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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Norwegen – Resümee – Teil 2

N 49°29’04.4’’ E 011°11’40.0’’
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    Datum:
    06.12.2020 bis 12.12.200

    Tag: 126 – 132

    Land:
    Norwegen / Dänemark / Deutschland

    Ort:
    Schwaig bei Nürnberg

    Kilometer:
    2228 km

    Gesamtkilometer bis Zuhause
    11986 km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Fähre von Kristiansand nach Dänemark
    1

    Brückenüberquerungen von Lillehammer nach Kristiansand
    225

    Tunneldurchfahrten von Lillehammer nach Kristiansand
    69

 

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

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„Dort sind wir alle drei in der Nordsee baden gegangen. Kannst Du dich daran erinnern?“, frage ich meinen Hund, der sich mittlerweile neben mich gelegt hat und nur kurz ein Auge öffnet. Ich blicke zur anderen Uferseite des Sees auf die vielen Lichter der Stadt und habe das Gefühl in der Zeit zu reisen. Dabei geht mir das Gespräch mit der norwegischen Weltumradlerin durch den Kopf die mich wegen der Beschriftung unserer Terra Love auf einem Parkplatz ansprach. „Die Chinesen behandeln die Uiguren wie Aussätzige, wie Abschaum oder besser gesagt als wären es Untermenschen. Ich habe in China den Glauben an die Menschheit nahezu verloren. Du kannst dir nicht vorstellen, was da abgeht. Die kontrollieren mit aller Macht ein ganzes Volk. Überall sind Überwachungskameras installiert“, erzählte sie recht aufgebracht. Nur eine Stunde später fanden wir einen Platz für die Nacht in einem Waldstück, wanderten über ein mit lilafarbenem Heidekraut bewachsenes Felsplateau, besuchten Gletschertöpfe, die mit fünf Meter Durchmesser und sechs Meter Tiefe die größten in Nordeuropa sind.

Unsere Reise war von Beginn an enorm abwechslungsreich. Kein Tag glich dem anderen und oftmals änderte sich unser Erlebnisbild sogar stündlich. Ich konzentriere mich, versuche mich der Reihe nach an alles zu erinnern was sich in mein Gehirn geprägt hat. Wie unangenehm war es wegen dem ungenügenden Datenvolumen einen Teil unserer Updates von teils schmutzigen Fast Food Restaurants senden zu müssen. Mit Unbehagen höre ich noch das elektronische Piepen, wenn die Küche signalisierte, dass wieder einer der Hamburger fertig war. Im Gegenzug dazu waren die Wanderungen durch eine atemberaubende Natur und die Besuche der vielen Leuchttürme an exponierten Küstenabschnitten ein wahres Highlight. Immer wieder sahen wir dort auch Überreste des berühmten Atlantikwalls, der die 3.400 Kilometer lange Seegrenze Norwegens vor der Invasion der Westalliierten schützen sollte. Die Betonbauten und vielen Informationstafeln erinnerten uns an die dunklen Zeiten des Zweiten Weltkrieges, als die Deutschen Norwegen besetzten.

Auf dem Parkplatz des Lista fyr lernten wir das junge Paar Rebbeca und Arne kennen, die uns augenblicklich sympathisch waren und uns zu sich nach Hause einluden. „Wir haben zwar nicht vor uns in Bergen aufzuhalten, aber wenn es die Zeit zulässt, kommen wir gerne“, antworteten wir und hofften auf ein Wiedersehen. Auf dem Weg in Richtung der Stadt Bergen folgten wir dem Tipp eines Reisenden auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke mit einer Fahrraddraisine unterwegs sein zu können. Kurz entschlossen fuhren wir zur Flekkefjordbahn und strampelten durch stilgelegte, tropfende dunkle Eisenbahntunnel, über Brücken entlang eines wunderbar gelegenen Sees und tiefen Abgründen. Wir ließen kaum eine Sehenswürdigkeit aus, weswegen wir viel Zeit in Südnorwegen verbrachten. Langsam bekamen wir Bedenken, unser eigentliches Ziel, das Nordkap überhaupt noch zu erreichen, bevor der norwegische Winter das Land erstarren ließ.

„Kannst du dich an den fliegenden Feuerlöscher erinnern?“, frage ich. „Wooouuuuiii!“, heult Ajaci. „Na so schlimm war es doch nicht. Er hat dich nur erschreckt als er aus dem Schrank gefallen ist. Du hast uns danach für mindestens 2000 Kilometer die Ohren voll geheult. Ich bin froh, dass du dich dann endlich wieder beruhigt hast“, sage ich seinen Kopf streichelnd. „Wooouuuuiii!“ „Was ist, willst du wieder zurück ins Mobil?“ „Wooouuuuiii!“ „Tanja ist mit dem Essen bestimmt noch nicht fertig. Lass uns noch ein wenig die einmalige Stimmung hier draußen genießen“, antworte ich, worauf er wieder seinen Kopf ablegt, und darauf wartet was mir zu unserer Reise noch alles einfällt. Wir besuchten die alten Holzhäuser von Helleren, die sich unter einem 60 Meter hohen Felsüberhang ducken in denen Einsiedler lebten. Sie waren allerdings nicht die ersten Bewohner, die den Überhang nutzten, denn Archäologen fanden Spuren aus der Altsteinzeit die darauf hinweisen das dort bereits vor einer Million Jahren Menschen lebten. Uns angeregt darüber unterhaltend mit unseren Vorfahren aus der Altsteinzeit konfrontiert worden zu sein, fuhren wir weiter und überwanden eine Passstraße, die wegen eines Fahrers, der sich kurz vorher mit seinem Pkw in den Tod gestürzt hatte, gesperrt war. Eine Mahnung daran auf diesen, teils schmalen Gebirgsstraßen höchst aufmerksam zu fahren. Wir schraubten uns bis auf 1000 Meter hoch, nächtigten zwischen Felsgiganten und wanderten zum berühmten Kjeragbolten, einem der gefährlichsten Foto-Hotspots der Welt. Ich denke daran wie mir die Angst in die Glieder fuhr als ich auf den fünf Kubikmeter kleinen runden Felsblock kletterte, der zwischen zwei Felswänden eingeklemmt 1084 Meter über dem Abgrund schwebt. Wie meine Muskeln begannen unkontrolliert zu zittern und Tanja ein Foto von der verrückten Szene schoss. Wenig später lagen wir an einer Felskante, von der sich angeblich schon über 53.000 Basejumber in die Tiefe gestürzt haben. Wir blickten auf den tausend Meter unter uns liegenden Lysefjord, als genau in jenem Augenblick ein Schiff sanfte Wellen hinter sich her zog die in langen Wogen an die Ufer schwappten. Der Anblick war fraglos einer der schönsten und spektakulärsten unseres gesamten Reiselebens. Auf dem Rückweg hatten wir uns verstiegen. Spalten, Abgründe und Gletscherzungen versperrten uns das Weiterkommen. Was für eine gefährliche Situation das war. „Da hatten wir echt Glück wieder den richtigen Weg zu finden“, stöhne ich, worauf mich Ajaci erneut angähnt. „Außer fliegende Feuerlöscher kann dich kaum was erschrecken was?“, sage ich ihn den Rücken streichelnd.

Mein Gedankenflug bringt mich zu Tanjas Geburtstag, den wir mit einer Wanderung zum Preikestolen verbrachten, dessen berühmte Felskante 604 Meter senkrecht in die Tiefe abfällt und zur kleinen Trollzunge, zu der wir am darauffolgenden Tag wanderten. Stundenlang blickten wir von dort oben über das endlos erscheinende Nordmeer und genossen den spektakulären Sonnenuntergang.

Wir hörten Geschichten und Erzählungen von Trollen und Fabelwesen bis wir glaubten in den dichten Wäldern selbst welche zu erkennen. Wir hatten unsere Herausforderung LPG-Tankstellen zu finden, um unseren Gastank zu befüllen und mussten deswegen so manchen Umweg in Kauf nehmen. Als ein zwei Wochen anhaltender Dauerregen das Land regelrecht ersäufte lernten wir Norwegen von einer anderen, für uns unangenehmen Seite kennen. Wir machten das Beste aus der Situation, verweilten an einem Ort, um unsere Schreibarbeit zu erledigen und als endlich wieder die Sonne zum Vorschein kam setzten wir unsere Reise fort. Wir durchquerten den Laerdaltunnel der mit seinen 24,51 Kilometer der längste Tunnel der Welt ist. Über zahllose Serpentinen arbeiteten wir uns in die schwindelnden Höhen. Auf einer Schotterpiste krochen wir im Schritttempo durch eine enge, nicht einsehbare Kurve die links und rechts von schroffen, abfallenden Felsen begrenzt wurde, als uns plötzlich ein Tesla entgegenschoss. Im Abstand von wenigen Zentimetern schlitterte er am Kühler der Terra vorbei. Wenige Augenblicke später raste ein zweiter Tesla durch die Kurve. Steine und Splitt knallten gegen die Windschutzscheibe. Auch er verfehlte uns nur knapp. Uns war bewusst von einem göttlichen Strahl geschützt gewesen zu sein. Wir bedankten uns bei den Schutzengeln und setzten unsere spannende Fahrt über das Gebirge fort.

Eine eindrucksvolle Aktion war die Überquerung des größten europäischen Festlandgletschers Jostedalsbreen mit unseren E-Bikes. Beeindruckend wie sich links und rechts von uns die Schnee- und Eisfelder in Felsspalten und überdimensional großen Mulden duckten und die imposanten rauen Berge deren vereiste Felszacken sich in trübe Wolken streckten die einen Sturm ankündigten.

Wir erklommen das Dalsnibba Bergmassiv, blickten von dort aus knapp 1500 Meter in den berühmten Geirangerfjord und genossen das letzte Tageslicht über den Trollstigen, der berühmtesten Passstraße Norwegens. Am nächsten Morgen wanderten wir über schmale Pfade und goldgelbe Flechten, die sich um grobe Felsen hangelten, zur gegenüberliegenden Seite der Adlerstraße. Aus dieser Perspektive erschien sie uns wie ein Pinselstrich eines japanischen Kalligrafen, der sich über das steilabfallende Felsmassiv zog. Norwegen offerierte uns unaufhörlich seine mannigfaltige großartige Natur, sodass wir nie aus dem Staunen kamen. Aber auch die Hilfsbereitschaft der Norweger begeisterte uns und ich denke an Øystein der den Bordcomputer unserer Terra Love resette. Als ich fragte was er dafür bekommt, sagte er: „Wie, was bekomme ich?“ „Na was bin ich dir schuldig?“, fragte ich. „Nichts. Ich habe euch sehr gerne geholfen. Es war mir eine große Freude, mit dir zu plaudern. Wir Offroadfahrer müssen uns doch gegenseitig helfen“, antwortete er lachend. „Verblüffend, dass es solch Hilfsbereitschaft auch in reichen Ländern gibt“, denke ich, da wir außerordentliche Hilfsbereitschaft oftmals in ärmeren Ländern erlebten…

 

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