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Ukraine/Armiansk

Mit dem Rad auf der Autobahn

N 46°06'516'' E 033°41'23.4

Laut Karte führt nur eine Autobahn aus der Stadt. Etwas nervös, da ja Radfahrer dort nichts verloren haben, nähern wir uns dieser Herausforderung. Tatsächlich weisen die Straßenschilder auf eine noch größere Schnellstraße hin. “Wollen wir dort wirklich drauf?”, fragt Tanja etwas nervös. “Ob wir wollen oder nicht. Dies ist die einzige Straße, um die Stadt zu verlassen. Wir haben gar keine andere Chance”, entgegne ich. Wir strampeln die Auffahrt hoch und ziehen sogleich auf den gut ausgebauten Seitenstreifen hinüber. Die Autos rasen an uns vorbei. Da der Seitenstreifen aber gut ausgebaut ist besitzen wir somit eine eigene Spur und kommen unbehelligt und viel sicherer als auf der Bundesstraße voran. Dann geht es wieder über eine der vielen Meereszungen. Ein Schild verbietet jeglichen Verkehr unter fünf Stundenkilometer Geschwindigkeit. “Wir sind viel schneller”, rufe ich das Verbotsschild ignorierend und treten unsere Rösser auf die breite Brücke. Wieder stehen Angler am Geländer und halten ihre Routen ins Wasser. Auch sie vernachlässigten anscheinend das Verbotsschild, denn einige sind mit ihren alten klapprigen Fahrrädern hier und haben sie gegen das Geländer gelehnt. Auf der anderen Seite der Brücke wird aus der Autobahn urplötzlich eine ganz normale Straße ohne jeglichen Seitenstreifen. Verkaufsstände säumen immer wieder die Verkehrsader. Angeboten werden Früchte der Saison, wie zum Beispiel Melonen, Pfirsiche, Birnen, Äpfel, Kartoffeln, Zwiebel und Paprika. Manche Familien bieten selbst geschleuderten Honig und selbst gebrannten Schnaps an. Auch getrockneter Fisch hängt am Haken.

Mittags legen wir eine Rast ein. Es gibt keinen Platz, um sich irgendwohin zu setzen. Wir nutzen meinen Anhänger mit der Zargesbox als Tisch und stärken uns mit frischem Weißbrot, Käse und Tomaten.

“Denis! Hörst du auch das Surren?”, ruft Tanja hinter mir. “Was für ein Surren denn?” Na das Surren eben.” “Nö, höre ich nicht”, antworte ich und lasse meinen Bock wegen dem Rückenwind mit 25 Stundenkilometer über das Erdpech fliegen. “Also, ich weiß nicht? Ich bin fix und fertig. Kann die Geschwindigkeit nicht halten. Irgendetwas scheint mich heute zu bremsen”, ruft Tanja wieder. “Kann doch nicht sein? Der Rückenwind ist doch fantastisch”, entgegne ich. “Trotzdem. Als hätte ich Blei in den Knochen. Vielleicht stimmt mit meinem Rad was nicht?” “Na lass uns mal anhalten. Ich sehe es mir mal an”, entgegne ich und bremse. Tanja und ich wechseln die Räder. Ich schwinge mich auf ihren Sattel und ziehe eine Testrunde. “Da! Die Tasche auf dem Hänger schleift am Hinterreifen!”, ruft Tanja als sie mich vorbeiziehen sieht. Tatsächlich hat sich die Ortliebtasche verschoben. Der Verschlussriemen hat durch das Schleifen Schaden genommen. Wir befestigen die Tasche erneut und brausen diesmal ungebremst mit dem Wind weiter. “Und wie läufts?”, frag ich. “Ach ein Traum. Wie von selbst. Brauch fast nicht treten”, lacht Tanja hinter mir.

Der erste DauerregenAm heutigen Tag ist die Sonne seit langem mal wieder von einer dunklen Wolkenschicht verdeckt. Die Temperatur ist wieder drastisch gefallen. Für uns ist es eine Erleichterung ohne diese ständige Hitze radeln zu dürfen. Doch hält der Spaß nicht lange an. Vor uns zucken wilde Blitze übers Firmament. Tiefes Donnergrollen nähert sich rasant schnell. Dann beginnt es langsam zu regnen. Wir halten am Straßenrand und ziehen uns die komplette Regenbekleidung über. Gerade noch rechtzeitig, denn plötzlich öffnet der Himmel seine Pforten und setzt das Land unter Wasser. Wir schalten die Beleuchtung unserer riese und müller an, um vom Verkehr besser gesehen zu werden. Die Reifen der Autos und Lastwägen fressen sich jetzt mit einem scharfen Zischlaut an uns vorbei. Sie bespritzen uns von vorn und hinten, wenn sie durch die großen Pfützen oder Wasserflächen schießen. Nebel kommt auf und man könnte meinen es beginnt am helligen Tag zu dämmern. Wir lassen das große Werbeschild der Insel Krim neben uns liegen. Dann kommt ein Grenzposten. Die Krim gehört zwar offiziell zur Ukraine, verwaltet sich aber mit einem eigenen Präsidenten selbst. Der Posten winkt uns bei dem starken Regen nur freundlich zu und so erreichen wir die Randbereich der beliebten Urlaubshalbinsel. Als das Ortschild der Stadt Armiansk auftaucht entscheiden wir uns den Tag abzubrechen. Trotz Radkleidung völlig durchnässt checken wir in das einzige örtliche Hotel ein. Ein echter Ostblockbunker wie er im Buche steht. Ich betrete den von der Zeit schwer angenagten superhässlichen Plattenbau und lasse mir das Zimmer zeigen. “Und?”, fragt Tanja die draußen während dessen gewartet hat. “Doppel-Ostblock-Deluxe-Version”, antworte ich lachend. Wir dürfen die Räder im ersten Stock tragen und in die Küche stellen. Der Rest der Ausrüstung inklusive unserer Anhänger finden im Wohnzimmer des Deluxe-Apartment platz. Mittlerweile sind wir die alten Teppichböden, die leeren alten Schränke, Tische, Stühle, die defekten Beleuchtungen mit nur einer armseligen Glühbirne, durchgesessene Sofas, die uralten Duschen und Toiletten aus einer vergangenen Zeit gewohnt. Uns stören nicht mehr die defekten Fenster und Türen die sich kaum schließen lassen und sind über ein sauber bezogenes Bett, auch wenn die Matratzen manchmal aus einer Holzplatte bestehen, froh. Hauptsache dem kalten Regen entkommen und einen sicheren Platz für die Nacht. Das ist es worauf es ankommt.

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