel darunter. Auf die zweite Stufe stelle ich die Weinflasche und auf jede weitere eine Schokolade mit je einen Zettel.
Als sie dann abends von Odessa zurückkommt freut sie sich tatsächlich über das Zimmer und die kleinen auf der Treppe stehenden Präsente. “Jetzt kann man es hier aushalten. Eigenartig wie stark sich die Atmosphäre ändert wenn ein Raum geputzt ist. Ist ja richtig gemütlich geworden”, sagt sie.
Luda, Helena und Valentina haben ebenfalls eine Überraschung für Tanja. Sie schneiden einen schmackhaften Schokoladenkuchen an und überreichen ihr eine große Schachtel mit Pralinen. Jetzt nach sieben Tagen gehören wir langsam wieder zu Familie. Auch wenn es eine bescheidene Feier ist wird Tanja diesen außergewöhnlichen Tag nicht mehr vergessen.