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Russland/Timashevsk

Nebel und Trostlosigkeit

N 45°36'45.6'' E 038°57'31.4''

“Lass uns die Warnwesten anziehen”, schlägt Tanja vor, denn starker Nebel beeinträchtigt die Sicht. Wir stoppen und holen die orangefarbenen Westen aus der vorderen Tasche. Dann geht es bei durchschnittlichen zehn Meter unter den Meeresspiegel weiter. “Fühlt sich viel sicherer an”, ruft Tanja weil wir durch die Signalfarbe jetzt schon von weitem zu sehen sind. Lastwägen schleichen sich aus der Düsternis, werden lauter und lauter, um dann an uns vorbeizudonnern. Bis auf ganz wenige Ausnahmen überholen uns die Autos und Lastzüge mit großem Abstand, so dass wir uns kaum bedroht fühlen. Mit 18 Grad ist es ein verhältnismäßig kühler Morgen. Die hohe Luftfeuchtigkeit legt sich wie ein klammer Mantel um uns. Dann kommt leichter Wind auf. Natürlich von vorne. Der Nebel verzieht sich blitzartig als wäre er nie da gewesen. Die beeindruckende Schönheit der Küsten des Schwarzen Meeres und des Asowschen Meeres ist verschwunden. Planwirtschaft verschandelt hier das Erdenbild. Nichts mehr ist der Natur überlassen. Alles, aber auch alles ist auf dem Reisbrett mit dem Maßstab entworfen worden. Flüsse sind begradigt und kreuzen die ebenfalls kerzengerade Straße. Felder ziehen sich in einem kaum zu beschreibenden Ausmaß links und rechts der Straße entlang. Ab und an stehen ein paar Buchen wie die Zinnsoldaten vereinzelt zwischen den Äckern. Landmaschinen bearbeiten die malträtierte Erde. Die Ernten sind zum Großteil eingebracht. Immer wieder überholen uns Lastzüge deren Ladeflächen mit Äpfeln, Weißkohl, Zuckerrüben und anderen Agrarprodukten bis zum bersten vollgeladen sind. Manchmal drücken sich hunderte von Hühnern eng zusammen, um sich vor dem kalten Fahrtwind auf der Laderampe eines Kleinlasters zu schützen. Auch die rosafarbenen großen Ohren von Schweinen sehe ich im Wind an uns vorbeiflattern. “Arme Kreaturen”, denke ich laut und bin froh nicht ebenfalls auf einer der laut rumpelnden Ladeflächen dem kühlen Fahrtwind ausgesetzt zu sein nur um dann in einem der Schlachthäuser zu landen. Ist doch gut ein Mensch zu sein. Meistens zumindest.

Meine Oberschenkel bemühen sich redlich das Rad, den darauf sitzenden Körper und die Ausrüstung in den Wind zu treiben. Ich schwitze wie ein Hengst. Heute habe ich das Gefühl als würden die zwei stampfenden Kraftwerke unter mir bald platzen. Sie haben sich aufgebläht und senden unmissverständliche Signale an mein Gehirn. “Ruhe Mann! Gib uns mal wieder eine Pause!” “Würde ich ja gerne aber dafür benötigen wir einen geeigneten Platz”, antworte ich. “Egal, jeder Platz ist gut für uns wenn wir nicht ständig deinen Drahtesel treten müssen. Gönne uns mal eine kurze Pause”, widersprechen sie. Jetzt nach sieben Tagen im Sattel kann ich meine Beine verstehen. In der Stadt Timashevsk finden wir eine nette kleine Gastiniza. “Wäre doch ein guter Ort für deine Aufzeichnungen”, schlägt Tanja vor. Überrascht blicke ich sie an. “Haben sich deine Oberschenkel wohl auch beschwert?”, äußere ich mich lachend. Als wir fragen ob wir das Zimmer länger haben dürfen schüttelt die Frau am Empfang den Kopf. “Warum nicht?” “Wenn sie länger als zwei Nächte bleiben wollen müssen sie sich bei der Registrierungsbehörde melden.” “Registrierungsbehörde? Was ist denn das?”, frage ich verdutzt. “Sie finden das Amt in der Stadt. Bringen sie mir die Papiere und sie dürfen länger bleiben”, sagt die Frau, die in kleinen Glaskasten sitzt, recht streng. Tanja und blicken uns überrascht an. “Ob das in Russland so üblich ist das sich Reisende registrieren lassen müssen?”, wundere ich mich. “Wer weiß aber wir sollten es ausprobieren”, schlägt Tanja vor.

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