Norwegen – Resümee – Teil 3
N 49°29’04.4’’ E 011°11’40.0’’Datum:
06.12.2020 bis 12.12.200
Tag: 126 – 132
Land:
Norwegen / Dänemark / Deutschland
Ort:
Schwaig bei Nürnberg
Kilometer:
2228 km
Gesamtkilometer bis Zuhause
11986 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Fähre von Kristiansand nach Dänemark
1
Brückenüberquerungen von Lillehammer nach Kristiansand
225
Tunneldurchfahrten von Lillehammer nach Kristiansand
69
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
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Nach knapp zwei Monaten durchfuhren wir einen Torbogen auf dem „Nord Norge“ geschrieben stand. Somit verließen wir die Provinz Trøndelag, um die Provinz Nordland zu erkunden in der die ursprünglichen Bewohner Norwegens zu Hause sind. Das Volk der Samen wurde bereits im 9. Jahrhundert von den Wikingern ausgeraubt, missbraucht und verfolgt und später im Mittelalter begannen, die damaligen nordeuropäischen Staaten Dänemark-Norwegen, Schweden-Finnland und Russland sie zu unterwerfen. Bis in die 1960 Jahre war es ihnen verboten ihre Sprache zu sprechen und erst im Jahre 2000 bekamen sie von der norwegischen Regierung eine kleine Entschädigung für all das Leid. „Überall auf der Welt werden und wurden Minderheiten unterdrückt“, geht es mir durch den Kopf.
Auch wenn wir unaufhörlich von der beeindruckenden Landschaft und Natur Norwegens positiv überrascht wurden, so erschreckte uns die jüngste Vergangenheit des Landes. So zum Beispiel, als wir von der Blutstraße erfuhren. Die Deutschen brachten während der Besatzung rund 100.000 sowjetische und jugoslawische Gefangene nach Norwegen und zwangen sie, an mehreren großen Infrastrukturprojekten dieser Art zu arbeiten. Viele von ihnen starben. Vielleicht war es nur Einbildung, aber wir hatten das Gefühl als läge über dieser Region eine kaum zu erklärende schwere Stimmung. Dann erreichten wir den Polarkreis. Was für ein erhabenes Gefühl das war, eine Wanderung am magischen Breitengrad „66°33’ N zu unternehmen. Am Polarkreiszentrum standen wir zu jener Jahreszeit vor geschlossenen Türen. Welcome back next summer stand auf einem weißen Stück Papier, das man hinter der gläsernen Eingangstür geklebt hatte. Dadurch, dass wir antizyklisch reisten, also nicht im Frühjahr oder Sommer, sondern dem Winter entgegen und weil die norwegische Grenze hinter uns für die meisten Besucher geschlossen war, hatten wir häufig das Gefühl die einzigen Ausländer zu sein. Egal wohin wir fuhren, wir waren fast immer allein. Das vermittelte uns als gehöre uns die Welt und machte nahezu jede Sehenswürdigkeit zu etwas ganz Besonderen. Vor allem wenn man bedenkt, dass in den Jahren vorher allein die Kreuzfahrtschiffe 6,3 Millionen Passagier pro Jahr ausgespuckt hatten und an den Flughäfen 40 Millionen ankommende und abfliegende Passagier gezählt wurden. Verblüffend. Für uns hingegen gab es nirgends Wartezeiten, alle Fähren waren leer oder nur wenig besetzt. So auch die Fähre die uns nach einem heftigen Sturm zu den Lofoten trug.
Ein besonderes Highlight war das Örtchen Å i am südlichen Ende der Inselgruppe Lofoten. „War doch großartig und fast ein bisschen unheimlich, als wir zwei durch das alte Fischerörtchen streiften, durch die betagten Bretterritzen spitzten und die norwegischen Nordlandboote, Ruder, Taue, Netze und all das andere historische Zeug erblickten. Weißt du noch, wie wir in die kleine Fischerhütte traten, in der es nach Fisch roch, so als würden die Bewohner gerade eine Fischsuppe auf dem Kanonenöfelchen kochen. Da lagen Wollhandschuhe, Emailteller, Tassen und Löffel auf einem Tisch herum, als hätte sie einer der Fischer dort gerade abgelegt.“
Verwundert das Ajaci nicht reagiert blicke ich nach unten. „Du schläfst ja! Langweile ich dich etwa?“ „Iiiuuhhii!“, antwortet er leise winselnd. „Soll ich weitererzählen?“ „Iiiuuhhii!“ „Na gut. Ich kann verstehen, dass dich die Vergangenheit des harten Fischerlebens nicht besonders interessieret, aber die Polarlichter waren doch der Hammer?“ „Wooouuuuiii!“ „Denke ich mir doch. Das war der Oberhammer wie wir nach einer berauschenden Fahrt über die wunderschönen Lofoten endlich die ersten Polarlichter entdeckten, wie die elektrisch geladenen Teilchen der Sonnenwinde, die mit Gasen der Erdatmosphäre in etwa 90 bis 150 Kilometer über unseren Köpfen zusammenstießen. Tanja war aus dem Häuschen, als
sie die sich ständig verändernden, weiß, grünlich und bläulichen Leuchtbänder und Schleier beobachtete, die sich von den dunklen Felsklippen im Nordmeer über die Bucht wölbten und auf der anderen Seite zwischen zwei kantigen Bergspitzen wieder verschwanden. Du hingegen, mein lieber Freund, hast lieber mit den ans Ufer platschenden Wellen gespielt. Na ja, kann ich dir nicht verdenken. Spielen steht bei dir an erster Stelle. Wenn ich Hund wäre, würde mir das auch besser gefallen als ein bunter Himmel.“ „Iiiuuhhii!“
Im Gedankenflug lande ich im 83 Meter langen Langhaus des Wikingerhäuptlings von Borg auf den Lofoten. Als wäre es erst gestern gewesen erinnere ich mich daran wie uns das warme, düstere Licht empfing. Wir hatten das Gefühl in einer Zeitmaschine ins Jahr 600 nach Christi geschleudert worden zu sein. Allseits baumelte der getrocknete Stockfisch von der Decke, über der großen Feuerstelle hingen Töpfe und über den Bänken lagen Rentier- und Rotwildfelle. In einem Abschnitt des Langhauses sahen wir historische Gewänder, Streitäxte, Schilde, Schwerter, Rüstungen und Helme mit Nasenschutz. Wir erfuhren von den dort lebenden Menschen, ihrer Lebensweise, ihren Raubzügen und Entbehrungen.
Dann lernten wir rein zufällig Laura und Mark kennen, die uns den Tipp gaben, zu der seit der Steinzeit bewohnten – Inselgruppe Vesterålen zu fahren, um dort mit viel Glück eine der letzten Walsafaris des Jahres zu ergattern. „Am nördlichen Ende der Inselgruppe liegt der Ort Andenes. Von dort hat man eine der besten Möglichkeiten, Pottwale zu sehen“, empfahl Laura. „Pottwale?“, fragte ich interessiert. „Ja Pottwale“, antwortet sie. „Wie weit sind die Inseln von hier?“, fragte ich höchst aufmerksam. „Vielleicht 250 oder 300 Kilometer“, schätzte Mark, worauf wir uns spontan auf den Weg machten und ein Abenteuer der Extraklasse erlebten. Vorher aber bestaunten Ajaci und ich den alten Leuchtturm von Andanes, der im Jahre 1831 erbaut wurde, weil in seinem Gewässer 30 Fischer ums Leben kamen. Bis 3:15 Uhr am Morgen strichen wir dann noch durch das Hafenviertel und erlebten eine unvergessliche Nacht. Wenige Stunden später stachen wir mit dem betagten Robbenjäger M / S Reine in das aufgewühlte Nordmeer und trotz meiner aufkommenden Seekrankheit bleibt mir der Anblick eines vielleicht 50 Tonnen schweren und 20 Meter langen Pottwals unauslöschlich in Erinnerung. Im dortigen Walmuseum erfuhren wir alles über Pottwale. Das man aus ihrem Walrat Kerzen, Hochdruck-Schmierstoffe, Hydraulikflüssigkeiten, Tinten, Reinigungsmittel, Kosmetika, Weichmacher und Gerbstoffe produzierte und aus ihrem Tran Seifen, Salben, Suppen, Farben, Gelatine oder Speisefette, auch Margarine sowie Schuh- und Lederpflegemittel gefertigt wurden und Walöl ursprünglich sogar nötig war, um Nitroglyzerin herzustellen. Das wundervolle Tier stand kurz vor der Ausrottung. Heute ist es unter anderem von der zunehmenden Verschmutzung der Meere bedroht…