Lass dich operieren!
N 44°26'48.2'' E 026°03'41,6''Geschehnisse vom 01.07. bis 04.07.2006
Die Tage in der Euroclinic vergehen mit Höhen und Tiefen. Meine Situation hat sich wiedererwartend nicht verbessert. Im Gegenteil. Seit zwei Tagen weicht mehr und mehr das Gefühl aus meinem linken Fuß. Und obwohl ich keine Verletzung an meiner Wade habe glaube ich manchmal als würde sie jemand mit dem Messer herausschälen. Literweise fließen Antibiotika, entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente durch meine Venen. Trotzdem leide ich wie ein Hund. “Sie müssen nach Hause”, sagt Dr. Baltisanu. “Aber ich kann nicht gehen. Ich kann mich nicht einmal aufrichten”, jammere ich. “Dann sollten sie sich hier operieren lassen. Es macht doch keinen Sinn so zu leiden. “Darf Denis versuchen mal aufzustehen?”, fragt Tanja. “Klar, es kann nicht schaden. Vielleicht klappt es ja. Ich komme morgen wieder. Wünsche eine schmerzfreie Nacht”, verabschiedet er sich und wir sind mit meinem Leid wieder alleine. “Was soll ich nur tun? Jetzt schläft mir der Fuß ein. Ich habe immer weniger Gefühl. Mein Gott, die Nerven beginnen abzusterben”, bemitleide ich mich selbst und bin völlig ratlos. “Versuch doch mal aufzustehen”, schlägt Tanja vor. “Meinst du wirklich?” “Ja, er hat doch gesagt es kann nichts geschehen.” “Hm, okay ich versuche es”, beschließe ich und konzentriere mich auf den passenden Moment. “Jetzt!”, rufe ich, hebe meinen Oberkörper, schwinge die Beine über das Bettgestell und belaste sie ganz langsam. Ich grinse. Dass Erfolgserlebnis ist fantastisch, doch nur etwa drei Sekunden später glaube ich innerlich durchtrennt zu werden. Mir knicken die Beine ein und im Fallen schaffe ich es meinen Körper im Bett landen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt nützen mir auch die Schmerzinfusionen kaum noch. Wimmernd liege ich den Rest des Tages und die gesamte Nacht da.
“Wir können ihrem Mann keine weiteren Schmerzmittel spritzen. Er ist am Limit”, höre ich die Nachtschwester. Mir ist klar. Der Aufstehversuch war ein Fehler. Soweit ich noch klar denken kann überlege ich mir wie es weiter gehen soll. Tanja hat seit Tagen versucht mit den drei Versicherungen die ich besitze eine Einigung über einen Rücktransport zu erlangen. Jede der drei Gesellschaften will uns keine schriftliche Kostenbestätigung schicken. Das heißt, dass wir im Notfall den Rücktransport selbst bezahlen müssen. “Scheiß Versicherungen. Wenn man sie braucht kommen sie ihrer Verpflichtung nicht nach”, fluche ich leise. Tanja hat keine Hilfe bei der Organisation mich nach Deutschland fliegen zu lassen. Sie muss selbst einen Sanitätstransport organisieren. Was das kostet? Keine Ahnung. Schnell sind bei solch einem Sonderflug 50.000 oder vielleicht 100.000 Euro zusammen. Der Heimflug könnte uns also ruinieren. Abgesehen davon, wie bekommt man in Rumänien ein Sanitätsflugzeug? Gesetzten Fall ich wäre hier alleine müsste ich wahrscheinlich verrecken und keiner würde sich darum kümmern. Meine Eltern zogen in Erwägung nach Bukarest zu fliegen. Doch was sollte das in unserer Situation helfen? “Bleibt bitte Zuhause. Wir kommen schon zurecht”, hat Tanja sie getröstet. Seit gestern ist klar, aus dem Heimflug wird nichts. Welche Alternative gibt es noch? Der Rückflug würde uns höchstwahrscheinlich finanziell ruinieren. Die Lähmung in meinem Bein wird von Stunde zu Stunde schlechter und wir bekommen keine Unterstützung von den Versicherungsgesellschaften. Schöne Scheiße. Durch die zunehmenden Schmerzen, die vielen Medikamente und der immer größer werdenden Panik bin ich auch nicht mehr richtig in der Lage klar zu denken. Für Tanja aber ist es eine verdammt schwerwiegende Entscheidung. Sollte die Operation hier schief gehen würde sie sich ewig Vorwürfe machen. Also? Welche Alternative habe ich? Was soll ich tun? Wie soll ich mich entscheiden? Hallo! Ich benötige eine Antwort und zwar sofort! Rufe ich in Gedanken. “Lass dich operieren.” “Wie bitte?”, frage ich leise. “Lass dich operieren. Es wird gut gehen. Du bist hier in guten Händen”, höre ich die Stimme von Mutter Erde. Ich bin mir nicht sicher ob ich in meinem Zustand wirklich die Stimmer von Mutter Erde hören kann oder wer da überhaupt spricht? Wahrscheinlich rede ich mit mir selbst. Die Zweifel sind groß. Vor ein paar Jahren, während unserer Wüstendurchquerung in Australien, hatte ich keine Zweifel mehr mit Mutter Erde rege zu kommunizieren. Doch hier? Die Zeit der regelmäßigen Kommunikation ist lange her. Letztes Jahr, auf der Trans-Ost-Expedition Teil 1 ergaben sich ein paar Gespräche die echt klangen. Ich weiß nicht. Was soll ich tun? “Lass dich operieren”, höre ich wieder, worauf ich einen Entschluss fasse.