Mit dem Wohnmobil durch die Sahara
N 27°11'31.5" W 013°23'13.6"Tag: 23.01.2024
Tag: 417
Camp 74
Land: Marokko
Ort: El Ajun
Breitengrad N: 27°11’31.5″
Längengrad W: 013°23’13.6″
Tageskilometer: 586 km
Gesamtkilometer: 11.143 km
Höhe: 5 Meter
Temperatur Tag max: 24°
Temperatur Nacht: 15 °
Aufbruch: 8:50 Uhr
Ankunft: 18:30 Uhr
Fahrzeit: 9:40 Std.
Die ersten Sonnenstrahlen durchdringen die morgendliche Luft, die von feinem Saharasand erfüllt ist. Ich drehe den Zündschlüssel nach rechts, und der Motor unseres Terra Love erwacht mit einem satten Brummen zum Leben. Tanja, wie immer, wenn wir einen Ort verlassen, läuft einmal um den Terra und signalisiert mit einem Daumen nach oben, dass alle Luken, Klappen und Fenster geschlossen sind. „Los geht’s!“, rufe ich gut gelaunt aus, freuend auf die bevorstehende knapp 600 Kilometer lange Tagesetappe durch die Westsahara.
„Wie wunderschön“, sagt Tanja, als wir dem goldenen, zarten Sonnenball entgegenfahren, der zu dieser frühen Stunde verletzlich aussieht. Das Erleben des Sonnenaufgangs in der Wüste ist eine unvergessliche Erfahrung voller Schönheit und Ruhe. Die Stille und Einsamkeit ermöglichen es uns, uns eins mit der Natur und dem Universum zu fühlen. Während die Sonne langsam den Horizont erklimmt, erleben wir die faszinierenden Veränderungen des Lichts, die den Himmel und die Landschaft in leuchtende Farben tauchen. Für uns ist dies ein Moment der Freiheit und des Abenteuers, der unsere Herzen mit einem Gefühl von Neuanfang erfüllt.
Wir folgen dem Asphaltstreifen, der sich wie ein dunkles Band über den hellen Wüstensand legt und es uns überhaupt erst ermöglicht, die Sahara zu durchqueren, die auch als die Wüste der Wüsten bezeichnet wird.
„Dort ist eine Tankstelle“, sagt Tanja und deutet auf ein paar wie zufällig hingeworfene Gebäude. „Super“, antworte ich, den Blinker setzend. Mit unserem 200-Liter-Tank und den beiden zusätzlichen 20-Liter-Reservekanistern an der Rückwand des Terra Love haben wir eine Reichweite von etwa 1600 Kilometern. Dank dieser Ausstattung mussten wir während unserer Fahrt durch Mauretanien nicht tanken, was uns sehr gelegen kam, da der Diesel dort teurer ist und nicht immer von guter Qualität. Jetzt aber sind die Tanks leer, weshalb wir die Tankstelle kurz hinter der Daklah-Lagune ansteuern.
Nachdem unsere Visa für Marokko vor zwei Monaten abgelaufen waren, entschieden wir uns, nach Mauretanien zu fahren, um dort einige Zeit zu verbringen. Wir planten, nach Marokko zurückzukehren, um den Süden des Landes zu bereisen und Verbesserungen an unserem Terra Love vorzunehmen, bevor wir erneut die gleiche Strecke nach Mauretanien zurückfahren, um unsere Reise bis nach Südafrika fortzusetzen. Das ist der Grund, warum wir jetzt wieder in Richtung Norden unterwegs sind.
Auf der N1 setzen wir unsere Reise fort, während sich die umliegende Wüstenlandschaft kaum verändert. Tanja und ich wechseln uns regelmäßig am Steuer ab, um sicher durch das endlose Meer aus Sand zu navigieren und trotz starken Windes und Sandverwehungen gut voranzukommen. Unsere Stimmung ist gut, und obwohl wir die Strecke bereits kennen, war es spannender, als wir das erste Mal die Westsahara in Richtung Mauretanien durchquerten. Zu diesem Zeitpunkt war alles noch neu und unbekannt für uns. Wir waren uns sogar unsicher, ob wir durch die Westsahara bis nach Mauretanien fahren sollten, da diese Region seit 1975 Gegenstand eines politischen Konflikts ist, der bisher vielleicht zehntausende von Todesopfern gefordert hat. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Für Reisende und Touristen gilt es derzeit jedoch als ungefährlich, durch diesen Wüstenabschnitt zu fahren, zumindest entspricht das unserer Erfahrung und persönlichen Meinung. Dennoch ist es vor Reiseantritt wichtig, die politische Situation im Auge zu behalten.
Auf der insgesamt 1.200 Kilometer langen Wüstenstrecke werden wir immer wieder von Sandstürmen überrascht. Der Wind ist so stark, dass Tanja oder ich, je nachdem wer gerade hinterm Steuer sitzt, das Lenkrad kräftig festhalten müssen, um zu verhindern, dass unsere Terra Love von der Fahrbahn gedrückt wird. Die Sandstürme der Sahara, auch als „Harmattan“ bekannt, sind ein faszinierendes meteorologisches Phänomen, das regelmäßig in der Region Nordafrikas auftritt. Diese Stürme entstehen durch trockene, staubige Winde, die vom Sahara-Wüstengebiet in Richtung Westen wehen. Sie transportieren riesige Mengen feinen Sandes und Staubes, oft über weite Strecken hinweg. Die Ausmaße dieser Stürme können immens sein und sogar den Atlantik überqueren. Der mitgeführte Staub kann die Sicht stark beeinträchtigen und zu extremen Wetterbedingungen führen. Die Sandstürme der Sahara haben nicht nur lokale Auswirkungen, sondern beeinflussen auch das globale Klima. Der durch die Stürme transportierte Staub kann in die Atmosphäre gelangen und die Wolkenbildung sowie die Reflektion des Sonnenlichts beeinflussen, was wiederum Auswirkungen auf das Klima in verschiedenen Regionen haben kann.
In den letzten Wochen litt ich unter einer Magen-Darm-Erkrankung und einer Augenentzündung. Beides ist auf den feinen Sand zurückzuführen, der in der Luft umherwirbelt. Beim Streifen über den Boden nimmt der Sand unzählige Bakterien auf, die beim Einatmen in die Atemwege gelangen und Krankheiten verursachen können.
Während wir durch diese lebensfeindliche Region fahren, kommen mir die Kamelkarawanen in den Sinn, die einst durch die Sahara zogen. Sie bildeten das Herzstück eines faszinierenden Handelsnetzwerks, das Güter zwischen den Regionen Nordafrikas und darüber hinaus transportierte. Hunderte von Kamelen, geleitet von erfahrenen Karawanenführern, durchquerten die endlosen Sanddünen, um Waren wie Gold, Salz und Gewürze zu befördern. Diese epischen Reisen waren nicht nur logistische Meisterleistungen, sondern auch kulturelle Begegnungen, die Ideen, Sprachen und Religionen von einem Ende der Sahara zum anderen trugen. Die Karawanen trotzen den unerbittlichen Herausforderungen der Wüste – von Hitze und Sandstürmen bis hin zur Gefahr von Durst und Raubüberfällen. Die Geschichten der Kamelkarawanen sind voller Abenteuer, Mut und Entdeckungen und haben einen tiefen historischen und kulturellen Einfluss hinterlassen.
„Wow!“, rufe ich aus, als sich links und rechts des vom Sand überlagerten Asphaltstreifens riesige Windräder erheben. Wie kämpfende riesige Monster schwingen sie ihre gigantischen Rotoren durch die von feinem Staub geschwängerte Luft und geben bedrohlich wirkende, surrende Geräusche von sich. Die Westsahara birgt aufgrund ihrer ausgedehnten Wüstenlandschaft und der starken, konstanten Winde ein beträchtliches Potenzial für die Nutzung von Windenergie. Diese stellt nicht nur eine saubere und erneuerbare Energiequelle dar, sondern trägt auch maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung bei, indem sie Arbeitsplätze schafft und die Energieversorgungssicherheit verbessert. Die Nutzung von Windenergie in der Westsahara spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und trägt zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bei.
Das Tochterunternehmen Siemens Gamesa Renewable Energy hat 87 Windräder für den Windpark Boujdour in der Westsahara geliefert. Dieser verfügt über eine Gesamtkapazität von 301 MW und ermöglicht eine jährliche Stromerzeugung von 1.590 GWh. Dadurch wird eine Emissionsreduzierung von 1.145.000 Tonnen CO2 pro Jahr erreicht. Es handelt sich bereits um den fünften Windpark, der unter Beteiligung von Siemens in Zusammenarbeit mit der marokkanischen Regierung errichtet wurde. Diese Windparks versorgen auch die vom marokkanischen Staat betriebene Phosphatmine in der Westsahara mit Strom.
Es ist 18:30 Uhr, als wir nach 586 Kilometern und 10 Stunden Fahrt unser heutiges Etappenziel erreichen. Etwa 24 Kilometer vor der Stadt El Aaiun am Plage de Laayoune steuern wir einen Stellplatz an, der von der Gemeinde für Wohnmobilisten bereitgestellt wird. Als wir vor etwa 2 Monaten auf unserer Reise in Richtung Mauretanien hier verweilten, waren wir die einzigen Camper. Jetzt ist er fast voll, und wir sind froh, noch einen Platz für die Nacht zu finden. Kaum haben wir unsere Terra Love geparkt, machen wir uns auf, um einen Spaziergang am Plage de Laayoune, auch bekannt als Strand von Laayoune, zu unternehmen. Die Sonne senkt sich langsam dem Horizont zu, während wir Hand in Hand über den goldenen Sand schlendern und das beruhigende Rauschen der Wellen genießen. Es ist ein friedlicher Abend, und der Sandsturm, der uns tagsüber das Fahren erschwerte, hat sich gelegt. Der Strand ist menschenleer, was uns das Gefühl von Intimität und Freiheit gibt.
Der Strand bei Laayoune erstreckt sich entlang der Atlantikküste und beeindruckt mit goldenem Sand und klarem, blauem Wasser. Bei günstigen Bedingungen eignet er sich wie viele Strände entlang der Westküste auch für Wassersportarten wie Surfen und Kitesurfen. Es ist ein wunderschöner, abgeschiedener Strand, den auch die Einheimischen gerne zum Sonnenbaden und Schwimmen nutzen. Wir lassen den Tag Revue passieren, sprechen über unsere weitere Reise, lauschen dem sanften Rauschen der Wellen und machen dabei einige Fotos, um diese besonderen Momente festzuhalten. Als die Dunkelheit langsam über das Meer zieht und der sandhaltige Wind aus der Wüste wieder an Kraft gewinnt, machen wir uns langsam auf den Rückweg zu unserem Expeditionsmobil.
Hier ist der Link zum Video: