Am größten Flusssystem Asiens
N 54°22'25.6'' E 081°53'51.2''Tag: 106
Sonnenaufgang:
06:45 Uhr
Sonnenuntergang:
20:17 Uhr
Luftlinie:
75.31 Km
Tageskilometer:
83.32 Km
Gesamtkilometer:
10264,72 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt/schlecht
Temperatur – Tag (Maximum):
20 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
7 °C
Temperatur – Nacht:
6 °C
Breitengrad:
54°22’25.6“
Längengrad:
081°53’51.2“
Maximale Höhe:
194 m über dem Meer
Maximale Tiefe:
78 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
08.45 Uhr
Ankunftszeit:
17.30 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
14.18 Km/h
Es nieselt die gesamte Nacht. In Regenmontur gekleidet robben wir aus unserem Zelt in die nasse Natur. Unsere Lichtung hat nichts mehr Romantisches an sich. Ohne gefrühstückt zu haben schieben wir unsere Böcke über die feuchte Wiese. Der Meister hat sich heute überlegt uns nicht mehr zu unterstützen. Bei nur 10 Grad arbeiten wir uns gegen die vom Himmel fallende Feuchtigkeit. “Dort vorne ist ein windgeschützter Platz!” rufe ich nach 30 anstrengenden Kilometern auf eine ausladende Buschgruppe deutend. In ihrem Windschatten breiten wir unsere Plane aus. Kaum haben wir uns niedergelassen entdeckt Tanja die erste Zecke. Während unserer Mittagsrast kontrollieren wir immer wieder unsere Beine ob sich nicht wieder einer der Holzböcke angeschlichen hat. Tatsächlich machen sich in der kurzen Zeit vier weitere der Borrelioseüberträger an uns heran. Schnell verlassen wir nachdem Essen den offensichtlich verseuchten Platz und strampeln durch unsere Mahlzeit gestärkt weiter.
Die ersten Hügel erheben sich vor uns und bringen eine willkommene Abwechslung. Am Straßenrand treffen wir auf eine 82 Jahre alte Frau die selbst gesammelte Champions, Steinpilze Pilze und selbst gestrickte Schafswollsocken anbietet. Aus Angst vor der kommenden Kälte kaufen wir ihr die drei Paar ab die über einen kleinen Schemel liegen. Da ihr zur gleichen Zeit ein Russe alle Pilze abnimmt freut sich Maria über das tolle Geschäft. “Manchmal sitze ich hier für Tage und keiner möchte etwas von mir. Aber heute ist ein guter Tag. Ich habe alles was ich anzubieten hatte innerhalb von Minuten los gebracht”, erklärt sie. “Wie viel Socken strickst du denn?”, fragt Tanja. “Ach, im Winter schaffe ich 24 Paar”, erklärt sie nicht ohne Stolz. Tanja überlegt eine Weile und meint dann: “Das heißt du benötigst drei Tage für einen Socken?” “So ungefähr”, antwortet die nette Alte. Da das Paar 4,- Euro kostet ergibt unsere Hochrechnung dass Maria 8 Eurocent pro Stunde verdient.
Die Straße vereint sich mit einer weiteren Hauptsraße. Wegen dem nun doppelten Verkehrsaufkommen müssen wir sehr darauf achten nicht unter die Räder zu kommen. Etwa 100 Kilometer vor Novosibirsk erreichen wir die Stadt Ordynskoje die direkt am Fluss Ob liegt. “Ich schaffe heute keine 100 Kilometer”, stöhnt Tanja vom Meister ausgelaugt. “Vielleicht finden wir hier eine Gastiniza”, überlege ich am Straßenrand stehend, meine Landkarte studierend. In diesem Moment rattert ein junger Mann auf seinem Mofa an uns vorbei. Als Tanja winkt bleibt er stehen und fragt wie er uns helfen kann. “Wir suchen eine Gastiniza”, sage ich. “Hm, Gastiniza?”, überlegt er und zückt sein Handy. Nach einem kurzen Gespräch fordert er uns auf ihm zu folgen. Wieder werden wir von einer wildfremden Person in die Kleinstadt geleitet. Es geht vorbei an vielen Häusern, einer Ampel, einem kleine Zentrum, durch ein Waldstück, bis wir vor einem hübschen Haus stehen bleiben. “Das ist ein ehemaliges Erholungszentrum”, erklärt unser Helfer. Sofort steigt er von seinem Mofa und fragt ob es hier ein Zimmer für uns gibt. “Hier können sie bleiben. Ein Zimmer ist noch frei”, ist seine gute Nachricht als er aus dem Haus kommt. Dann schüttelt er uns die Hand und verschwindet. Tanja und ich sehen uns wieder verblüfft an. “Eindeutig ein weiterer Engel in menschlicher Gestalt”, sage ich. Wir beziehen ein geräumiges Vierbettzimmer für 1.700,- Rubel (49,- Euro) am Tag mit Vollpension für uns beide. Fantastisch. Für einen Langzeitreisenden nicht billig aber für die angebotene Leistung sehr fair.
Bevor wir zum Abendessen gehen setzen wir uns vor das sehr ruhig gelegene Kurhaus auf eine Bank und genießen den glühenden Sonnenuntergang am Ob, der durch den Zusammenfluss von Katun und Bija im südlichen Sibirien, im Altaigebirge, entsteht. Da Sibirien mit dem was es zu bieten hat eine Superlative nach der anderen aufweist sind wir nicht mehr verwundert hier an den Ufern eines Wasserlaufes zu sitzen der mit seinen 3.680 Kilometer Länge die Wolga, den größten Strom Europas, um 150 Kilometer übertrumpft. Noch dazu bildet der Ob, der sich später mit dem Irtysch vereint, das längste Flusssystem Asiens. 5.410 Kilometer lang winden sie sich durch Sibirien bis der Ob in die im hohen Norden gelegene Karasee mündet. “Diese gewaltigen Dimensionen übersteigen bald mein Vorstellungsvermögen”, flüstert Tanja sich wegen dem aufkommenden kühlen Wind, an mich kuschelnd.