Fährüberfahrt – Tourismus in Norwegen
N 67°52’47.9’’ E 012°58’40.9’’Datum:
24.09.2020 bis 25.09.2020
Tag: 053 – 054
Land:
Norwegen
Ort:
Å i Lofoten
Tageskilometer:
12 km
Gesamtkilometer:
5003 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Fähre
1
Brückenüberquerungen:
0
Tunneldurchfahrten:
1
Sonnenaufgang:
06:49 Uhr bis 06:53 Uhr
Sonnenuntergang:
19:11 Uhr bis 19:07 Uhr
Temperatur Tag max:
8°
Temperatur Nacht min:
5°
Windböen
100 km/h
Aufbruch:
16:45
Ankunftszeit:
19:50
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
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Als war alles nur ein Spuk, hat sich der Sturm mit seinen hässlichen Böen verzogen. „Alles ruhig“, sage ich in unserem kuschligen Bett liegend den neuen Tag angähnend. „Die Sturmböen haben mich irgendwie in den Schlaf geschaukelt“, sagt Tanja. „Gut, dass sie uns nicht umgeschaukelt haben“, antworte ich amüsiert. „Wollen wir hier bis heute Nachmittag bleiben oder gleich zum Hafen fahren und dort auf die Fähre warten?“, fragt Tanja. „Eigentlich egal, wo wir warten. Hier ist es sicherlich ruhiger als auf dem nüchternen Hafengebiet. Andererseits haben wir kein Ticket gekauft und da die Fähre gestern wegen dem Sturm nicht gefahren ist, könnte sie heute ausgebucht sein“, überlege ich. „In dem Fall ergibt es Sinn, frühzeitig dort zu sein“, sagt Tanja. „Na dann lass uns aufbrechen“, entscheide ich. Auf dem Weg zum Hafen suchen wir an einer Tankstelle freies WLAN. Leider ohne Erfolg. „Lass uns in Bodø bei einer der Fast-Foodrestaurants nach einer WLAN suchen“, schlägt Tanja vor. Dort angekommen landen wir im Untergeschoß eines Gebäudes in einem lichtlosen Fast-Foodrestaurant. „Tut mir leid, wir haben kein WLAN“, entschuldigt sich der Restaurantchef. In einem anderen Restaurant gibt es ein technisches Problem. „Na, dann können wir unseren aktuellen Podcast nicht hochladen“, ist Tanja enttäuscht. „Die Abhängigkeit von diesem blöden Internet ist echt nervig“, antworte ich die Terra zum Hafen steuernd. Der große Platz, auf dem sich normalerweise die Lastwägen, Autos und Motorräder reihen, um auf die Fähre zu gelangen, ist noch völlig leer. Ich nutze die Zeit des Wartens, um diesen Text zu schreiben, während Tanja an ihrer Wolljacke strickt. Gegen Mittag erreichen mehr und mehr Fahrzeuge den Platz und reihen sich in die länger werdenden Warteschlangen ein. Von Zeit zu Zeit gleitet mein Blick vom Bildschirm meines Laptops nach draußen. Junge Rucksackreisende stehen ein paar Meter neben uns. Bei ca. 7 Grad springen einige von ihnen auf und ab, um sich zu wärmen, andere beginnen ausgelassen zu tanzen, während manche ihren kleinen Gaskocher auspacken und sich eine Fertigsuppe warm machen. Um 16:15 Uhr kommt Bewegung in die Wartenden. Fahrer steigen in ihre Autos, die Traveller haben ihre Kocher eingepackt, ihre Rucksäcke geschultert und laufen zur Anlegestelle. Ein Angestellter der Fährgesellschaft kommt vorbei, macht ein Bild von unserem Nummernschild und fragt nach der Fahrzeuglänge. Wir müssen nichts bezahlen. „Die Rechnung wird Ihnen zugeschickt“, sagt der Mann. „Weißt du eigentlich, was die Überfahrt kostet?“, frage ich Tanja. „Nein, ich habe zwar gestern gefragt, aber keiner wusste, was es kostet. Im Büro sprachen sie davon, dass man wegen Corona alles auf die digitale Erfassung umgestellt hat und die Rechnung zugeschickt bekommt.“ „Wie sich die Zeiten ändern. Corona ist ein echter Beschleuniger im digitalen Zeitalter. Menschen werden entlassen, Kameras übernehmen die Erfassung, Computer den Rechnungsversand und wenn dabei irgendetwas schiefläuft, hat man mit hoher Wahrscheinlichkeit schlechte Karten.“ „Wie meinst du das?“, fragt Tanja. „Na an wen sollen wir uns wenden, wenn die unsere Terra mit einer falschen Fahrzeuglänge angeben oder sie uns die Daten eines anderen Fahrzeuges eintragen? Denke es kann schnell geschehen, dass Fehler passieren und die Überfahrt doppelt so teuer wird. Das gibt eine unangenehme Schreiberei und Computer täuschen sich nicht, außer sie haben eine Macke.“ „Sei mal nicht so pessimistisch. Es wird schon alles gut gehen.“ „Ich bin nicht pessimistisch, sondern dem ganzen KI-Kram (Künstliche Intelligenz) gegenüber skeptisch eingestellt. Aber was solls, die Zeiten ändern sich rapide schnell. Entweder man geht mit der Zeit oder das System und die Gesellschaft spucken einen aus. Ich hingegen möchte nicht ausgespuckt werden, sondern mich dem digitalen Fluss anpassen. Das ist die einzige Möglichkeit, um zumindest einen kleinen Einfluss zu bewahren und sicherlich die einzige Möglichkeit, um mitreden zu können“, sage ich, als einige Autos und Lastwägen um uns herum den Motor anlassen. Obwohl wir in der vordersten Reihe stehen, werden alle Pkws an uns vorbei gewunken. „Wahrscheinlich dürfen Lastwägen erst zum Schluss auf die Fähre“, vermute ich. Als alle Pkws hinter und neben uns im Laderaum des Fährschiffes verschwunden sind, winkt uns einer der Einweiser zu. Endlich darf die Terra Love über die Laderampe in den Bauch des Schiffes rollen. Wegen den Herbststürmen werden die Lkws zusätzlich mit starken Gurtbändern an den stählernen Bodenplatten der Fähre verzurrt. „Da kann man nur hoffen, dass jeder der Autofahrer die Handbremse angezogen hat“, meine ich aus der Terra aussteigend. „Hast du gesehen, was auf dem kleinen roten Auto vor uns geschrieben steht?“, fragt Tanja. „Fiat Panda 4×4“, lese ich auf der Heckklappe des betagten Winzlings. Er ist bis unters Dach mit Outdoorausrüstung geladen und weil das dem jungen italienischen Pärchen nicht ausreicht, haben sie ihr Gefährt noch einen mächtigen Dachträger verpasst, auf dem sich ebenfalls Ladung häuft. „Nein ich meine die schwarzen Aufkleber“, sagt Tanja. „Save the Panda? Ha, ha, lustig“, lache ich. „Nein den Aufkleber daneben.“ „NO AIRBAGS – WE DIE LIKE REAL MAN“, (Keine Airbags – Wir sterben wie echte Männer), lese ich und krieg mich diesmal vor Lachen nicht ein. „Zu lustig“, sage ich, und als wir die Italiener später auf Deck treffen, strecke ich meinen Daumen in die Höhe. „Ihr habt wirklich ein klasse Auto“, sage ich. „Ihr auch“, antworten sie lachend.
Pünktlich um 16:45 legt das moderne Fährschiff ab. Mit uns sind weitere drei Wohnmobile und zwei Pkws aus Deutschland geladen. Die anderen Gäste inklusiver der Traveller sind Norweger. Im Jahre 2019, also vor Corona, haben alleine die Kreuzfahrtschiffe 6,3 Millionen Passagier an 2135 Häfen Norwegens ausgespuckt. An den norwegischen Flughäfen hat man 40 Millionen ankommende und abfliegende Passagier gezählt. 2019 haben 35,2 Millionen Menschen in Beherbergungsbetrieben übernachtet im Verhältnis zu nur 5,433 Millionen Einwohnern eine ungeheure Zahl. Im Jahr 2018 war der Umsatz durch Tourismus bei ca. 6 Milliarden Euro und jetzt ist das Land bis auf ein paar Reisende, die trotz Corona über die Grenzen gekommen sind, fast leer.
Obwohl uns auf dem Oberdeck kalter Wind um die Ohren bläst, stehen wir dort, um die Hafenausfahrt zu beobachten. Die Stadt Bodø, die am äußersten Ende einer Halbinsel liegt, die in den Vestfjord ragt, wird langsam kleiner. Als die Fähre nach rechts in Richtung Nordwesten die größer werdenden Wellen durchpflügt, verschwindet die Stadt hinter einer Felszunge. Heftiger Wind und Nieselregen vertreiben uns unter Deck. Wir setzen uns ans Fenster, auf eine der noch freien gepolsterten Sitzbänke und blicken auf das Meer. Starker Regen peitscht jetzt gegen die Scheiben. Die Wellen sind wegen des gestrigen Sturmes noch beachtlich hoch, aber das Schiff scheint gute Stabilisatoren zu besitzen, zumindest schaukelt es nicht all zu schlimm. Coronasicherheitshinweise schallen durch die Bordlautsprecher. Die Stimmung an Bord ist gut. Die Menschen holen sich Bockwürste und Pommes aus der Kantine, andere scrollen in ihren Smartphones rauf und runter, während Tanja strickt, und ich versuche, eine Mütze voll Schlaf zu tanken.
Nach 3 ½ Stunden erreichen wir das Dorf Moskenes am südwestlichen Ende der Inselgruppe Lofoten. Es ist bereits stockdunkel. Die Fähre spuckt ihre Passagiere und Fahrzeuge aus. Da wir letztes Jahr schon mal auf Lofoten waren, wissen wir genau, wohin wir wollen. „Weißt du noch, wie weit es bis zu dem Dorf Å ist?“, fragt Tanja. „Nicht mehr als 5 oder 10 Kilometer“, erinnere ich mich die Terra über die verregnete, vom Wind gepeitschte, sehr schmale Straße steuernd. Nach ca. fünf Kilometer saugt uns das schlecht beleuchtete Schwarz eines kurzen Tunnels ein, dann erreichen wir wieder den Parkplatz, der zugleich das befahrbare Ende der Inselgruppe Lofoten ist. „Schau dir das an. Hier stehen nur zwei Fahrzeuge“, sage ich, da wir letztes Jahr früh um 5:00 Uhr Glück hatten, einen Slot für die Terra zu ergattern. Konzentriert blicke ich in die Rückfahrkamera, um das Heck der Terra zwischen zwei vom Wind gebeutelte Bäume einzuparken. Kaum stehen wir, schaben die Äste mit unangenehmen Geräuschen links und rechts an der Kabine. „Ich parke noch mal um“, entscheide ich. „Soll ich aussteigen und dich einweisen?“, fragt Tanja. „Ja bitte.“ Bei noch stärkeren Windböen, wie wir sie gestern in Bodø erlebten, stehen wir mit den zwei anderen wie verlorenes Treibgut am Ende der Welt und hoffen, dass die Windböen nicht zunehmen. „Laut Wetterapp fegen Böen von 100 km/h über uns“, sage ich in mein Smartphone blickend. „Ist das für uns gefährlich?“, fragt Tanja leicht nervös. „Solange keine Äste und Bretter umherfliegen, ist das kein Problem.“ „Und woher wissen wir, dass nichts herumfliegt?“ „Weil wir auf einen aufgeräumten Parkplatz stehen. Da liegt nichts herum“, beruhige ich Tanja. Wie jeden Abend bereitet Tanja uns ein Essen, während ich die Logdaten und Kurzaufzeichnungen des Tages in den Laptop tippe…