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Für Rufus wird es noch mal richtig ernst

N 23°45’23.2’’ E 141°09’37.2’’

Diamantina Lakes-Camp — 09.10.2002

Am Morgen sieht Tanjas Zeigefinger viel besser aus. „Er brennt nicht mehr und der Riss hat sich schon etwas geschlossen. Auch Jafars Eiterbeule hat sich über Nacht nicht mehr gefüllt. Istans Wunde sieht ebenfalls gut aus. Die Geschwulst ist vollkommen zurückgegangen. Jedoch fließt immer noch ein wenig Eiter heraus. Ohne von gespenstischen Geräuschen in Panik versetzt zu werden lassen sich unsere Boys beladen. Die Temperaturen sind heute etwas besser und wir kommen gut voran. Gegen 11:00 Uhr überqueren wir die nächste groß Wasserbarriere, den Diamantina River. An der Stelle, an der ihn der Track durchquert, ist er nur knapp vier Kilometer weit. Wie auf einer Achterbahn geht es auf und ab. An machen Stellen scheint das Flussbett bald 10 Meter tief zu sein. Zweifelsohne ist hier während der Regenzeit kein Durchkommen.

Wir erreichen das Hauptquartier des Nationalparks und das Wohnhaus des Rangers. Während Tanja bei den Kamelen bleibt, mache ich mich auf, um den Ranger unsere Ankunft zu melden. Im Gegensatz zu den meisten Homesteads im Outback erzeugt hier eine beeindruckend große Solaranlage den Strom für die wenigen Häuser. Es ist eine Wohltat für Körper und Seele. An allen anderen Orten die wir bisher aufsuchten, knattert unaufhörlich ein lauter Generator, der sich nicht selten im Zentrum des Geschehens befindet.

Noch bevor ich mich vorstellen kann, weiß Natalie, die Frau des Rangers, wer ich bin. „Ah der Kamelmann,“ ruft sie und begrüßt mich lachend. „Ich wollte nur fragen ob wir unsere Kamele hier irgendwo tränken und ein wenig Wasser für uns abfüllen dürfen?“ ,frage ich. „Klar, dort hinter der Scheune findet ihr zwei Regenwassertanks und an dem Wasserhahn daneben könnt ihr das Wasser für eure Kamele entnehmen. Es ist Flusswasser welches wir hier heraufpumpen. Es sieht zwar braun aus ist aber recht gut,“ erklärt sie freundlich. „Gibt es denn noch Wasser im Fluss?“ „Ja, es gibt einige große, natürliche Auffangbecken die normalerweise nie austrocknen.“ „Da habt ihr bei der Trockenheit aber Glück.“ „Stimmt, Wasser ist hier draußen überlebensnotwendig,“ lacht sie.

Nach einem weiteren kurzen Gespräch führen wir unsere Tiere zur beschriebenen Stelle und tränken sie. Obwohl sie erst zwei Tage ohne Wasser sind saufen sie zusammen 130 Liter. Als uns dann der ebenfalls freundliche Alex begrüßt, frage ich ihn nach dem besten Weg zur Mount Windsor Homestead. „Wenn du am Ende der Landepiste den Weg folgst kommst du zu einem Zaun. Ihr haltet euch auf dessen rechten Seite, bis ihr auf ein offenes Tor trefft. Dann befindet ihr euch an einem anderen Zaun der euch ca. 25 Kilometer durch den Nationalpark führt, bis ihr auf die Mount Windsor Station trefft. Dort müsst ihr nur noch den Mayne River überqueren,“ erklärt er und deutet mit seinem Finger auf meine Karte. „Wo schlagt ihr denn heute euer Camp auf?“ ,möchte er noch wissen bevor wir die ehemalige Homestead Diamantina Lakes hinter uns lassen. „Dort hinten an dem Hügelzug sieht es nach Grünzeug aus. Ich glaube da werden wir bleiben,“ antworte ich. „Wir kommen euch heute Abend besuchen,“ sagt er.

Unter einem ausladenden Gidyeabaum finden wir einen wunderschönen, schattigen Campplatz. Die Kamele haben in unmittelbarer Nähe viele verschiedene Büsche an denen sie sich den Bauch voll schlagen können. Tanja ist gerade im Begriff sich auf ihrem Campbett niederzulassen als Scheinwerfer den nächtlichen Himmel durchbohren. „Ich glaube sie kommen tatsächlich,“ sage ich. Minuten später begrüßen wir den Ranger, seine Frau und die kleine Tochter namens Brie. Natalie überreicht Tanja ein paar Orangen, Äpfel, eine selbst gezüchtete Gurke, einen selbstgebackenen Kuchen und einen Knochen für Rufus. „Oh, vielen Dank,“ freut sich Tanja aus ganzem Herzen. „Ich habe mir gedacht, dass ihr frische Sachen am meisten liebt.“ „Ja, Frisches ist hier draußen eine echte Kostbarkeit,“ gibt ihr Tanja recht.

Wir entzünden noch mal das Feuer, stellen unseren Besuchern die Kamele vor und erzählen über unsere Expedition. Im Laufe der Unterhaltung erfahren wir von Alex, dass wir ungeheuerlich auf Rufus aufpassen müssen. „Ich habe gehört, dass in der Gegend um Longreach fünf Tonnen (5000 Kilogramm) vergiftete Köder aus dem Flugzeug abgeworfen wuden, um wilde Hunde und Dingos zu bekämpfen. Die Dinger liegen also überall herum. Vor einigen Jahren ist unser eigener Hund an einem Dingoköder elendig verreckt. Ich sage euch, das ist kein schöner Anblick. Sollte euer Rufus einen dieser Köder erwischen, müsst ihr ihn sofort erschießen. Die Qualen sind entsetzlich.“ „Oh weh, jetzt ist unser tapferer Hund so weit gelaufen und geritten. Er hat so viele Gefahren überlebt und jetzt, auf die letzten tausend Kilometer, wird es wieder richtig ernst. Die Dinger können ja auch im Camp liegen. Wie sollen wir sie denn sehen?“ „Ihr könnt Rufus nur durch eine strickte Kontrolle heile durch das Land bringen. Er muss immer an der Kette sein und am besten ist es wenn er immer reitet. Doch ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen, selbst dann ist es eine Glückssache einen Hund heile durch solch ein derartig verseuchtes Gegend zu bringen,“ warnt er uns eindringlich.

Es ist bereits 20:30 Uhr als sich die Familie von uns verabschiedet. Kaum verschwinden die Autoschweinwerfer in der Schwärze der Nacht hüpfen wir in unsere Schlafsäcke.

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