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Rumänien/Isaccea

Hechelst du nicht den Berg hoch sitzt du nicht hier

N 45°16'24.6'' E 028°27'35.3''

Nach einer angenehmen Nacht, ohne von einem Sinti und Romajungen besucht worden zu sein, brechen wir um neun Uhr auf. Wir verabschieden uns von Gabriela und lassen zuerst mal unsere Räder die Schotterpiste runter rattern. Dann kommt der erste Zwölfprozenter. Weil wir am Morgen noch bei Kräften sind nutzen wir die Gelegenheit das Stativ aufzustellen, um uns zu filmen. Da wir keinen Kameramann dabei haben ist das Filmen unter solchen Bedingungen gelinde gesagt eine Herausforderung. Ich klicke die Videokamera auf das Stativ, schalte sie ein und renne den Berg hinunter. Dann schieben wir unser beladenes Drahtgestell den Hügel hoch und an der Kamera vorbei. Jetzt ist der erste Schnitt auf Film gebannt. Wir halten an, Tanja kommt vom Anhänger nach vorne, übernimmt den Lenker, zieht die Bremse damit der Roadtrain sich nicht selbstständig macht, während ich zur Kamera wetze. Ich drehe die Videokamera herum, um uns jetzt von hinten zu filmen und wir wiederholen die Aktion. Insgesamt dauern die Einstellungen 56 Minuten. Ein Grund warum wir nicht jeden Tag soviel Kilometer machen können ist eben die Dokumentationsarbeit. Mit einem morgendlichen Puls von 150 arbeiten wir uns über die Hügel bis zur Hauptraße. Dann werden wir wieder von einer Steigung herausgefordert. Tanjas Knie beschwert sich. In dem Nest Isaccea halten wir an, um uns nach einem Vesperplatz umzusehen. “Ich glaube mein Knie zeigt mir die Rote Karte”, sagt Tanja sichtlich geknickt. “Wie meinst du das?” “Ich denke wenn wir weiterfahren sperrt es wieder. Der letzte Berg war einfach zu hart.” “So ein Mist. Wir haben heute noch mindestens 45 Kilometer bis zur Grenzstadt Galati”, antworte ich nachdenklich und besorgt. “Lass uns die Kneipe dort aufsuchen und über die weiteren Schritte nachdenken”, schlage ich vor. “Okay”, höre ich eine kleinlaute, etwas verzweifelte Stimme. Gesagt getan schieben wir unsere Bikes zur Kneipe. Eine sehr wohl beleibte Rumänin sieht uns herannahen. Sie tritt auf die Straße und winkt uns in ihren Laden. “Setzt euch dahin”, sagt sie auf Rumänisch in befehlsgewohntem Tonfall. Wir gehorchen und setzen uns auf die Holzbank. Kaum haben wir uns nieder gelassen stellt die Kneipeninhaberin eine große Flasche Saft auf den Tisch. “Service”, sagt sie nur. Obwohl wir keinen Saft wollen haben wir nicht die geringste Chance. “Service”, wiederholt die Frau die sich uns als Maria vorstellt. Wir fragen Maria wo man hier Brot kaufen kann. Sofort schickt sie einen alten, hinkenden, leicht angetrunkenen Mann los. Der besteigt sein völlig verrostetes Fahrrad und wackelt davon. 10 Minuten später erscheint er wieder. Mit dem Brot. Es klemmt auf dem rostigen Gepäckträger. Er nimmt es mit seinen nicht gerade sauberen Händen, reicht es Maria und Maria legt es auf den Holztisch. Kaum liegt es auf dem Tisch, kommt Maria noch mal mit einem dunklen Lappen angerauscht, um den Tisch zu reinigen. Sie hebt das geschundene Weißbrot hoch, verreibt den Schmutz auf dem Tisch und bettet unser Mittagessen wieder auf die jetzt feuchte Fläche. Es leben die Abwehrkräfte. Tanja und ich sehen uns an. Wir brauchen natürlich keine Worte um uns zu verstehen. “Denk nicht darüber nach Hase”, sagt sie mich anlächelnd. Ich nehme mein Leatherman und schneide das Brot auf. Wir bestreichen es mit einem von uns mitgebrachten Aufstrich. Meine Gedanken ausschaltend beiße ich in die Köstlichkeit. Es schmeckt hervorragend. Maria stellt uns plötzlich Schafskäse und Tomaten auf den Tisch. “Service”, sagt sie und wir können nicht ablehnen. Wir dürfen eine Flasche Wasser bei Maria kaufen und sind somit imstande unser Gewissen ein wenig zu beruhigen. Dann bestellen wir noch zwei Tassen Kaffee. Obwohl hier der gute, aufgebrühte, türkische Kaffee üblich ist serviert uns Maria Nestkaffee. “Buna”, (Gut) sagt sie mit strahlendem Lachen. Kaum setze ich die Kaffeetasse an meine Lippen kommt die schwergewichtige Maria wieder angefegt und reicht uns Aprikosen. Ich möchte gerade keine Aprikosen trotzdem haben wir nicht die geringste Chance abzulehnen. “Service, Buna”, sagt sie und verschwindet, um einen anderen Gast ein Bier zu bringen. Als ich Maria fotografisch festhalten möchte lehnt sie strickt ab. Unüblich für Rumänien. Ich akzeptiere sofort und lege die Kamera wieder weg. “Ihr müsst auf eure Räder aufpassen”, gibt sie uns zu verstehen als ein paar Sinti und Roma vorbeilaufen und beim Anblick unserer Ausrüstung große Augen bekommen. Ein Gast holt sofort seinen vor der Kneipe geparkten Handkarren hinein. “Da schaut, der Mann dort drüben”, sagt Maria auf einen Gast zeigend; “den hat der Junge, der gerade vorbeilief, sein Rad geklaut.” Leider reicht unsere Verständigung nicht aus, um zu fragen woher sie weiß, dass es genau dieser Junge war. Vor allem warum man diesen Jungen nicht zur Rechenschaft gezogen hat? Wie auch immer, wir sind gewarnt und wenn Einheimische bestohlen werden dann müssen wir erst recht aufpassen. Obwohl uns Rumänien sehr gut gefällt, wir uns in diesem Land wohl fühlen und es ein Land ist in dem man noch heute Fantastisches und Ungewöhnliches erleben kann, ist die ständige Gefahr bestohlen zu werden ein echter Wermutstropfen. “Nimm doch noch eine Aprikose”, fordert mich Maria auf und hält sie mir unter die Nase. Da sie voller kleiner Maden sind habe ich keinen Appetit darauf und sage: “Och nö, vielen Dank. Ich bin satt”, und reibe mir zur Bestätigung den Bauch. “Na, na, ein paar Aprikosen schaden doch nicht”, antwortet Maria und zwingt mich die Dinger in mich hineinzustopfen. “Was machen wir nun?”, fragt Tanja. “Ich weiß nicht. Ich kann nicht über dein Knie bestimmen. “Du musst entscheiden ob wir heute noch weiter können oder nicht”, meine ich. Ich hebe ihr Bein auf meinen Schoß und massiere den Muskel. Maria bringt mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Ich halte die Flasche an die schmerzende Stelle, um sie zu kühlen und den Reiz heraus zunehmen. “Im Notfall kann ich radeln. Die Berge sind es halt die den Muskel im Knie reizen”, setzt Tanja fort. “Wir haben Gott sei Dank keinen Notfall. Ich denke wir sollten hier bleiben. Maria hat gesagt, dass es bis Galati keine Berge mehr gibt. Doch sind Hügel für Autofahrer keine Berge und wer weiß ob nicht doch die eine oder andere Erhebung vor uns liegt. Ich denke wir sollten uns hier eine Unterkunft suchen und deinem Knie eine Chance geben sich zu erholen. Wir dürfen es nicht zu stark überreizen. Wir befinden uns noch immer am Beginn unserer Reise. Es liegen also weiterhin ein paar tausend Kilometer und einige Länder vor uns. Lass uns kein Risiko eingehen”, sage ich nachdenklich. “Es tut mir trotzdem leid uns nach lächerlichen 18 Kilometern zu stoppen”, erwidert Tanja gedrückt. “Mach dir keine Gedanken. Lass es fließen hat Mutter Erde uns in den australischen Wüsten immer wieder gelehrt. Wir können nicht die Fließrichtung eines Stromes verändern. Wenn wir hier festgehalten werden, werden wir hier festgehalten. Es macht keinen Sinn dagegen anzukämpfen. Abgesehen davon kann ich die Zeit nutzen um zu schreiben. Ist doch egal wo ich schreibe, ob hier oder in Galati oder wo auch immer. Auf jeden Fall muss ich schreiben. Wir haben nichts verloren wenn wir in dem Nest hängen bleiben. Irgendwo hat doch alles seinen Sinn”, rede ich meine Gedanken ab. “Hm, stimmt. Das beruhigt mich ein wenig. Mir kommt es auch so vor als würden wir auf dieser Tour viele Kilometer in uns selbst zurücklegen. Eine Strecke die nicht nur im Außen abläuft sondern in unserem Geist, der Seele”, meint Tanja. “Ja, genauso fühle ich auch. Wer sagt denn schon wie viel Kilometer wir am Tag bewältigen müssen. Darauf kommt es weiß Gott nicht an. Wir wissen, dass wir es können wenn wir müssen. Das haben wir uns selbst schon oft bewiesen. Ich denke es ist schon lange Zeit zu erkennen, dass Erlebnisse wie diese hier mehr wert sind als Kilometer fressen. Wer hat schon die Gelegenheit stundelang in so einer rumänischen Straßenkneipe zu sitzen und die Leute zu beobachten. Ich finde Mama Maria klasse. Vielleicht etwas zu bestimmend aber auf jeden Fall klasse. Und vor allem sehr nett. Wenn wir nicht den Berg hoch gehechelt wären, sondern mit dem Auto gefahren wären, würden wir nicht hier sitzen. Die Reiseart zwingt einem dazu Außergewöhnliches zu erleben. Das hier gehört dazu. Also können wir deinem Knie danke sagen. Danke für die Rast. Mir gefällt es hier. Ist doch immer der Blickwinkel”, plaudere ich weiter und weiter.

Der Sinti- und Romajunge läuft jetzt zum dritten Mal vorbei und lacht mich an. Er versucht mit mir in Kontakt zu kommen. Der verstohlene Blick auf die Räder ist dabei nicht zu übersehen. Maria übernimmt jetzt die Massage von Tanjas Knie. Sie bringt ein Kissen auf dem Tanja ihr Bein legen soll. Dann spricht sie von Tanjas geschwollenen Beinen und massiert die Schwellung raus. Christi, ihr fettleibiger Mann, wird beauftragt eine Creme zu holen. Er humpelt ächzend davon und bringt eine Salbe für Babypopos. Damit wird Tanja jetzt bearbeitet. Zwischendurch steht Maria auf, um ihre Gäste zu bedienen. Es gibt nichts zum Essen hier. Die Gäste kommen nur zum trinken. “Service”, sagt Maria und stellt uns eine kleine Flasche Eistee auf den Tisch. Hatte grade keine Lust auf Eistee aber was soll ich machen. Maria erzählt von ihren drei Töchtern die alle in Frankreich leben. Obwohl wir nicht ihre Sprache sprechen und sie nicht die Unsrige verstehen wir uns. Ihre Töchter wurden im Rahmen eines Studentenaustausches auf Regierungskosten nach Frankreich geschickt. “Zu Nicolae Ceau?escus Zeiten gab es so etwas noch”, sagt sie. “Meine Kinder sind in Frankreich geblieben. Sie sind dort verheiratet, haben Kinder und fühlen sich wohl. Einmal im Jahr darf ich sie besuchen. Jetzt im August fliege ich wieder rüber”, erzählt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Noch immer massiert sie Tanjas Beine. Mindestens schon 1 ½ Stunden. Ich frage ob es hier eine Pension gibt. “Nein”, hören wir. “Hm, was machen wir jetzt?”, fragt Tanja. “Keine Ahnung”, antworte ich und überlege. Maria springt sofort auf. Wir hören immer wieder das Wort Americano. Es dauert nicht lange und Maria schickt mich mit dem alten, betrunkenen Mann, der vorhin das Brot besorgt hat, los. Der arme Mann humpelt bei dieser Hitze neben mir durch das hässliche Grenzstädtchen. Die Ukraine liegt nur drei Kilometer von hier auf der anderen Seite der Donau. Wir könnten sogar mit einer Fähre rüber fahren wollen aber von Galati nach Moldawien. Wir erreichen das Motel Americano. Es ist abgeschlossen. Keiner da. Eine Frau, die nebenan einen Laden besitzt, sagt uns, dass in zwei Stunden jemand hier sein soll. Also laufen wir wieder zurück. Das Väterchen neben mir hinkt furchtbar und versucht Schritt zu halten. Um ihn nicht zu überfordern zügle ich meine Geschwindigkeit. “Die Hüften”, nuschelt er und zweigt auf seine Gelenke. Mama Maria massiert Tanja noch immer. Sie sagt wir sollen das Motel vergessen und spricht mit einem biertrinkenden, nur leicht angeheiterten Gast. Der nimmt mich mit zu seinem Haus. Der Gast und ich laufen wieder durch das staubige Nest. Bauarbeiter reißen mit dem Pickel die Straße auf. Sie schwitzen in der Sonne erbärmlich. Einer der Arbeiter ruft meinen eventuellen Gastgeber zu sich. “Lass mal in deinen Eimer sehen”, verstehe ich. Der Bauarbeiter und ich entdecken in dem Eimer große Heuschrecken oder Käfer. “Zum angeln?”, frage ich. “Da, zum angeln.” Wir erreichen die Hütte. Im Garten gibt es keine Möglichkeiten ein Zelt aufzubauen. Jeder Zentimeter wird genutzt um irgendetwas anzubauen. Ein kleines Mütterchen betrachtet mich im ersten Moment mit erschrockenem Gesichtsausdruck. Ihr Mann stellt mich vor und erklärt, dass wir eine Bleibe für die Nacht benötigen. Sofort taut sie auf und lächelt mich gütig an. Sie führt mich stolz durch die dunkle Hütte. Die Fenster sind mit Tüchern verhangen. Wahrscheinlich wegen der Hitze. Eine Tür zu einem Nebenraum öffnet sich quietschend. Ein altes Bett kauert in der Ecke. Noch ältere und abgenutzte Kissen und Decken liegen darauf. Das Weiß der Wände ist im Laufe der Jahre vergilbt. Ein Schrank steht dreibeinig an einer der unebenen Wände. Ein Stein ersetzt den vierten Fuß. Eine Glühbirne hängt ebenfalls angegilbt von der Decke. Im Augenwinkel entdecke ich so etwas wie eine Fotografie auf einem wackeligen Tischchen. Wenn wir gut schlichten, könnten wir unsere Ausrüstung mit unseren Körpern in den Raum unterbringen. Die Räder müssten draußen bleiben. In einem Ort mit soviel Sinti und Roma, die anscheinend hauptsächlich von Diebstahl leben? Keine gute Idee. Die Luft ist stickig. In mir bewegen sich Hitzewallungen. “Oh bitte nicht”, flüstere ich und versuche die sehr lieben Menschen anzulächeln. Sie warten gespannt darauf was ich sage. “Ich kann doch nicht ablehnen”, geht es mir durch den Kopf und denke gleichzeitig an die Millionen von Milben die hier hausen müssen. Als der Fischer mir etwas von Moskitos erzählt und ich das Wort Spray verstehe ist meine Entscheidung gefallen. Hier können wir nur im absoluten Notfall hausen.

Wieder im Restaurant angekommen berichte ich Tanja von der Hütte. Maria massiert in der Zwischenzeit ihre Schläfen und den Nacken. Mittlerweile schon zwei Stunden. Ich trinke einen Schluck Wasser und beobachte die Räder während Tanja sich der Massage hingeben kann. Ein Betrunkenes Pärchen, welches sich schon seit Stunden hier befindet, sitzt in der Ecke. Sie beginnen sich heftig zu streiten. Zwei Männer hocken in einem Sofa. Sie ölen ihre Kehlen mit Wodka. Einer ruft Maria die sofort aufspringt um ihm nachzuschenken. Dann geht die Massage weiter. Sinti und Roma tauchen vor der Schenke wieder auf. Sie erspähen unsere Wunderräder, können ihre Blicke kaum abwenden. “Keine gute Idee unseren Besitz über Stunden hinweg der gesamten Stadt zu präsentieren”, geht es mir durch den Kopf. Plötzlich erhebt sich Maria und befiehlt uns die Drahtesel in die Gartenpinte zu bringen. Mehrere Männer haben sich in einem Abstand von etwa 30 Meter davor gesetzt und laut diskutiert. Sie müssen etwas gesagt haben was Maria zu ihrer Aktion veranlasst hat. Uns ist unwohl zumute. Maria schlägt vor hier auf den Pflastersteinen unser Zelt aufzuschlagen. Dann wenn die Gäste weg sind. Bloß wann gehen angetrunkene Gäste? Außerdem können die Sinti ohne Probleme über den Zaun springen und während unseres seligen Schlafes alles klauen. Nein, keine gute Idee. “Ich denke es kommt einem russischen Roulett gleich unsere Bikes heute Nacht im Garten der armen Leute oder hier zu lassen. Auch werden wir in der Hütte dort von Moskitos aufgefressen. Selbst wenn wir unser Moskitonetz aufhängen können machen uns die Milben fertig und der Platz hier auf den schiefen Pflastersteinen? Ich weiß nicht… Ich sollte noch mal zum Americano schauen”, sage ich zu Tanja. “Ist eine gute Idee.” Tatsächlich treffe ich im Americano zwei Frauen an. Zumindest eine von ihnen ist sehr nett. Sprechen sie Französisch?”, fragt sie mich. “Nein, nur Deutsch, Englisch, perfekt Kauderwelsch, ein bisschen Spanisch, Russisch und Zeichensprache”, antworte ich wild gestikulierend und grinsend. Die Frau zeigt mir das Zimmer im ersten Stock. Die Türen und Fenster lassen sich mit der linken Hand eindrücken, auch wenn sie abgesperrt sind. Trotzdem habe ich hier ein gutes Gefühl. Wir einigen uns auf einen Preis von 13 Euro pro Nacht. Viel zu viel für das Loch aber immerhin wirkt es sicher. Glücklich laufe ich zu Tanja zurück. Maria befindet sich nach drei Stunden im Endstation der Megamassage. Tanja fühlt sich in der Tat viel besser. Wen wundert’s.

Wir machen uns auf unsere Ausrüstung in der Unterkunft zu sichern. Sie muss so schnell als möglich von der Straße. Man muss die Menschen ja nicht bis zur Weißglut reizen. Im Americano sind wir wie so oft die einzigen Gäste. Wir schleppen unser Zeug die Treppe hoch. Ein Sintijunge klammer am Zaun und bettelt. Er beobachtet genau wo wir unterkommen und was wir haben. Der Besitzer des Americano arbeitet in Amerika. Klar. Außerdem ist er Jäger und hat einen scharfen Hund. Als der Hund den Jungen am Zaun sieht dreht er regelrecht durch. Der Junge verschwindet. Im Zimmer stellen wir die Betten zusammen. Alte Pariser und Schmutz taucht auf. Das einzige Schränkchen auf dem der verstaubte Fernseher steht ist kaputt. Die Tür klappt auf den Teppich weswegen uns das Schränkchen anzugähnen scheint. Tanja hängt unser neues Brettschneider-Moskitonetz auf. Wir tragen aus dem Vorraum zwei Bierbänke als Ablage in das Zimmer und unser Lager ist perfekt. Immerhin viel besser als der Milbenbunker oder die Pflastersteine. Vor allem sind unsere Räder in einem extra Raum im Parterre hinter einer eisernen Tür verriegelt.

Am Abend finden wir uns wieder bei Mama Maria ein. Sie begrüßt uns sehr herzlich, bietet uns sofort einen Platz an und bringt zwei Bier die wir zahlen dürfen. Kaum haben wir sie leer getrunken stehen die nächsten zwei auf dem Tisch. Die Pinte ist jetzt gut besucht. Es wird kräftig konsumiert. Der Brotholer ist mittlerweile völlig dicht. Er hat seinen Kopf auf den Händen geparkt. Ab und an hebt er ihn abrupt hoch und lallt auch für die Rumänen Unverständliches. Maria lädt uns zum Essen ein. Es gibt Tomatensalat, Schafskäse, Hartwurst und gequältes Weißbrot. Als wir um 23:00 Uhr gehen wollen drückt sie uns wieder in die Stühle. Ein lokaler Politiker setzt sich zu uns an den Tisch. Weitere Bier werden zu uns gestellt. Wir können nicht mehr. Nach so einem Tag sind wir wieder am Ende unserer Kräfte. Trotzdem müssen wir trinken. Der Politiker spricht auf uns ein. Wir verstehen kein Wort. Er fordert uns auf im zu folgen. Wir tappen durch das nächtliche, schmutzige Grenznest. “Dort ist mein Haus”; zeigt er über einen Zaun. Ein Schild in rumänischer Sprache erklärt die Position des Mannes. Wir verstehen nur etwas von Grenzpatrouille. Wieder im Trinkladen erzählt er uns etwas über seine Töchter, der Familie und Deutschland. Mir knicken die Augen ein und Tanja rutsch bald aus dem Stuhl. Mit aller Kraft erheben wir uns und schaffen es uns zu verabschieden. Vorsichtig treten wir unseren Heimweg an. Vor einer Bar schwankt ein Betrunkener über die Straße. Jugendliche stehen vor der Bushaltestelle und blicken zu uns herüber. Ein Pferdewagen holpert hinter uns. Musik und lautes Gegröle hämmert aus einer Schenke. Immer wieder sehen wir uns um. Wir wollen ja keine Paranoia bekommen aber es fällt uns schwer locker zu bleiben. Als wir das Americano erreichen liegt es in völliger Finsternis. Die zwei Damen sind Zuhause. Der Hund ist eingesperrt. Wir hören nur sein tiefes Bellen. Vorsichtshalber zücken wir unser Pfeffergas und betreten das Geisterhaus. Ein Blick auf das Schloss und die eiserne Tür verrät, dass unsere Räder unberührt ruhen. Wir steigen die knarrende Treppe zu unserem Zimmer hinauf und sperren die Tür zu einem weiteren Raum auf. Als wir den Lichtschalter betätigen blendet uns eine Lichtorgel in verschieden grellen Farben. Plötzlich müssen wir lachen. Welch skurrile Situation. Die Fenster sind noch alle verschlossen Alles ist in bester Ordnung. Keiner hat uns überfallen. Wir putzen unsere Zähne und schlüpfen unter das Moskitonetz. Bevor ich einschlafe höre ich die Blutsauger laut surren. Ich denke über den Tag nach. Mein Magen beginnt sich zu beschweren. Die Wurst war bestimmt zu fettig.

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