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Mongolei/Letztes See Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Ist der Felseinschnitt ein Tor zu einer anderen Welt?

N 51°00'344'' E 100°16'848''
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    Tag: 96

    Sonnenaufgang:
    08:03

    Sonnenuntergang:
    18:02

    Luftlinie:
    18,78

    Tageskilometer:
    30,00

    Gesamtkilometer:
    995

    Bodenbeschaffenheit:
    Wiese, Waldboden, Schnee, Eis

    Temperatur – Tag (Maximum):
    1°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 4°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 13°

    Breitengrad:
    51°00’344“

    Längengrad:
    100°16’848“

    Maximale Höhe:
    1850 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    12:00

    Ankunftszeit:
    17:00

Der Sonnenschein der letzten Wochen hat sich hinter einer grauen, dichten Wolkendecke versteckt. „Es wird schneien“, sagt Bilgee in den Himmel sehend. „Kommen wir bei Schneefall noch über die vor uns liegenden Pässe?“, frage ich ihn. „Tijmee. Asuudal Baighui. (Ja. Kein Problem) Aber es kann schwer werden den Weg zu finden“, erklärt er.

Als wir losreiten beginnt es tatsächlich zu schneien. Wir queren ein Waldstück. Dann erreichen wir wieder den See. Bevor es weitergeht tränken wir unsere Tiere. Die Wellen schwappen auf das steinige Ufer. Bei ca. minus 1 °C fühlen wir unangenehme und ungewohnte Feuchtigkeit. Schnell besteigen wir die Pferde und folgen dem Rand des Khuvsgul. Es geht über gefrorenes Schwemmland, durchzogen von unzähligen halb zugefrorenen Bächen. Plötzlich versperrt uns ein Fluss den Weitermarsch. Bilgee fackelt nicht lange und reitet seine Pferde durch das Nass. Wir folgen ihm vorsichtig. Mogi, den ich wieder an der Leine halte, verschwindet bis zum Bauch in den kalten Fluten. Es scheint ihm aber wenig auszumachen. Ohne sich zu sträuben läuft er neben Sar. Als wir am anderen Ende wieder trockenes Land unter den Füßen haben schüttelt er sich kräftig, wobei sein Fell in kurzer Zeit steiffriert. Hier zeigt sich das er in der Tat ein Hund ist der mit Kälte gut zurechtkommt. Nach nur wenigen Kilometer versperrt uns eine steilabfallende Felsflanke den weiteren Weg. Wir sind gezwungen den See zu verlassen und einem Pfad zu folgen der uns Meter für Meter nach oben führt. „Sieht aus wie ein Märchenwald“, sagt Tanja auf die verschneiten Lärchen deutend. Der Schnee bleibt jetzt liegen. Die Hufe der Pferde knirschen stetig die Steigung hoch. Wieder erleben wir eine vorher noch nie gesehene, mit einem weißen Tuch überzogene, Landschaft. Eine Stunde später erreichen wir den höchsten Punkt des Berges. Wir sind uns einig hier eine Pause einzulegen, um heißen Tee zu trinken und einige Kekse zu essen. Der Schneefall hat indes zugenommen. „Huaa ist es hier oben kalt“, bibbere ich und hole meine Winterschuhe aus einem Seesack, um sie wieder anzuziehen. Sie sind trotz der sich bildenden Eisschicht im Innenschuh entschieden wärmer als unsere dünnen Reitschuhe. Bilgee hilft mir dann wieder beim Verschnüren der Ladung.

Tanja packt die Thermosflasche aus ihrer Satteltasche und bringt eine Tüte Gebäck mit. Bilgee rollt einen Baumstamm heran auf den wir uns setzen können. Bei Schneetreiben sitzen wir nun auf dem Stamm und lassen es uns gut gehen. So gut es das Wetter eben zulässt. Dann bricht die Sonne mit ihrer Kraft durch die Wolkenwand und beschert uns somit eine verzuckerte Traumlandschaft. Bis zu 3.000 Meter hohe schneebedeckte Berge umrunden uns. Ihre kargen Rücken zeugen von rauem Klima. „Irgendwo dahinter ist Tsagaan Nuur“, sage ich nach Westen über das Gebirge deutend. „Müssen wir da drüber?“, fragt Tanja mit hörbarem Respekt in der Stimme. „Hoffe nicht. Laut Karte gibt es eine Schlucht deren östliches Ende zum Khvsgul führt. Schätze das wird unser Weg durch die Khoridol-Saridag-Bergkette sein. Ich werde mit Bilgee heute Abend die Karten studieren. Aber so wie ich ihn gestern verstanden habe verlassen wir heute Nachmittag den See und stoßen in Richtung Nordwesten vor. Er muss also diese Schlucht meinen.“

Eine halbe Stunde später führen wir vorsichtig unsere Pferde den steilen und glatten Weg nach unten. An reiten ist wegen der Schneedecke nicht zu denken. Leicht könnte ein Pferd ins rutschen kommen und stürzen. Unten angekommen zeigt mein GPS noch immer eine Höhe von 1.645 Meter. Das ist die Höhe in der die umliegenden Bergflüsse das große Becken des Khuvsgul Sees mit dem klarsten Wasser der Welt gefüllt haben.

Bilgee deutet auf einen überdimensional breiten Spalt der sich zwischen zwei Bergen auftut. „Dort ist unser Weg nach Tsagaan Nuur“, vermutet er. „Siehst du. Wie ich vorhin sagte. Da ist die Schlucht“, meine ich zu Tanja gewendet. Mit dem Fernglas sucht Bilgee die Berge und das vor uns liegende Tal ab. Er scheint unsicher zu sein ob wir wirklich dorthin müssen. „Ich frage dort mal nach“, sagt er und reitet zu einer Blockhütte die direkt am Seeufer im letzten Licht der Sonne golden schimmert. Als er zurückkommt erfahren wir, dass auch diese Hütte verlassen ist. Unschlüssig stehen wir da und überlegen ob wir es heute noch wagen sollen in die Schlucht vorzudringen. „Vermute wir werden dort kein Wasser und kein Gras für die Pferde vorfinden“, gibt Bilgee zu bedenken, weswegen ich entscheide es für heute gut sein zu lassen und diese Nacht noch mal am Khuvsgul See zu campen. Bilgee und Tanja lachen. „Eine gute Entscheidung Denis“, freut sich Bilgee.

In einem kaum zu beschreibenden sanften Abendlicht reiten wir über goldenes Uferland. Es geht vorbei an alten Tierunterständen und Holzhütten in denen die Nomaden Heu für den Winter eingelagert haben. Große, knorrige, vom Wind gezeichnete und verbogene Lärchen stehen majestätisch auf der paradiesisch anzumutenden Weide. Die letzten Meter zu unserem auserkornen Camplatz erscheinen mir surreal. Erscheinen mir so als würde ich sie in Zeitlupe erleben. Die Sanftheit des Lichtes, das Schwarzblau des Sees, die bizarren knorrigen vom Wind gebogenen und gezeichneten Lärchen, das Wiehern unserer Pferde, der krächzende Schrei einer Krähe in den Wipfeln über uns, die vom letzten Licht sanftrosa klimmenden Wolken und die hinter uns aufragenden dunklen Bergsilhouette, sind einfach zu schön um war zu sein. Und doch ist die Landschaft hier real. Sie ist von einer Realität die mich des Lebens erfreuen lässt. Starker eiskalter Wind bläst aus der Schlucht über die Ebene. Lässt uns erschaudern. Wir haben das Gefühl als kündigt er eine andere Zeit an. Eine Zeit die viel extreme Kälte verspricht. Ich blicke zur Schlucht und lausche dem Heulen des Windes. Er besitzt Ähnlichkeit mit dem Heulen der Wölfe. Irgendwie habe ich das Gefühl als bedeutet der Felseinschnitt für uns das Tor zu einer anderen fremden Welt.

Bilgee schleppt von irgendwoher ein Stück Blechfass an und entfacht darin unser Feuer. „Baihgui Salhi“, („Kein Wind“) sagt er lächelnd. „Das ist für eure Füße“, meint er noch und gibt uns ein Stück Schafsfell aus dem wir Sohlen für unsere Winterschuhe schneiden sollen. „Dulaan“ („Warm“) verspricht er.

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