Den Augenblick zu genießen klingt so theoretisch und einfach
Tag: 42 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
06:25
Sonnenuntergang:
17:35
Temperatur - Tag (Maximum):
30 Grad
Edgar Kampf-Camp — 27.07.2001
Leichter Wind weht über unser Lager. Der Himmel ist absolut wolkenlos und hellblau. Der Horizont liegt in leicht milchigem Dunst und vereint sich mit dem Grün der Ebene. Vögel zwitschern über unseren Köpfen und flattern scheinbar spielerisch hin und her. Fliegen schwirren mir ums Gesicht und Insekten brummen in den Blüten der Buschpflanzen. Es ist also ein traumhafter Tag in der Wüste. Sie zeigt sich von ihrer versöhnlichen Seite und gibt uns die Möglichkeit aufzuatmen. Unseren Kamelen geht es unverändert schlecht. Sie wollen nicht fressen und als ich ihnen einen Eimer unserer knappen Wasservorräte hinhalte, nippt Goola wie ein Insekt daran. Immer wieder taucht er seine Lippen in das Wasser ist aber nicht in der Lage die lebensnotwendige Flüssigkeit zu saufen. Seine Lippen tropfen als er seinen Kopf hebt doch der Eimer ist genauso voll wie vorher. Er sieht mich an wie im Delirium, schwankt wie ein Trunkener hin und her und scheint seine Koordination verloren zu haben. Nach wie vor verweigert er jegliche Nahrungsaufnahme worauf sein Körper mehr und mehr auszehrt. Seine Hüftknochen kommen zum Vorschein und seine traurigen Augen liegen tief in ihren Höhlen. „Oh Goola, wann willst du endlich wieder der alte sein? Wie lange soll das gehen? Du wirst hier nicht sterben, verstehst du! Trink endlich und reiß dich zusammen! Komm, bitte bitte trink einen Schluck,“ vordere ich ihn auf, doch er sieht mit seinen leeren Augen durch mich hindurch. Istan verhält sich sehr ähnlich sieht aber nicht ganz so abgemagert aus. Traurig lasse ich die beiden stehen und laufe zum Camp zurück.
Um 10 Uhr nehmen wir unser übliches Frühstück ein. „Was machen wir wenn wir hier noch länger bleiben müssen?“ ,beginne ich meinen Gedankenfluss zu äußern. „Was bedeutet es für uns letztendlich? Wir können uns dagegen wehren und jeden Tag den wir hier in der Wüste verbringen zu einem Alptraum werden lassen. Oder wir können diesen Zustand so nehmen wie er ist und unser Leben trotzdem mit Freude leben. Wer außer Mutter Natur gibt uns einen Zeitdruck vor? Nur wir oder? Wenn es hart auf hart kommt müssen wir dann im Sommer bei großer Hitze laufen. Vielleicht können wir sie umgehen indem wir nachts marschieren. Vielleicht können wir nach dieser Etappe nicht wie geplant einen kurzen Abstecher nach Deutschland unternehmen. Vielleicht müssen wir dann gleich mit der dritten Etappe beginnen? Haben wir damit ein wirkliches Problem?“ Tanja sieht mich nachdenklich an und antwortet für einige Augenblicke mit tiefen Schweigen. „Es kommt sowieso wie es kommen muss,“ bricht sie es mit leisen Worten. „Wir können nichts daran ändern. Wenn Gott, oder wie immer man diese umfassende Macht nennen möchte, es für uns so bestimmt hat dann bleiben wir so lange hier wie nötig. Und wenn ich darüber nachdenke was du eben gesagt hast dann fliegen wir nicht nach Deutschland und setzen unsere Reise fort. Ich habe damit kein Problem.“ „Hm, das ist gut zu wissen. Ich habe auch keines. Ich glaube wir müssen die ganze Sache mehr fließen lassen. Wir müssen unser Leben, unseren Zustand noch besser mit den jeweiligen Geschehnissen vereinen. Den Augenblick zu genießen klingt so theoretisch und einfach. Es kann sein das dieser Ort uns genau diese Lektion leeren möchte. Glaubst du das?“ „Kann ich mir gut vorstellen. Es ist einfach über Dinge zu sprechen aber sie in die Tat umzusetzen ist ein andere Geschichte und genau darauf kommt es an,“ sagt Tanja lachend. „Ja, lass uns dieses Camp genießen. Lass uns dieses Gespräch in die Tat umsetzen. Der einzige der uns im Augenblick daran hintern kann sind wir selbst,“ sage ich freudig und spüre im gleichen Moment wie mein Körper von einer Welle der Erleichterung durchströmt wird.
Ab Mittag sitzen wir im Schatten eines kleinen Bäumchens und genießen den Tag. Tanja liest in ihrem Buch und ich habe das erste Mal auf dieser Expedition Zeit für mich selbst. Ich höre eine Kassette und sehe mir die Wüste an. Ich genieße in der Tat den Augenblick und freue mich darüber hier sein zu dürfen. Natürlich ist mir bewusst, dass wir, vor allem ich, noch hart an meiner inneren Einstellung arbeiten muss. Vielleicht ärgere ich mich morgen schon wieder darüber, dass es nicht weitergeht aber wichtig ist jetzt der augenblickliche Moment und der könnte nicht angenehmer sein.