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Rumänien/Albatros

Mann in Weiß

N 44°09'25.2'' E 027°19'05,8''

Nach einer Nacht in schönen sauberen Betten wachen wir erholt und energiegeladen auf. Mit dem Aufzug bringen wir unsere Ausrüstung in die Empfangshalle, machen unsere Bikes startklar und tragen sie die große Treppe zur Straße hinunter als Tanja von einer Frau und einem Mann angesprochen wird. Sie sind vom örtlichen Fernsehen und wollten im Hotel gerade Frühstücken gehen. Durch unsere Outfits fallen wir auf, weshalb sie Tanja fragen woher wir kommen und wohin wir gehen. “Das klingt ja sehr interessant. Wir würden gerne ein Interview mit ihnen machen. Wenn sie auf uns warten wollen? Wir holen schnell einen Kameramann und einen Redakteur aus dem Sender”, sagen sie. Wir warten, nutzen die Zeit um unsere Roadtrains fertig zu beladen. Als der Redakteur 10 Minuten später auftaucht berichten wir von unserer großen Reise, von Mutter Erde und das wir sie schützen müssen. Wir sprechen auch über den Müll und davon, dass jeder dazu beitragen kann die Gesamtsituation wesentlich zu verbessern. Auch die Gastfreundschaft in Rumänien ist ein Thema, weshalb wir uns auf diese Weise öffentlich bei unserem Gastgeberland bedanken können. Am Ende drücken wir dem freundlichen Kameramann unsere Filmkamera in die Hand damit wir beide Mal zusammen auf den Film zu sehen sind. Dann radeln wir guten Mutes los. Wir überqueren eine große Brücke über einen Seitenarm der Donau und freuen uns über unsere Fitness. Das Training in Deutschland hat sich gelohnt. Ein teures Allradfahrzeug überholt uns. Die Insassen winken uns zu. Wir winken zurück. Wenige Minuten später steht am Straßenrand plötzlich ein in weiß gekleideter Mann. Er stoppt uns höflich und sagt in gebrochenem Englisch das uns sein Chef gerne für ein bis zwei Nächte kostenlos einladen möchte. “Wohin einladen?”, möchte ich wissen. Der freundliche Mann in seinem gestärkten Hemd deutet auf ein hinter Bäumen verstecktes ansehnliches Hotel. Tanja und ich sind überwältigt. Gerne würden wir bleiben denn das Hotel Albatros sieht wirklich sehr einladend aus. Leider haben wir erst fünf Kilometer hinter uns und müssen noch mindestens 50 schaffen. Müssen? Wer sagt das? Tanja und ich sehen uns wieder an. “Für einen Kaffee”, sage ich. Wir lassen die Räder zum Hotel rollen. Der Chef drückt uns die Hand und reicht uns ein Handy. Am anderen Ende der Leitung spricht eine nette Österreicherin. Mein Freund Bebe würde sie sehr gerne für ein oder zwei Tage verwöhnen. Er hat großen Respekt vor Langstreckenradfahrern wie ihnen.” “Das ist unglaublich nett von ihm. Aber leider sind wir erst vor 20 Minuten aufgebrochen. Wir wollen heute noch ein paar Stunden unterwegs sein bis wir uns eine Rast verdient haben. Sagen sie ihm bitte tausend Dank und das wir gerne einen Kaffee trinken und dann weiterfahren”, antworte ich. Bebe, der Chef, lächelt uns an. Seine Kellner bieten uns einen Platz im Schatten an. Kaum sitzen wir, dampft je eine herrliche Tasse türkischer Kaffee vor uns. Zwei Mineralwasserflaschen werden dazu gestellt. “Lassen sie es sich schmecken”, sagt eine Stimme auf Englisch. Eine Frau spricht uns im perfekten Deutsch an. Sie ist in Rumänien geboren, in Deutschland aufgewachsen und lebt mit ihrem Mann auf Teneriffa. “Ich finde ja toll was sie machen. Bleiben sie doch noch ein wenig. Bebe ist ein hervorragender Gastgeber. Ich komme schon seit Jahren hierher um einen Teil meines Urlaubes hier zu verbringen. Es ist eine wunderschöne Hotelanlage direkt an der Donau. Sie können hier baden, obwohl das Wasser nicht sehr sauber ist. Aber es ist ein Ort der Ruhe. Die Zimmer sind schön, sauber und das Essen ist sehr gut. Also ich an ihrer Stelle würde bleiben. So eine Einladung bekommt man doch nicht alle Tage”, plaudert sie freundlich und bietet uns bei den geringsten Problemen ihre großzügige Hilfe an. Wieder kreuzen sich Tanjas und mein Blick. “Eigentlich könnte ich auch hier mein erstes Update für die Webseite schreiben. Ob ich jetzt am Schwarzen Meer oder hier in die Tasten haue ist doch egal”, sinniere ich laut. “Bin deiner Meinung Schnecke. Dieser Ort hat eine gute Atmosphäre.” “Meinst du wirklich wir sollen bleiben? Wenn wir so weiter machen kommen wir kaum voran”, zweifle ich. “Hör auf dein Gefühl. Was sagt es?”, fragt Tanja. “Ach mein Gefühl. Als könnte ich es einfach so fragen und es würde mir einfach so antworten. Wenn es nur so wäre”, entgegne ich. “Ist doch immer das Gleiche Schnecke. Geh mal in dich und wenn du meinst wir sollen weiterfahren, fahren wir eben weiter. Ich bin aber auch gerne bereit mit dir hier zu bleiben”, erleichtert sie meine Entscheidung. Inzwischen steht die zweite Tasse türkischer Kaffe vor uns. Ich sehe mich um, blicke auf die Räder und lausche auf mein Gefühl. Mutter Erde ist stumm, so glaube ich zumindest. “Na ja, man kann nicht bei jeder Kleinigkeit die große Mama fragen und auf eine Antwort hoffen. Das wäre letztendlich ganz schön unmündig”, geht es mir durch den Kopf. Da ich unter keinen Umständen unmündig sein möchte sehe ich Tanja an und sage: “Wir bleiben.” Sofort verspüre ich ein Gefühl der Erleichterung in mir aufkommen und weiß, dass dies die richtige Entscheidung ist. Zwei Männer von Bebes Personal geleiten uns und unsere Räder in einen Schuppen der wie Ford Knox abgeriegelt ist. Eiserne Stangen vergittern die Fenster und die Stahltür ist mit einem fetten Schloss verriegelt. Wir rollen unsere riese und müller mit Anhänger in die Halle. Überall liegen zerlegt Außenbordmotoren herum. Gutes Werkzeug, und vieles mehr. “Hier sind eure Räder sicher”, sagt einer unserer Begleiter lächelnd. “Sieht so aus”, antworte ich.

Dann führt man uns in unser Zimmer. Es ist tatsächlich sehr sauber und groß. Es besitzt sogar einen ersten Stock in dem die Betten stehen. Die Klimaanlage kühlt die Räume auf angenehme Temperaturen. “Hier ist ein guter Ort zum schreiben”, freue ich mich. “In der Zwischenzeit mache ich mein Yoga, kann meditieren und mich weiter ausruhen”, lächelt Tanja. Ich schnappe mir gleich meinen Itronix Laptop und begebe mich auf die Terrasse. Kaum sitze ich bringt mir ein Kellner die Speisekarte. “Suchen sie sich etwas aus. Sie sind unser Gast”, freut sich mein Magen. Irgendwie ist das Ganze hier bald zu schön um wahr zu sein. Doch… Es ist wahr. Ich träume nicht, sondern bin putz munter. “Eine tolle Reise”, flüstere ich und lasse meinen Finger über die Karte gleiten. Bis das Essen kommt schaffe ich erstmal Struktur in meine Kurzaufzeichnungen. Ich überprüfe die gesammelten Koordinaten, Daten und so weiter. Dann kommt auch schon mein Hühnchen in Weinsoße. Es schmeckt natürlich umwerfend. Wie könnte es hier auch anders sein. “Darf es noch ein Kaffee sein?”, fragt der nette Kellner. “Gerne”, antworte ich und bekomme fast ein schlechtes Gewissen. Will ja nicht als Schmarotzer erscheinen. Aber, Tatsache ist ja das wir eingeladen sind. Um wirklich sicher zu gehen frage ich am Schluss nach der Rechnung. “Nein, nein Sir, bitte nicht bezahlen. Unser Chef möchte, dass sie sich bei uns wirklich wohl fühlen. “Was man nicht alles erlebt”, geht es mir wieder durchs Gehirn. Wer hätte das gedacht das Rumänien so ein unvergessliches Land für mich wird. Wollten wir doch ursprünglich nur mal schnell durchradeln.

Ich nutze den Nachmittag und schreibe ein paar Erlebnisse. Bis eine hübsche junge Frau mich fragt ob wir mit ihrem Chef einen Ausflug auf der Donau machen möchten. Jetzt wirklich verlegen sehe ich sie an. “Wie meinen sie das?”, frage ich etwas unsicher. Na mein Chef würde ihnen und ihrer Frau gerne Mal die Donau und die nähere Gegend zeigen. Er würde sie gerne auf seiner bescheidenen Yacht einladen wollen.” “Gerne”, antworte ich etwas stotternd, packe meinen Laptop zusammen und berichte Tanja davon.

Um 17:00 Uhr werden wir von einem Fahrer in einem fetten Range Rover an die Donau gebracht. Dicke Wolken hängen über dem Land und versprechen ein heftiges Gewitter. Erst vor wenigen Minuten habe ich eine Dame am Empfang gefragt ob es bald regnen wird und wir die Bootsfahrt vielleicht auf morgen verschieben sollten. “Ach was”, hat sie gesagt. “Bei uns regnet es nie. Wenn dann nur ein bis zweimal in der Woche.” Wenn ich jetzt in den Himmel blicke bin ich mir sicher heute den einen oder zweiten Tag erwischt zu haben. Aber egal. Mal sehen was geschieht. Der Fahrer hält vor einer Art Haus- oder Partyboot. Es ist groß und hat bestimmt für 100 Gäste Platz. Wir werden in den ersten Stock gebracht als sich der Himmel über uns stülpt und Sturzbäche auf die Landschaft nieder schleudert. Es blitzt und donnert was das Zeug hält. “Hier regnet es nie!”, sage ich zum Scherz. Zur Antwort Kracht es unmittelbar neben dem Luxusboot derart das man glauben könnte die Erde tut sich auf. Von unserem sicheren Ort können wir das Inferno beobachten und sind froh nicht gerade jetzt mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Nach einer halben Stunde ist der Spuk zu Ende. Bebe kommt vorbei. Begrüßt uns und winkt uns wortlos auf eine kleinere Yacht die am Hausboot festgebunden ist. Zwei Helfer binden das Boot los und schon schippern wir in Richtung bulgarische Grenze los. Die Stimmung nach dem Gewitter ist fantastisch. Die Luft ist rein gewaschen und die Sicht glasklar. Bebe schaltet den CD-Player an, köpft zwei Flaschen Champagner, schenkt uns lächelnd die Becher voll und beginnt in gebrochenem Englisch mit uns zu reden. “Da drüben ist Silistra”, verstehen wir. Die bulgarische Grenzstadt wirkt mit ihren hohen Häusern eher abstoßend aber interessant. Es geht vorbei an mit Bäumen zugewachsenen Ufern. Wir begegnen armen Fischern die ihre Angeln auswerfen. Sehen rumänische Touristen die an den einsamen Stränden ihre Zelte aufgebaut haben und den Abend mit ein paar Bier und Grillfleisch feiern.

Bebe stoppt mitten auf der Donau seine Ausflugsyacht und stellt den Motor ab. Das Wasser plätschert sanft an den Bug. Vögel zwitschern. Ein Schlepper tuckert gemütlich vorbei. Aus dem CD-Player trällert leise das Titanic-Lied. Idylle pur. Als Radfahrer sitzen wir nun ganz unverhofft auf der Donau, eingeladen von einem Millionär, trinken Champagner, hören Musik und genießen Romantik bis zum Anschlag. Wer hätte das gedacht? Wie auch immer man das betrachten möchte, für uns ist dieser Moment ein Geschenk von Mutter Erde. Ein Geschenk dafür, dass ich auf mein Gefühl gehört habe. Wären wir weitergefahren hätten wir etwas verpasst, daran gibt es keinen Zweifel.

Bebe zückt sein Handy. Er spricht. Dann reicht er es mir. “Bebe möchte wissen ob sie den Abend genießen. Er möchte wissen ob es ihnen gut geht und gefällt?”, fragt die Stimme der Deutschrumänin aus dem Hotel. “Aber ja. Es gefällt uns sehr gut. Fantastisch sogar”, antworte ich. “Bebe möchte wissen ob sie Lust haben auf dem Wasser zu essen. Er würde gerne einen Kurier mit dem Abendessen für sie kommen lassen”, glaube ich nicht richtig verstanden zu haben. “Wenn Bebe das so möchte? Wir würden uns sehr darüber freuen auf seiner Yacht zu speisen”, antworte ich. Es dauert nicht lange als ein Schnellboot am Horizont auftaucht. Es ist der Fahrer vom Range Rover. Er bringt kalte Platten und weitere zwei Flaschen Champagner. Nur Minuten später rauscht das Schnellboot weg und wir dümpeln wieder bei leiser Musik den Fluss hinunter. Hungrig verspeisen wir alles was ein Sternerestaurant für seinen Chef und Gäste zu offerieren hat. Dann, nach dem unsere Bäuche fast platzen fährt uns Bebe auf eine Insel. Er zeigt uns uralte Mauerreste. “Über 2000 Jahre alt”, verstehen wir. “Der Fluss hat sich die Burg genommen”, erklärt er. Die Sonne versinkt blutrot am Himmel und es wird stockdunkel. Stunden fahren wir in die Nacht, um zum Ausgangspunkt zurückzukommen. Wir folgen einem Lichtsignal ans Ufer. Fischer haben hier ihr Quartier. Bebe schenkt den armen Männern eine Flasche Champagner. Dafür bekommt er einen großen Donauwels. Nach einem kurzen aber freudigen Gespräch rauschen wir weiter durch die Nacht. Lauwarmer Fahrtwind fährt durch mein Haar. Ich hänge meinen Gedanken nach. Um ca. 11 Uhr erreichen wir wieder das Hotel Albatros. Fix und fertig von den Ereignissen des Tages wollen wir ins Bett. Bebe führt uns durch ein Restaurant welches wir bisher noch gar nicht gesehen haben. Es ist sehr gut besucht. Er winkt uns zu einem besetzten Tisch. Freunde von ihm begrüßen uns und schütteln uns die Hände. Obwohl wir pappsatt sind lässt Bebe eine gemischte Fischplatte auffahren. Allan, ein Freund von ihm, sagt: “Jetzt möchte er euch richtig verwöhnen. Ihr müsst essen.” Also verspeisen wir auch noch den Fisch. Wir erfahren das ein Teil davon der Wels war den er heute Nacht von den Fischern bekommen hat. Kugelrund gefressen taumeln wir dann nach Mitternacht ins Bett. Welch ein Tag. Wer hätte das gedacht?

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