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Deutschland/Nürnberg

Ein Traum wird wahr

Deutschland/Nürnberg — 04.06.2007

“Geht es wirklich wieder los?”, frage ich mich und sehe aus dem Fenster meines Büros auf die Dorfstraße. Lachend und freudig johlend spielen die Nachbarskinder Blindekuh. Nachdenklich sehe ich ihnen zu. Nur noch wenige Stunden und dann werden wir unser Lebensprojekt “Die große Reise” tatsächlich fortsetzen. Irgendwie kann ich es noch immer nicht richtig glauben, kann mein Glück kaum begreifen. “Fang mich! Fang mich doch!”, schallen die hellen Kinderstimmen zu mir herauf. “Glück und Unglück liegen so unglaublich nahe beieinander”, geht es mir durch den Kopf. Ein kleiner Schritt in die falsche Richtung, eine kleine Unaufmerksamkeit, eine unachtsame Bewegung und das Leben kann in eine völlig unerwartete Richtung stürzen. Möglich ist alles in diesem Leben. Höhen und Tiefen, Tiefen und Höhen, Lachen und Weinen, es wechselt wie ein Pulsschlag. Ich möchte mich nicht darüber beklagen, denn genau das macht unser Leben aus, gibt ihm die Würze, Spannung, Zufriedenheit und Glücksgefühle. Im Augenblick fühle ich mich als würde ich die Spitze einer Welle surfen, denn mein Wunschleben, unser Traum, reisen und die Welt für uns zu erforschen, darf weitergehen.

Vor knapp einem Jahr waren wir schon mal soweit, um die zweite Etappe unserer Trans-Ost-Expedition zu beginnen. Wie es das Schicksal anscheinend geplant hatte kamen wir nicht weit. Genau gesagt stolperte ich nur ca. 250 Meter hinter unserem Hotel in Bukarest mit meinem schwer beladenen Fahrrad etwas unglücklich den Gehsteig hinunter. Um nicht zu fallen fing ich mich mit dem rechten gestreckten Fuß auf dem Asphalt ab. Die Folgen waren fatal und nach einer tagelangen Leidenstortur endete ich in einem Krankenhaus in Bukarest. “Sie müssen sich so schnell wie möglich operieren lassen”, schockte mich der Arzt. Da ich gelähmt und nicht transportfähig war stimmten meine Frau Tanja und ich notgedrungen einer Rückenoperation zu.

Nach der geglückten OP strahlte ich Tanja an. “Weißt du was mit mir geschehen ist?”, fragte ich sie. “Wie soll ich die Frage verstehen?”, wollte Tanja wissen. “Nun, ich hatte heute Morgen einen Tagtraum. Es war so etwas Ähnliches wie eine Vision. Es war so als wäre der grausame Schmerz durch meinen gesamten Körper gebrannt wie ein Feuer. Ein Feuer das alles was ich einmal war völlig vernichtet hat. Völlig verbrannt. Verstehst du? Dieses Feuer hat nichts hinderlassen, nur Asche. Aber es ist keine tote Asche, sondern eine Asche voller Energie. Eine Asche die sehr nährreich ist. Letztendlich ist diese Asche nichts anderes als ein Dünger, ein Dünger der den Boden noch fruchtbarer macht. Ich fühle als wäre in mir alles klar, alles rein. Ich fühle als hätte ich jetzt die einmalige Gelegenheit in meinem Leben neue, junge Samen in meine frisch gedüngte Erde zu setzen. Samen für eine Veränderung. Samen für neue Ideen. Samen des Glücks und der Harmonie. Obwohl ich glaube schon immer auf dem richtigen Weg gewesen zu sein habe ich für meine Begriffe zu viel gearbeitet. Jetzt besitze ich die neue Chance Dinge die sich im Laufe der Jahre in mir eingenistet haben zu ändern, denn der alte Denis ist in den letzten Tagen restlos verbrannt. Es ist ein fantastisches Gefühl, eine fantastische Chance, die ich nutzen möchte. Ich möchte etwas verändern. Ich möchte noch mehr Glückseeligkeit, noch mehr innere Freiheit, um die Details im Leben zu erkennen, um zu erkennen welcher Schatz dieses Leben bedeutet”, plauderte ich.

Jetzt, ein Jahr danach, kommt mir die Situation immer noch so vor als wäre es erst gestern gewesen. In der Tat habe ich bisher viel gelernt und gehe Aufgaben und Herausforderungen, die auf uns zukommen, gelassener an. Es hat sich bewährt, denn ich habe mich schon seit Jahren nicht mehr so fitt gefühlt. Drei bis viermal trainierte ich seither jede Woche. Mein Rücken fühlt sich gesund und stark an. Jetzt kommt es darauf an ob er hält was er verspricht, ob er mir den Halt von griechischen, römischen oder ägyptischen Tempelstützsäulen gibt.

Auf unserer geplanten Trans-Ost-Expedition wollen wir mit dem Fahrrad, Pferd und Elefant 25.000 Kilometer von Deutschland bis nach Burma (Myanmar) gelangen. Fünf Jahre haben wir uns dafür Zeit genommen. Fünf Jahre um die Länder, Völker, Kulturen im Osten kennen und verstehen zu lernen, um sie in Schrift, Bild und Film zu dokumentieren.

In den kommenden Monaten wollen wir ca. 6.000 bis 7.000 Kilometer von Rumänien, Moldawien, Ukraine bis nach Russland zum Ural radeln. Wenn alles gut geht wird diesmal der russische Winter die Reise unterbrechen und nicht irgendein Unfall. Wir sind guten Mutes, voller Tatendrang und freuen uns ganz besonders darauf diesmal unser Lebensprojekt mit einer Baumpflanzaktion zu vereinen. Mit unseren Lesern planen wir 25.000 Bäume ins Leben zu rufen. Pro Kilometer ein Baum. Wenn das klappt sieht das am Ende wie eine grüne Ader aus die sich von Deutschland bis nach Burma schlängelt. Unser Partner, das Bergwaldprojekt www.bergwaldprojekt.de, werden die Baumsetzlinge dort pflanzen wo sie von Nöten sind. Welch ein aufmunternder Gedanke mit unserer Reise Mutter Erde direkt und unbürokratisch helfen zu können. Schon heute haben wir 250 Bäume zusammen. “Wie viele unserer Leser werden wohl einen Baum für unsere gemeinsame Lebensplattform spenden?”, frage ich mich als ich Tanja rufen höre. “Denis wo bleibst du denn? Wir müssen los!” “Ja, ja ich komme”, antworte ich und werfe noch mal einen prüfenden Blick ins Büro.

Spenden sind herzlich willkommen unter:
Bergwaldprojekt e.V.
Stichwort: Grüne Ader
GLS Gemeinschaftsbank
BLZ 43060967
Kontonummer 8022916200

Abschied von unserer Familie und FreundenAuf dem Bahnsteig wartet bereits das Fernsehteam von Franken TV. Noch bevor Interessierte und Freunde kommen geben wir unserem örtlichen Sender ein Interview. Es dauert nicht lange, bis die ersten Freunde uns freudig umarmen und uns Glück für die Reise wünschen. Wir plaudern, scherzen und lachen. Eine Pressefotografin knipst heiter drauflos, um den heiteren Moment festzuhalten. “Der Zug kommt!”, ruft jemand. Die Aufregung wird noch größer. Der Bahndamm ist überfüllt mit Reisegästen die alle in den ICE wollen. Unsere Leute bilden eine Kette und reichen auf diese Weise die Gepäckstücke zu uns durch. Der Schaffner beklagt sich, trotzdem wir gelacht und gescherzt. Noch eine schnelle Umarmung. “Passt auf Euch auf”, sagt meine Mutter leise. “Ganz bestimmt. Diesmal wird alles positiv laufen”, verspreche ich. “Lasst es euch gut gehen! Viel Glück!”, vernehmen Tanja und ich im hektischen Treiben als sich die Tür des Schnellzuges mit einem schmatzenden Laut gnadenlos schließt. Aufatmend lassen wir uns in die bequemen Sitze sinken. “Wir sind tatsächlich wieder unterwegs”, flüstere ich ausschnaufend. “Ja”, lächelt mich meine Tanja zuversichtlich an.

Stunden später steigen wir in Wien um und schlichten unser Gepäck in das Schlafabteil des Zuges nach Bukarest. Da wir unsere Fahrräder in Rumänien lassen mussten geht alles reibungslos und ohne jeglichen Stress. Als die rostige, sehr betagte eiserne Schlange in Richtung Osten los ruckt, genießen wir unsere Vesper die uns meine Mutter eingepackt hat. Wir lassen uns Fleischklösse, leckeren Kartoffelsalat und Bier aus der Dose munden. Zufrieden beobachten wir die an uns vorbei fliegende Landschaft. In Gedanken versunken folgt mein Blick dem Auf und Ab der Hügel, gleitet über Äcker, stiehlt sich für Augenblicke durch schmutzige Fenster, bewundert große Windräder die sich mit ihren großen Schaufeln durch die Dämmerung arbeiten. “Schließen sie ihr Abteil”, warnt uns der Schaffner vor eventuellen Dieben. Da wir jetzt zum zweiten Mal in diesem heruntergekommenen Zug von Österreich, Ungarn nach Rumänien rattern, wissen wir Bescheid und befestigen einen Riemen am Türgriff, um diesen mit der Gepäckablage zu verbinden. Somit ist es für Diebe unmöglich die Abteiltür von außen zu öffnen.

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