Ecuador 1987
Kannibalen am Rio Shiripuno?
(Seltener Kontakt zu den legendären Auca-Indianern )
Plötzlich herrscht Aufruhr und Geschrei. Die Auca-Indianer versammeln sich in der nur vom Feuer beleuchteten Strohhütte um zwei große Töpfe. Die riesigen Behältnisse erinnern mich an Kannibalengeschichten in Afrika, in denen man nach alten Erzählungen Menschen gekocht hat. Neugierig beobachte ich sie und bin gespannt, was geschieht. Ungeniert greifen Frauen, Männer und Kinder mit ihren Händen hinein und fischen Knochen und Fleischstücke heraus. Dampf steigt aus den Gefäßen, um sich Sekunden später im Blätterdach der Hütte zu verflüchtigen. Die Stimmung ist befremdlich, ja fast unheimlich. Die Urwaldbewohner schlürfen und schmatzen, lassen dem Überdruck ihres Magens ungeniert freien Lauf, schlecken ihre Hände bis zum Ellenbogen ab und langen immer wieder schnell in den heißen Sud. Die entstandene Geräuschkulisse hat etwas einmaliges, bald tierisches. Gebannt verharre ich in einer dunklen Ecke der Hütte und verfolge ein Schauspiel, wie ich es noch nie in meinem Leben zu Gesicht bekommen habe. Nur kurz werden meine Blicke von den etwa drei Meter langen Blasrohren und Speeren, die an einem Stützbalken der Hütte gelehnt sind, abgelenkt. An einer armdicken Querstrebe, die von Holzpfosten zu Holzpfosten gebunden ist, hängen Köcher, in denen sich hunderte, etwa 3 Millimeter dünne, mit Curare Gift behandelte Blasrohrpfeile befinden.
„Ööörrr!“, fordern die Essgeräusche schnell wieder meine Aufmerksamkeit. Neugierig nähere ich mich langsam, um zu sehen was in den Töpfen vor sich hinköchelt. Entsetzt springe ich einen Schritt zurück, als mein Blick in einen der Töpfe Rückenwirbel, Hände und Gliedmaßen aller Art entdeckt. Meine Augen wandern wie hypnotisiert in den anderen Topf. Nacktes Grausen, Übelkeit und Angst packen mich, als ich die aufgeplatzten Köpfe mit abrasierten Haaren und hervorquellenden Augen im eigenen Sud wahrnehme. „Kannibalismus!“ , rufe ich gepresst. Gallo unser Freund und Führer lacht laut heraus. „Was gibt es denn da zu lachen?“, frage ich entsetzt. „Mono“ (Affen), sagt er…
Viele Tage verbringen wir bei den Auca–Indianern, die am Rio Shiripuno, im Herzen des Ecuadorianischen Urwaldes, leben. Noch nie hatte ich einen Kontakt zu heute noch in der Steinzeit lebenden Menschen. Mit meiner ersten Expedition zum Ursprung der Menschheit hat sich ein ein lang gehegter Traum verwirklicht und gleichzeitig eine Neue Welt der Realität offenbart. Schnell musste ich feststellen, wie bedroht diese Menschen wirklich sind. Im Laufe der Zeit spürte ich eine innere Verbundenheit zu ihnen, spürte, dass ich etwas gegen ihre Bedrohung tun muss.
Nur noch wenige Gruppen der Sammler und Jäger ziehen wie eh und je durch den hintersten Winkel der grünen Hölle. Die Aucas, die sich selbst Huarani, Menschen, nennen, wird es nicht mehr lange geben. Viele von ihnen darben schon seit Jahren in Slums und sterben an den verschiedensten Zivilisationskrankheiten. Ihr Pech ist, dass sie auf riesigen Ölvorkommen leben. Selbst wenn sie erst vor wenigen Wochen vier Ingenieure mit ihren Speeren töteten, um ihr Land zu verteidigen, wird ihnen das nichts nützen. Die westliche Zivilisation drängt sie immer weiter zurück, bis es auch in den scheinbar endlosen Urwäldern dieser Erde keine Rückzugsmöglichkeit für sie mehr geben wird.
Wenn es die Zeit zulässt, werde ich in der Rubrik “Tagebücher Ecuador Aucas” einen Erlebnisbericht über unseren Kontakt zu den legendären Auca-Indianern veröffentlichen.
Ecuador 1987
Erste Professionelle Expedition. Expedition ins Amazonasquellgebiet zu den Auca-Indianern. Auf der Suche nach den Auca-Indianern fuhr Denis Katzer 400 Kilometer mit einem Einbaum durch den Urwald von Ecuador und dokumentierte das vom Aussterben bedrohte Volk der Aucas (Waorani-Indianer).