Obligatorisches Lehrgeld
N 44'26'48.2'' E 026°03'41.6''Nach ca. 24 Stunden fährt der Zug in den schwer mitgenommenen Hauptbahnhof von Bukarest ein. Der Osten und seine Armut haben uns wieder. Obwohl die Eindrücke und die Atmosphäre nichts Neues für uns sind, sind wir überrascht. Der Wechsel zwischen Kulturen ist nach bald 25 Reisejahren noch immer gewöhnungsbedürftig. Wer weiß ob man sich je daran gewöhnen kann? Kommen wir doch aus einem reichen Land, ein Land in dem nahezu alle Häuser hübsch und gepflegt sind, einem Land in dem viele Menschen oftmals unseren Reichtum und die Schönheit nicht mehr erkennen. “Schau mal, da ist der Gepäckträger”, meint Tanja als wir unsere Ausrüstung vom Zug auf den Bahndamm geschlichtet haben. Ein kleines Schildchen auf seiner Brust zeigt, das der Gepäcktransport zum Taxi 2,5 Ron (ca. 80 Cent) kostet. Obwohl wir im Laufe unseres Reiselebens nicht die besten Erfahrungen mit Gepäckträgen gemacht haben, sage ich freudig: “Den nehmen wir.” Sofort schlichten wir die vielen Taschen und zwei Koffer auf den Gepäckwagen des strahlenden und freundlichen Servicemannes. Gut gelaunt bringt er uns zum Taxi. “Zum Hotel Orchidea fahre ich nicht mit dem Taxameter, das ist zu nah. Aber für 30 Ron (knapp 10 Euro) kein Problem”, lacht der Fahrer. Da wir uns nicht schon am Anfang unserer Reise mit den unverschämten Taxifahrern streiten wollen und unsere gute Laune viel zu wertvoll ist, um sie hier auf der Strecke zu lassen, handeln wir ihn auf 20 Ron herunter. “Okay”, geht er zu schnell auf den Betrag ein.
In der Zwischenzeit hat unser Gepäckträger die Ausrüstung in das Taxi geschlichtet. Er hält die Hand auf und grinst mich an: “20 Ron Sir.” Meine bis dahin schlafenden Gehirnzellen werden unsanft aus ihrer Müdigkeit gerissen. “Hast du das gehört Tanja? Er möchte doch glatt 7 Euro für die 200 Meter Gepäcktransport von uns.” Der bisher freundlich wirkende Mann verliert seine Heiterkeit und zeigt hektisch auf sein Brustschild. Mein erneuter Blick fällt auf die zweite klein geschriebene Zeile, “Pro Gepäckstück”. Mit den Kamerataschen sind es ohne Zweifel 8 Gepäckstücke die der gute Mann für uns transportiert hat. Um jeden Zweifel aus dem Weg zu gehen zaubert der Träger einen Quittungsblock aus seiner Tasche, reißt 8 Tickets ab und reicht sie mir. “Ich habe nichts von dem Geld, es gehört meinem Chef”, verstehen wir. “Willkommen in Rumänien”, fährt es mir mehr amüsiert als ärgerlich über die Lippen und gebe dem Mann seine 20 Ron. “Wenn ein Arzt in der Stunde ca. 2 Ron verdient muss dieser Herr ein echter Kapitalist sein”, meine ich noch und steige zu Tanja in das Taxi.
Nach ca. drei Minuten Fahrtzeit sind wir im Orchidea. Als Reiseprofis sind wir schon jetzt rekordverdächtig, haben wir doch innerhalb der ersten 10 Minuten in Bukarest anstatt 3,- 16,- Euro ausgegeben.
Im Hotel gibt es kein Doppelzimmer. “Sie hätten reservieren sollen”, meint die gelangweilte junge Dame an Rezeption, den Rauch einer Zigarette in die Luft blasend. “Haben sie ein Einzelzimmer?” “Haben wir.” “Kann ich es sehen?” “Können sie.” Nachdem wir 20 Minuten gewartet haben darf ich einen Blick in das Zimmer werfen. Es ist ohne Zweifel ein Doppelzimmer. Unsere gute Laune aufrechterhaltend checken wir ein. Wir genießen eine Dusche und freuen uns einfach wieder hier sein zu dürfen. Nach einer geglückten Rückenoperation wird man bescheiden und ehrlich gesagt betrachten Tanja und ich diese Tatsache als Geschenk Gottes.