Schwierige Campplatzsuche und verhängnisvolle Windböe
N 69°13’28.2’’ E 019°30’14.7’’Datum:
06.10.2020
Tag: 065
Land:
Norwegen
Ort:
Am Balsfjord
Gesamtkilometer:
5985 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt / Unbefestigt
Brückenüberquerungen:
10
Tunneldurchfahrten:
5
Sonnenaufgang:
07:08
Sonnenuntergang:
17:53
Temperatur Tag max:
14°
Temperatur Nacht min:
10°
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
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Um die vielen Fjorde und Berge zu überwinden, überqueren wir am heutigen Tag 10 Brücken und durchfahren 5 Tunnel. Es beginnt bereits zu dämmern, als wir auf der Suche nach einem Platz für die Nacht auf der Fv293, einer einspurigen Küstenstraße des 49 km langen Balsfjords landen. „Da ist ein Platz!“, rufe ich auf eine kleine freie Fläche direkt am Wasser deutend. „Hast du gesehen, wie steil es dort runter geht? Zudem ist der Weg bedenklich schmal. Da würde ich unter keinen Umständen runterfahren“, warnt Tanja, weshalb wir weiterfahren. „Da! Neben der Fischerhütte ist auch ein Platz!“, sage ich ein paar Minuten später. Die Zufahrt ist genauso schmal wie vorhin. Wenn dort Erde ausbricht, kippt die Terra.“ „Da bricht keine Erde raus und außerdem kippt die Terra nirgendwohin. Das Gelände ist viel zu flach“, entgegne ich. Etwas entnervt lasse ich die Terra, die schmale Küstensträßchen weiterrollen. „Wenn du mit der Campwahl so pingelig bist, finden wir hier nie einen Übernachtungsplatz.“ „Ich bin nicht pingelig, aber ich gehe lieber auf Sicherheit. Abgesehen davon gab es neben den letzten zwei Plätzen keine Möglichkeit, um mit Ajaci Gassi zu gehen. Wir werden schon was finden.“ „Es wird bald dunkel. Vielleicht sollten wir in der Ausweichbucht dort vorne bleiben.“ „Direkt an der Straße?“ „Ist nicht optimal, aber besser als gar nichts.“ „Lass uns noch ein bisschen weitersuchen. Ich bin mir sicher, dass wir was finden“, bleibt Tanja zuversichtlich. „Ich fahr mal da runter“, sage ich fünf Minuten später. „Ist doch wieder viel zu steil!“ „Ist es nicht. Das ist für unser Allradmobil ein Klacks“, sage ich und lege die Untersetzung ein. Im Schritttempo rollen wir in eine enge Kurve und landen auf einer relativ breiten geschotterten Fläche direkt neben dem Fjord. „Sieht doch super aus. Hier stehen wir gerade, wird sind weg von der Straße, der Untergrund ist nicht sumpfig und du kannst mit Ajaci Gassi gehen“, frohlocke ich. „Hab dir doch gesagt, dass wir einen guten Übernachtungsplatz finden“, freut sich Tanja ebenfalls.
Als sich die letzten Sonnenstrahlen aufgemacht haben, die andere Seite unserer Mutter Erde zu besuchen, wird die Horizontlinie von einem goldorangenen Licht erhellt. Aufziehende dunkle Wolkenbänder saugen das restliche Tageslicht mit all seinen Farben in sich auf. Ein Fischer wirft seine Angel aus, um sich zu dieser Stunde noch ein Abendessen zu fangen, während wir Bratkartoffeln und frischen Lachs mit Remouladensoße heißhungrig vertilgen.
„Ich gehe mal nach draußen. Vielleicht kann ich noch das eine oder andere Nordlicht einfangen“, sage ich um 22:00 Uhr. „Uuuahh“, gähnt Tanja schlaftrunken. „Du bist unermüdlich.“ „Hab zwar nicht wirklich Lust, aber vielleicht ist mir das Glück vergönnt was zu entdecken. Wie du weißt, ist jedes Polarlicht anders.“ Ein kühler Windstoß empfängt mich. Ich stelle die Kamera auf das Stativ und mache ein paar Aufnahmen von den beeindruckenden Bergen, die auf der gegenüberliegenden Seite des Fjords ihre rauen, felsigen Flanken im dunklen Wasser versenken. Das Scheinwerferlicht eines fernen Autos frisst sich durch die Dunkelheit. Es wandert an der Felsküste entlang, wird kurz von der Wasseroberfläche des Fjordes reflektiert, springt hoch in eine Felswand und verliert sich im Nichts. Über dem Fjord schimmern plötzlich ein paar Nordlichter durch die Wolken. „Da seid ihr ja“, freue ich mich, stelle die Kamera wieder auf Zeitraffer ein, um am Ende aus vielen Einzelaufnahmen einen Film der tanzenden Polarlichter schneiden zu können. Um mich aufzuwärmen, steige ich wieder in die Wohnkabine und vertreibe mir die Zeit, indem ich ein paar Seiten in meinem Wikingerbuch lese. 30 Minuten später gehe ich abermals in die mondlose Nacht. „Neiiiin! Das darf doch nicht wahr sein! So ein Scheiß!“, fluche ich laut. Eine Windböe hat offensichtlich das Stativ und Kamera erfasst. Sie liegt mit ausgeklapptem Monitor zwischen den kleinen Kieselsteinen im feuchten Sand. Sofort hebe ich sie auf, blase den Sand ab, führe sie ans Auge und drücke den Auslöser. „Das glaube ich nicht!“, rufe ich, weil sich nichts tut. Nervös schalte ich die Kamera aus und wieder ein, um sie somit eventuell zu resetten. Klick ertönt es. Nach einer weiteren Überprüfung scheint bis auf eine unschöne Schramme am Objektiv alles wieder zu funktionieren. Wieder in der Terra unterziehe ich die Kamera weiteren Tests. „Mist!“, wettere ich erneut ungehalten. „Was ist denn?“, fragt Tanja, die ich mit meiner Flucherei geweckt habe. „Das Objektiv hat einen Treffer abbekommen. Es klemmt manchmal“, sage ich und erzähle, was soeben geschehen ist. „Können wir noch fotografieren?“, fragt Tanja. „Das sollte gehen, außer dass der Autofokus des Objektives jetzt spinnt.“ „Zum Glück haben wir ja noch die Ersatzkamera.“ „Zum Glück. Dennoch, ich hätte die Kamera nicht alleine draußen lassen sollen.“ „Wenn es ein Windstoß war, wäre sie trotzdem umgefallen. Solche Dinge passieren. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wir können froh sein, dass sie überhaupt noch funktioniert. Jetzt komm ins Bett. Morgen ist ein neuer Tag. Da sieht alles wieder ganz anders aus“, findet sie die richtigen, tröstenden Worte…