Moschna? Oder heute koche ich Pferd!
N 51°08'01.6'' E 071°28'44.6''Tag: 83
Sonnenaufgang:
05:50 Uhr
Sonnenuntergang:
20:40 Uhr
Gesamtkilometer:
9285.89 Km
Temperatur – Tag (Maximum):
38 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
20 °C
Breitengrad:
51°08’01.6“
Längengrad:
071°28’44.6“
Maximale Höhe:
338 m über dem Meer
Tanja
Die Zeit bei Gafur empfinde ich als sehr angenehm. Stellt man sich vor, dass wir völlig unangemeldet innerhalb von 20 Minuten nach dem Anruf seines Neffen bei ihm für eine ganze Woche eingezogen sind. Ich kann ganz klar sagen, bei Gafur handelt es sich um einen ausgesprochen höflichen und umgänglichen Mann.
Am ersten Abend hatte ich ihn gefragt ob ich seine Küche benutzen darf. Das Wort Moschna (darf ich) spielt hierbei eine entscheidende Rolle und ist ultimativ einsetzbar. Wegen fehlender Russisch Kenntnisse verwende ich teilweise nur das Wort und umschreibe alles andere was ich in diesem Moment ausdrücken möchte. Moschna entwickelt sich somit fast zum Zauberwort, so gut funktioniert die Kommunikation damit.
Für den Abend hatten wir mit Gafur verabredet, gemeinsam zu Essen. Er wollte noch auf einen Kindergeburtstag der Familie und um spätestens 17:00 Uhr zurück sein. Vormittags kommt er mit strahlendem Gesicht und dem Wort “Moschna” auf den Lippen in die Küche. In seinen Händen hält er ca. 3 Kilogramm Fleisch im ganzen Stück. “Moschna, Moschna”, (Dürfen, dürfen) ist meine Antwort als er mich erwartungsvoll ansieht.
Das einzig wirklich verlässliche bei Zeitangaben in Kasachstan ist, dass man sich nicht darauf verlassen kann. Es ist nach 18:00 Uhr. Gafur scheint auf der Party hängen geblieben zu sein und Denis bekommt Hunger. Ich begebe mich in die Küche und fange jetzt erst richtig an zu überlegen. “Was Gafur wohl mit seinem Moschna gemeint hat? Vielleicht sollte es heißen, darf ich heute Pferd für euch zubereiten? Oder. Hier ist ein schönes Stück Pferd. Würdest du es für uns heute Abend kochen?” “Moschna, Moschna”, geht es mir durch den Kopf und ich hole mal sicherheitshalber das Stück 3 Fleisch aus dem Kühlschrank, um es mir etwas genauer zu betrachten. Dass ich kein Fleisch esse, weiß Gafur. Auch hat er sich gewundert, dass wir ohne Fleischgenuss ja gar nicht ausgemergelt aussehen. Ich glaube, er macht sich ein wenig Sorge um Denis. Frei nach dem Motto: ”Ein Mann braucht Fleisch auf dem Teller und Pferd ist das Beste!”, erinnere ich mich an Gafurs Worte. Ich halte immer noch den Brocken Pferdeleiche in der Hand und mir wird’s gerade sehr unangenehm. Vor meinem inneren Auge sehe ich in großen Buchstaben die Überschrift eines Fernsehkochstudios. “Heute kochen ich Pferd!” Diese Kochsendungen sind hier genauso beliebt wie in Russland und Deutschland und wahrscheinlich weltweit. Ich führe meine Gedanken weiter und frage mich selbst wo eigentlich das Problem liegt, ob es nun Rind oder Geflügel ist oder eben Pferd? Tot ist Tot und es wäre nicht das erste Mal, dass ich Fleisch zubereite. Kurz ziehe ich noch in Erwägung meine Schwiegermama in Deutschland anzurufen: ”Brigitte wie kocht man eigentlich Pferd?” Verwerfe diesen Gedanken aber wieder und hole stattdessen Denis zur Beratung. “Das Fett musst du auf jeden Fall wegschneiden”, meint er fachmännisch. “Ich glaube das wäre ein böser Fehler”, entgegne ich, da die Kasachen Fett lieben. Als ich Denis frage ob er vielleicht das Fleisch schneiden möchte, wirkt er nicht wirklich begeistert und voller Tatendrang und ist dann auch relativ schnell und unauffällig aus der Küche entschwunden. Mittlerweile ist es 18:30 Uhr und irgendwie lege ich mir gerade eine super Ausrede parat. Gafur hat bestimmt keinen Hunger mehr wenn er von der Geburtstagsfeier nach Hause kommt. Falls ja, kann er sein Pferd selbst zubereiten. In der Zwischenzeit kümmere ich mich um einen Kartoffel-Gemüse-Topf und bereite einen Salat. Gedacht, getan und die Tüte mit dem Pferdefleisch wandert wieder in den Kühlschrank.