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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Höhlenwohnungen und manchmal ist es gut nein zu sagen

N 39°40’47.3’’ E 113°41’46.0’’
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    Datum:
    24.10.2015

    Tag: 118

    Land:
    China

    Provinz:
    Shanxi

    Ort:
    Hunyuan

    Breitengrad N:
    39°40’47.3’’

    Längengrad E:
    113°41’46.0’’

    Tageskilometer:
    77 km

    Gesamtkilometer:
    10.026 km

    Luftlinie:
    59 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    21 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    47 km

    Fahrzeit:
    3:30 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.288 m

    Gesamthöhenmeter:
    6.576 m

    Höhenmeter für den Tag:
    476 m

    Maximale Tiefe:
    888 m

    Gegenwind Windstärke: 5
    35 Km/h

    Sonnenaufgang:
    06:43 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:35 Uhr

    Temperatur Tag max:
    14 °C

    Temperatur Nacht:
    1 °C

    Aufbruch:
    10:40 Uhr

    Ankunftszeit:
    18:40 Uhr

    Platte Reifen gesamt:
    8

    Platte Vorderreifen:
    2

    Platte Hinterreifen:
    5

    Platte Anhängerreifen:
    1

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Obwohl ich gerne noch in dem Hotel geblieben wäre, um unter angenehmen Bedingungen ein paar Texte zu schreiben, haben wir uns für den Aufbruch entschieden. Der Grund ist noch immer der herannahende Winter. Es ergibt einfach keinen Sinn die teils noch angenehmen Temperaturen mit den Aufzeichnungen zu verbringen, wenn es in dieser Region in wenigen Wochen, vielleicht schon Tagen zu schneien beginnt und die Quecksilbersäule weit unter null Grad sinkt. Mit jeder Hundertkilometeretappe in Richtung Süden gewinnen wir nach meiner Vermutung ein Grad. Das heißt bei 1.000 Kilometer 10 Grad. Wenn es also in dieser Region minus 20 Grad wird, sind es 1.000 km weiter minus 10 Grad. Mit ein bisschen Glück können wir auf diese Weise der extremen Kälte entfliehen. Trotzdem wird uns die kommenden vier Monate der Winter im Nacken sitzen.

Der Generaldirektor und sein Team helfen gemeinsam unser Gepäck in den Hinterhof zu tragen. Jeder der Anwesenden wird mit uns in Einzel- und Gruppenfotos mit allem was fotografieren kann für Freunde, Verwandte und sonst wen festgehalten. Der Direktor lässt es sich nicht nehmen eine Proberunde auf meinem unbeladenen Rad zu drehen. „Ob das gut geht?“, fragt Tanja die ersten wackeligen Meter des Chefs beobachtend. Kurz bevor der etwas übergewichtige Mann mit meinem edlen Bike stürzt, bremst er mit seinen polierten Schuhen und kommt ohne Schaden zum stehen. „Puh, das ging ja gerade noch mal gut.“ Alle Beteiligten lachen, besonders der Chef. 30 Minuten später ist die Ausrüstung auf den acht Reifen verstaut. „Zaijian! Zaijian!“, (Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen) rufen der Direktor, seine Manager und ein paar Angestellte, während das Wachpersonal die rechte Hand an die Schläfe führt, um uns mit militärischem Gruß zu verabschieden. „Wow, das wird ja immer besser“, freue ich mich den Gruß erwidernd.

Bei 12 °C und wunderbarem Wetter reihen wir uns in den Stadtverkehr. Wir passieren Reste der Chinesischen Mauer und die ehemalige Altstadt von Datong, die einst platt gewalzt, und vor wenigen Jahren aus vorwiegend touristisch-kommerziellen Gründen im Stil der Ming-Dynastie für 6 Milliarden Euro, wieder aufgebaut wurde. Um den Verkehr zu umgehen navigiere ich uns in östliche Richtung der Millionenmetropole. Vor uns entrollet sich inklusive dem breitem Zweirad- und Gehweg, eine zwölfspurige, endlos lange, völlig leere Monsterstraße. Links und rechts entstehen futuristische überdimensional große Gebäude in Pilz-, Pyramiden- und Netzform. Eine Burg aus der Welt der Mythen und Märchen ist auf einem künstlichen Felsenberg errichtet. So wie es aussieht entsteht hier eine Art Chinesisches Disneyland.

Vor uns erstreckt sich das über 2.000 Meter hohe und 150 km lange Heng Shang. Es ist eines der fünf heiligen Gebirge des Daoismus. „Wenn wir da drüber müssen wird es ein harter Tag“, sage ich vom Anblick der aufgetürmten Felswand beeindruckt. Dann legen sich auch schon die ersten Ausläufer in unseren Weg. Der Asphalt führt durch Felder, zerteilt ab und an historische Stücke der Chinesischen Mauer und mausert sich zu einer Passstraße. Um Energie zu sparen schalten wir vom Sport- in den Tourmodus und schrauben uns von 850 Meter auf knapp 1.300 Meter durch die Bergwelt. Ob ab sofort die Zeit der Passüberquerungen beginnt? In mühsam angelegten Terrassen nutzen die hiesigen Bauern jeden Quadratmeter um Weizen, Hirse und Mais anzubauen. In den Felswänden entdecken wir von Menschen gegrabene Höhlen. „Stopp!“, rufe ich. In der Zeit in der Tanja auf die Räder und Ajaci aufpasst klettere ich nach oben, um die Felshöhlen zu erkunden. Während sich die Großstädte Chinas in rasender Geschwindigkeit entwickeln ist hier die Zeit stehen geblieben. Die Armut der Landbevölkerung brüllt uns an diesem Ort entgegen. Manche Höhlen, die ich entdecke, werden als Lager für die karge, dem bisschen Land abgerungene Ernte genutzt. Andere der Höhlen scheinen noch immer bewohnt zu sein. Vor der aus Lehm errichteten Außenwand hat sich jemand große Mühe gegeben ein paar Pflanzen hochzuziehen. Die vom Zahn der Zeit angenagte Holztür ist mit einem einfachen, verrosteten Schloss verriegelt. Vor der Felsbehausung breitet sich ein kleiner Acker aus der vor nicht langer Zeit geerntet wurde. Noch lebende Vergangenheit trifft auf hochmoderne Ingenieurstechnik. Im Hintergrund ist die Milliarden teure Autobahn zu erkennen, die sich durch die Berge frisst und in gigantischen Brückenkonstruktionen weite Täler überwindet. Verblüffend ist für mich, dass bis heute noch über 30 Millionen Chinesen in Höhlen wohnen. Wenn man überlegt wie viele Menschen in der Steinzeit weltweit gelebt haben, sind das sechsmal soviel. Im Lössplateau der beiden nördlichen Provinzen Shanxi und der Nachbarprovinz Shaanxi hat das Leben in Yaodongs, so werde die Wohnhöhlen genannt, eine Jahrtausende lange Tradition. Der Lössboden dieser Region ist geradezu ausgezeichnet um sich in das Innere einer Gebirgswand zu graben. Dafür muss man kein Maurerhandwerk erlernen, keine Statik berechnen können und vor allem keine teuren Baumaterialien kaufen. Also ideal und billig für die mittellose Landbevölkerung. Noch dazu ist so eine Yaodong äußerst energieeffizient. Im Winter speichert sie Wärme – im Sommer bleibt sie angenehm kühl. Das spart Rohstoffe. Man sagt sogar, dass die Lösserde viele gesundheitsfördernde Spurenelemente enthält die den Alterungsprozess menschlicher Organe verzögert. Wenn ich dabei an die unzähligen, hässlichen aus Beton hochgezogenen Massenunterkünfte der Städte denke könnte da was Wahres dran sein. Ich blicke durch die verschmutze Fensterscheibe und entdecke im trüben Licht eine Art Steinbett, dem Kang, welches im Sommer angenehm kühl ist und im Winter durch eine darunter befindliche Feuerstelle beheizt wird. In vielen Dörfern gibt es heute Strom und manchmal sogar Wasseranschluss den einige bessergestellte Yaodongbewohner für ihre Höhle nutzen.

Unter mir erblicke ich Tanja, die sich mit einer Einheimischen unterhält. Die Bäuerin hat uns von der anderen Talseite, an dessen Felswände ein Dorf klebt, erkannt und ist schnell herübergeeilt, um ein paar handgemachte Stoffpuppen zu verkaufen. Ein Weg um sich ein paar Yuan extra zu verdienen. Nur wenige Kilometer weiter leuchtet ein buddhistisches Kloster von den Berghängen. Obwohl wir nicht mehr viel Akkukapazität besitzen lenken wir unsere E-Bikes von der Straße und halten unterhalb des heiligen Ortes. Das Kloster wird gerade gebaut. Vielleicht auf den Grundmauern alter zerstörter Gemäuer? Außer uns und einem einzelnen Handwerker sind keine Menschen da. In den Räumen blicken uns die üblichen Buddhafiguren entgegen. Nicht mehr wie früher aus edlen Steinen in monatelanger Arbeit herausgemeißelt, sondern aus den Lieblingsstoffen der heutigen Zeit Beton oder Plastik geformt. Obwohl Weihrauch durch die Luft wabbert fehlt dem Ort die Ausstrahlung und Energie historischer Anlagen. Wir bleiben nicht lange und strampeln der höchsten Stelle des Passes entgegen. Unter uns liegt der Kreis Hunyuan in dem ca. 350.000 Einwohner leben. Dort befindet sich auch die Gemeinde Dongfangsheng, die der Ausgangspunkt für die berühmten hängenden Klöster Xuangkong Si ist. Da wir noch keinen Ersatz für die alte verbogene Deichsel haben, rolle ich mit gezogenen Bremsen ins Tal, denn ihr Bruch hätte sicherlich fatale Folgen.

Weil wir bisher erhebliche Schwierigkeiten hatten als Ausländer, mit Fahrrädern und einen Hund eine Unterkunft zu finden, hat uns Lois, eine hilfsbereite Mitarbeiterin von Bosch China angeboten, eine Bleibe für uns herauszufinden und zu buchen. Ein Grund warum wir heute die Sache besonders relaxt angehen. „Nali lüguan?“, (Wo ist Hotel?) fragt Tanja zwei Männer, die gerade ihre dreirädrigen Lastenmotorräder beladen, die in den 30-er Jahren von vielen europäischen Motorradhersteller gebaut wurden und hier in China zum täglichen Straßenbild gehören. Die Männer blicken auf den Zettel auf dem in chinesischer Schrift die Adresse geschrieben steht. Mit Zeichensprache deuten sie uns die Richtung an. „Das klappt ja super“, freue ich mich heute keine Unterkunft oder Hotel suchen zu müssen, um am Ende aus den bekannten Gründen nicht akzeptiert zu werden. Im vermeintlichen Glauben es an diesem kühlen Abend leichter zu haben radeln wir zu dem angegebenen Kreisverkehr. „Welche Richtung hat er gesagt?“, frage ich Tanja. „Ich glaube nach rechts.“ „Glaubst du oder weißt du es?“ „Hm, vielleicht solltest du die alten Herren dort auf der Bank fragen.“ „Okay, mache ich“, antworte ich, stelle mein Rad auf den Ständer und laufe wegen der anstrengende Passüberquerung mit aufgepumpten Oberschenkeln zu den Männern. „Ni hao!“, (Guten Tag) begrüße ich sie freundlich und zeige meinen Zettel. Der Älteste von ihnen nimmt mein Papier und hält es sich in etwa zehn Zentimeter Abstand vor die Augen. Dann liest er gaaanz langsam jeden einzelnen Buchstaben, sieht mich danach an als wollte ich ihm die Eröffnung eines Bankkontos vorschlagen, und schickt mich in die Richtung aus der wir gerade gekommen sind. „Was sagt er?“, fragt Tanja. „Wir sollen zurück.“ „Kann nicht sein.“ „Nein, kann es nicht“, antworte ich und gebe meinen Zettel einem Autofahrer der gerade vor mir anhält, um mich in seinem Smartphone zu bannen. Der Mann nimmt mein kleines Schriftstück und schreit mir derart ins Ohr, dass ich mich kurz schütteln muss. Dann wiederholt er sich lallend, ja lallend. Das bemerkt man auch ohne Chinesischkenntnisse. Als ich mein Papier wieder haben möchte hält der Mann hinterm Steuer dieses krampfhaft fest und fuchtelt damit herum. „Was sagt er?!“, ruft Tanja, die noch über ihrem Bike steht. „Er lallt!“ „Was?“ „Er ist strunz blau“, sage ich und als der Mann einen Moment unaufmerksam ist schnappe ich mir meinen wichtigen Zettel. Wir fragen einen weiteren Chinesen der uns in Richtung Stadt schickt. „Klingt plausibel“, bin ich überzeugt weshalb wir nun in die Stadt fahren. 500 Meter weiter werde ich unsicher und frage erneut. Diesmal kehren wir um und versuchen es nach erneuter Beschreibung in südlicher Richtung. „Wie sollen wir denn die Unterkunft finden wenn uns jeder einen anderen Weg erklärt?“, frage ich 30 Minuten später genervt. Auch wenn ich mir ernsthaft geschworen habe nun wirklich nicht mehr über Unterkunftssuche und deren Schwierigkeiten zu schreiben, eröffnet sich gerade wieder eine neue, bisher ungeahnte Variante die zeigt wie schwierig es sein kann in China einen bestimmten Ort zu finden ohne die Sprache zu sprechen oder zu verstehen. Mit den letzten Akkureserven treten wir unser Rösser einer Straße entlang die sich bis zum nahen Gebirgszug hochzieht. Immer wieder fragen wir die Anwohner. Manche schütteln einfach den Kopf, andere können nicht lesen, viele zucken einfach mit der Schulter oder schicken uns in entgegen gesetzte Himmelsrichtungen. Endlich sagt ein ortskundig wirkender Mann in abgetragener Kleidung, dass wir wieder zurück müssen. Also lassen wir unsere Böcke den Asphalt wieder nach unten rollen. Mittlerweile sind gut und gern 45 Minuten vergangen. „Da drüben! Das ist es bestimmt“, ist sich Tanja sicher auf ein grünes, schmales, hässliches Haus deutend, dessen purer Anblick mir Unbehagen bereitet. „Nali lüguan?“, (Wo ist Hotel?) frage ich einen Herren der vor dem besagten Haus steht und eine Zigarette raucht. „Zheli.“ (Hier) „Hier“, sagt er. „Zheli?“, frage ich überrascht. „Shide“, (Ja) antwortet er. „Na da hat uns Lois aber einen eigenartigen Schuppe gebucht“, meine ich. Nachdem wir uns zur Sicherheit nach dem Preis erkundigt haben möchte der unfreundliche Hotelbesitzer, oder wie man dieses Haus nennt, 100 Yuan. (14,47 €) „Lois sprach aber von 89 Yuan“, (12,88 €) sagt Tanja. „Egal“, Hauptsache wir haben es gefunden und Ajaci darf rein“, antworte ich. Mittlerweile versammelt sich wieder ein Gruppe Menschen um uns. „Die Räder dürfen aber auch rein?“, frage ich, worauf der Besitzer des grünen Hauses auf den Hof deutet, der nach hinten nicht abschließbar ist. Wir sind uns unsicher ob dieses Etablissement wirklich die Gebuchte ist und rufen Lois an. Tanja reicht das Smartphone an den Mann weiter. Da Lois im ersten Augenblick sicherlich auch nicht bemerken kann ob wir hier einem Lügner auf dem Leim gehen oder nicht bleibt uns kaum eine andere Wahl als einzuchecken oder weiterhin draußen herumzuirren. Schnell sind die Räder entladen und obwohl auch Menschen des Anwesens um uns herumstehen hilft keiner nur ein Gepäckstück ins hässliche Innere zu tragen. „Sperren sie ihre Räder gut ab“, warnt mich ein Gast des Hauses. Ob wir hier wirklich bleiben sollen? Ich bin gerade damit beschäftigt unsere Räder mit allen Schlössern die wir besitzen abzusperren und über sie eine Plane zu ziehen, als Tanja erscheint. „Und, alles klar?“, frage ich mit ungutem Gefühl auf die Räder blickend da sie zum ersten Mal während der gesamten Reisejahre in einem von außen zugänglichen Hof stehen. „Nein, der Unfreundliche will plötzlich Ajaci nicht in seine Bruchbude lassen.“ „Ach komm?“ „Ich habe ihn böse angesehen und an unsere Vereinbarung und Buchung erinnert. Denke, dass hat er gefressen.“ „Gut“, antworte ich und folge ihr in das kleine ebenerdige Zimmer. Unmotiviert lasse ich mich auf das Bett sinken dessen Matratze ein Holzbrett ist. Der kalte Wind, der von den Bergen herunter bläst, rüttelt an den blechernen Rollos die über dem Fenster in ihrer Verankerung lärmend quietschen. „Na das wird eine laute Nacht“, stelle ich fest und ziehe den Vorhang zu damit uns die Fußgänger, die draußen vorbeilaufen, nicht ins Zimmer sehen können. Plötzlich öffnet sich die Tür. Der Besitzer zeigt uns einen Zettel auf dem er etwas in Chinesisch geschrieben hat. „Kann ich nicht lesen“, sage ich worauf sein Finger auf die Kritzelei deutet die einen Hund darstellen soll. „Der Hund darf nicht ins Zimmer“, verstehen wir. „Dann gehen wir sofort“, faucht ihn Tanja nun ebenfalls unfreundlich an und zur Unterstützung ihrer Aussage schnappt sie sich zwei Satteltaschen um nach draußen zu eilen. „Okay, okay“, scheint der Mann klein bei zu geben und streicht den Hund auf dem Zettel mit seinem Stift durch. Jetzt möchte er kassieren. Es ist in China so üblich das Zimmer immer im Voraus zu bezahlen. Jedoch stehen auf dem Zettel plötzlich pro Person 100 Yuan. (gesamt 28,93 €) Uns bleibt die Spucke weg. Tanja ruft sofort wieder Lois an die sich für ihren unehrlichen Landsmann aufrecht entschuldigt. Nach einem langen Telefonat sind wir wieder beim gleichen Preis wie ausgemacht. Nun es hat sich jedoch tatsächlich herausgestellt, dass wir uns gar nicht in der von Lois vorgebuchten Bleibe befinden. Der Mann hat uns also von Beginn an angelogen. „Hier bleiben wir keine Sekunde länger!“, entscheidet Tanja. „Hast recht“, sage ich zähneknirschend. Mit den letzten Energiereserven tragen wir, wie schon mal erlebt, alles nach draußen und beladen unsere Räder. Der Betrüger sieht uns dabei mit ernstem Blicken. In der Zwischenzeit dämmert es bereits. Die Temperaturen sind kurz vor dem Gefrierpunkt und der beißende böige Wind aus den etwa 500 Meter weit entfernten Bergen fährt uns in die Glieder. Grußlos lassen wir die unfreundliche Bleibe zurück und beginnen erneut unsere Suche. In völliger Dunkelheit schicken uns an einer T-Kreuzung drei Befragte in tatsächlich drei Richtungen. „Und das im Zeitalter von GPS“, sage ich meinem ausgefallenem Gerät nachjammernd, denn hätte ich die Koordinaten des Quartiers wären wir schon vor zwei Stunden im warmen Nest. Tanja hat in einem kleinen Supermarkt einen Chinesen aufgetan der uns voraus fahren möchte. Weil wir kaum noch Saft in unseren Stromsammlern besitzen steige ich in seinen Minibus, während Tanja in der Finsternis auf die Räder achtet. „Da ist es“, sagt er und lässt mich nur 700 Meter die Straße wieder rauf vor einem Haus aussteigen. „Bu“, (Nein) höre ich das Wort welches ich jetzt unter keinen Umständen mehr hören möchte. „Nali?“, (Wo?) frage ich verzweifelt. Der Chinese in seinem geheizten Empfangsraum, der zu einer Art öffentlichen Sauna gehört, deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. Nicht aufgebend überquere ich die Fahrbahn und frage ob das hier die richtige Adresse ist. „Shide“, (Ja) vernehme ich und kann es kaum glauben nun doch noch den richtigen Ort gefunden zu haben. Schnell eile ich zu Tanja den Asphalt wieder hinunter. Wir schwingen uns in die Sättel und fahren mit dem letzten Energiequäntchen die Steigung erneut hinauf. Sofort helfen uns freundliche, liebenswerte Menschen die Ausrüstung in ein angenehmes, sauberes und beheiztes Zimmer zu tragen, welches 89 Yuan (12,88 €) kostet. „Schon in den ersten Minuten stellt sich heraus, dass der Aufwand den Betrüger verlassen zu haben, eine gute Entscheidung war. Die Räder werden umgehend ins Schlafzimmer der Familie gestellt, in dem sie auch ihre eigenen Fahrräder gesichert haben. Niemand lässt hier seine Fahrräder oder Elektroroller über Nacht draußen stehen. Manchmal werden sogar Mopeds und Motorräder mit in die gute Stube genommen. In jedem Hotel, Hotelflur, in Aufzügen, einfachen Unterkünften, in nahezu allen Höfen und Hinterhöfen, Supermärkten und vielen anderen Orten ist eine große Zahl an Überwachungskameras installiert. Auch sind viele der Fenster im Parterre, manchmal sogar im ersten und zweiten Stock mit Eisengittern gesichert. Läden und Verkaufsgeschäfte lassen nach Geschäftsschluss metallene Rollläden herunter. Obwohl wir glaubten, dass Diebstahl in China so gut wie nie vorkommt. Wir können uns nicht vorstellen, dass die massenhafte Installation der Überwachungskameras, Eisengittern und Rollläden eine reine Modeerscheinung ist…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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