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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Gibt es Wunder?

N 43°39’23.7’’ E 111°58’07.2’’
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    Datum:
    14.09.2015

    Tag: 78

    Land:
    China

    Ort:
    Erenhot

    Breitengrad N:
    43°39’23.7’’

    Längengrad E:
    111°58’07.2’’

    Tageskilometer:
    20 km

    Gesamtkilometer:
    9.378 km

    Luftlinie:
    16 km

    Fahrzeit:
    4:00 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    980 m

    Gesamthöhenmeter:
    4.345 m

    Höhenmeter für den Tag:
    15 m

    Sonnenaufgang:
    07:08 Uhr

    Sonnenuntergang:
    19:47 Uhr

    Temperatur Tag max:
    29 °C

    Aufbruch:
    10:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    15:00 Uhr

    Platte Reifen gesamt:
    7

    Platte Vorderreifen:
    2

    Platte Hinterreifen:
    4

    Platte Anhängerreifen:
    1

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Mit mulmigem Gefühl im Magen krabbeln wir schon um 6:00 Uhr aus unseren Schlafsäcken und packen alles zusammen. Zum Frühstück brocken ich mir Weißbrot in meinen Tee. Dann laden wir die Räder zu Jens in sein Wohnmobil. „Ich hoffe mir damit an der Grenze kein Ei zu legen“, schmunzelt er. „Wenn es Schwierigkeiten geben sollte laden wir sofort alles raus und erzählen dem Zoll, dass die Räder uns gehören“, antworte ich, insgeheim hoffend, dass dieser Fall nicht eintreten wird. „Haben sich die Österreicher schon gemeldet?“ „Die sind erst um 23:00 Uhr von U.B. aufgebrochen aber sie werden rechtzeitig hier sein“, ist sich Jens nach wie vor sicher.

Die Stimmung im Camp ist irgendwie eigenartig, vielleicht etwas gedrückt. Man spürt die Anspannung, vor allem bei den Hundebesitzern. Mark und Miriam sind sogar besonders nervös, weil ihr Hund heute Morgen eine ganze Wurst in sich hineingefressen hat. „Das wäre ja nicht so schlimm“, meint Miriam. „Aber er hat leider auch die komplette Plastikverpackung mit verschlungen. Wir hoffen nicht dass er jetzt an der Grenze einen schlechten Eindruck hinterlässt und dem Amtstierarzt vor die Füße kotzt.“ „Das wird schon gut gehen. Hunde können viel ab. Vor allem wenn es ums Fressen geht“, versuche ich sie ein wenig zu beruhigen.

Um Punkt 10:00 Uhr am Morgen blättert ein Kombi direkt über den Wüstensand in unsere Richtung. „Das sind sie! Ja sie sind es tatsächlich!“, rufen die Anwesenden und freuen sich jetzt auch dass das letzte Fahrzeug der Reisegruppe eingetroffen ist. „Ihr habt auf uns gewartet? Das ist ja super!“, ruft die Österreicherin Andrea uns entgegenkommend. Auch ihr Mann Klaus, der gerade aufwacht, weil er einen großen Teil der Strecke gefahren ist, begrüßt nun alle mit Handschlag und ist sichtlich froh es trotz des Getriebeschadens gerade noch rechtzeitig geschafft zu haben.

„Auf geht’s!“, ruft jemand und der Konvoi setzt sich in Bewegung. Tanja und Ajaci fahren bei Jens mit und ich sitze in dem schönen Luxusmobil von Katharina und Peter. Über einen Umweg erreichen wir die mongolische Grenze. Ein dicker Mongole fordert von Peter 100.000 Tugrik (44,82 €) „Für was?“, fragt Peter, aber der unfreundliche Mann bleibt ihm die Antwort schuldig. „Wie viel Dollar sind das?“, fragt er Katharina. „Wir haben noch 70.000 Tugrik“, (31,38 €) sage ich, mich freuend somit einen kleinen Beitrag geben zu können. Soweit ich verstehe müssen alle anderen nur zwischen 50.000 (22,41 €) und 70.000 Tugrik berappen weil deren Campmobile entschieden kleiner sind. „Der will uns doch bestimmt nur abzocken“, ärgert sich Peter über die nicht eingeplanten Kosten.

Während die Fahrer die Fahrzeuge zu einem bestimmten Grenzabschnitt manövrieren müssen die Passagiere durch die Abfertigung. Ich zücke mein Handy um ein Bild von dem kleinen Konvoi zu archivieren. Sofort eilt ein Soldat auf mich zu, nimmt mir wortlos mein Smartphone aus der Hand, tippt ein paar Tasten, um das Bild zu löschen und gibt es mir zurück. „Sorry, an der Grenze dürfen sie nicht fotografieren“, entschuldigt er sich. Keine Ahnung was im Satellitenzeitalter noch geheim sein soll. Was außer ein paar angenagten Gebäuden, wollen die Mongolen hier verbergen? Aber egal, ich lächle den Mann freundlich an und wünsche ihm einen schönen Tag. Dann laufe ich der Gruppe hinterher. Im Abfertigungsgebäude geht alles reibungslos schnell. „Daraa bajartai“, (Auf Wiedersehen) sagen Tanja und ich. „Sain jawaaraj!“, (Gute Reise) wünschen uns die Beamtinnen lachend und ehe wir uns versehen dürfen wir wieder in die Fahrzeuge einsteigen. „Er hat uns doch beschissen“, meint Peter und erklärt, dass der Herr, der uns das Geld abknüpfte, in eigener Sache unterwegs ist. „Wie meinst du das?“ „Es ist sein Geschäft. Mit dieser Summe garantiert er einen Art Expressgrenzübergang.“ „Nicht wahr?“ „Doch, doch. Er hat einigen Beamten Geld gegeben damit wir schnell durchkommen.“ „Na wer weiß für was es gut war. So sind wir frühzeitig in China“, sage ich. „Stimmt, aber es wäre fair gewesen, wenn er uns gefragt hätte ob wir diesen Service überhaupt wollen, und nicht so getan hätte als wären die 100.000 Tugrik eine reguläre Gebühr.“

Derweil warten wir direkt vor dem chinesischen Schlagbaum, an dem uniformierte Grenzer in glänzenden Schuhen stehen und uns, wer hätte das vermutet, freundlich entgegenblicken. Dann schreitet ein Beamter auf uns zu und begrüßt uns mit den Worten: „Willkommen in China.“ Lächelnd prüft er unsere Pässe. „Ich glaub es nicht. Dachte die Chinesen sprechen kein Englisch“, sage ich. „Und wie freundlich sie sind“, meint Katharina. Plötzlich ertönt Katharinas Mobilfon. „Mrs. Spring hat gerade eine Mail geschickt. Sie schreibt, dass sie nicht garantieren kann ob Ajaci ohne Quarantäne nach China darf. Ihr sollt auf jeden Fall unsere Fahrzeuge verlassen und die Räder ausladen wenn wir über die Grenze fahren.“ „Okay, machen wir“, sage ich und spüre wie das unangenehme Gefühl, welches mich schon seit Tagen quält, im Begriff ist mich in seinen Klammergriff zu nehmen. Dann öffnet sich der Schlagbaum und Peter fährt sein Schlachtschiff auf chinesischen Boden. Vor einem Gebäude halten die Fahrzeuge. Wir steigen aus und versuchen uns zu orientieren. Da alles auf Chinesisch geschrieben ist lassen wir uns von unserer Intuition leiten und gehen in das Gebäude. Auf einmal steht Mrs. Spring vor uns. Eine kleine, zarte und freundliche Person, die uns in gutem Englisch erklärt wohin wir gehen sollen. Ich begrüße die liebenswerte junge Frau und frage sie ob das mit Ajaci klappt. „Ich kann nichts versprechen“, wiederholt sie. Im modernen, neuen Empfangsgebäude sind wir zu dieser Zeit die einzigen Grenzgänger. Weil in unseren Pässen ein sechsmonatiges Journalistenvisum eingetragen ist und ich Bedenken habe die Beamten könnten im letzten Moment unsere Einreise doch noch ablehnen, ist meine Nervosität grenzenlos. Tock! Tock! Saust der Stempel auf meinen Pass. „Wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt“, sagt der Beamte in gebrochenem Englisch und reicht mir meinen Reispass. „War’s das schon?“, frage ich Tanja, die neben mir läuft, um das Gebäude wieder zu verlassen. „So wie es aussieht sind wir in China“, antwortet sie mich freudestrahlend ansehend. „Wir sind in China. Wow. Jetzt muss nur noch unser Ajaci reibungslos rein kommen. Das wäre ein Traum“, sage ich euphorisch. „Wunder gibt es immer wieder.“ „Ja wenn unser Hund einfach so durchkommt wäre das tatsächlich ein Wunder“, meine ich und frage Mrs. Spring ob wir jetzt unsere Räder aus Jens Bus laden sollen?“ „Nein, nein, das hat sich erledigt“, verblüfft uns ihre Antwort.

Währen die Fahrer ihre Campmobile durch die Kontrollen lenken, stehen wir mit den Mitreisenden zusammen und sprechen über den wunderbaren, bisher absolut reibungslosen Grenzübergang. „Da kommen sicher noch einige Kontrollen“, dämpft die Österreicherin meine Stimmung. „Der Zoll, die Quarantäne, der Tüv und was sie sich sonst noch alles einfallen lassen“, meint sie. Wir stehen gerade mal zehn Minuten auf der anderen Seite des großen Abfertigungsgebäudes als auch schon die Wohnmobile anrollen. Ein Uniformierter weist ihnen einen Parkplatz zu. Nun erscheinen tatsächlich ein paar Beamte die die Fahrzeugnummern der Autos mit den dazugehörigen Papieren vergleichen. „Ich habe dir gesagt, dass eine Austauschmaschine in Elton eingebaut wurde. Die Nummer stimmt nicht mit den Papieren überein!“, ruft Jens. „Ja und ich weiß nicht wo unsere Nummer steht. Habe ich noch nie gesehen“, antwortet ein anderer. Den Beamten scheint das nichts auszumachen, denn auch wenn sie die Nummern nicht finden winken sie wohlwollend ab und beenden ihre Kontrolle. Kaum ist ihre Arbeit beendet laufen Tanja und ich zu Jens, in dessen VW-Bus Ajaci sitzt. Schwanzwedelnd springt er freudig heraus. „Und wo ist der Tierarzt? Da müssen wir doch jetzt sicherlich mit unseren Hunden hin?“, frage ich Mrs. Spring. „Tierarzt?“, wiederholt sie meine Frage. „Na für Ajaci und die anderen zwei Hunde?“ „Euer Hund ist durch. Er braucht nicht mehr in die Quarantänestation.“ „Was? Wie? Er muss nicht in Quarantäne?“ „Nein.“ Fassungslos stehe ich da und kann nicht glauben welche fantastischen Worte gerade meine Ohren erreicht haben. Urplötzlich fällt mir eine Last von den Schultern. Ein Gefühl der Leichtigkeit füllt meinen Körper, so dass ich glaube, jeden Augenblick abzuheben. Das Wunder ist also tatsächlich geschehen. Wenn ich gerade selbst nicht Zeuge davon geworden wäre könnte ich es nicht glauben. Vor allem weil Tanja schon in Deutschland immer wieder davon sprach Ajaci ohne jegliche Quarantäne über die Grenze zu bringen. „Unmöglich“, hatte ich immer wieder geantwortet. „Da muss uns der Göttliche Strahl treffen“, sagte ich. „Dann wird uns der Göttliche Strahl treffen. Ich glaube fest daran. Ich werde es mit meinen Gedanken manifestieren. Du weißt doch, dass so etwas funktionieren kann und wir bereits Wunder erleben durften. Warum soll es mit Ajacis Quarantäne nicht auch klappen? Ich bin überzeugt wir bekommen das hin. Wie, weiß ich noch nicht. Aber wir werden es fertigbringen, zumindest mit einer verkürzten Quarantäne“, erzählte sie mir immer wieder. Und jetzt ist es tatsächlich geschehen und das „Wie“ ist tatsächlich nicht wichtig.
Tanja sieht mich mit äußerst glücklichem Gesichtsausdruck an. In diesem Moment laufen uns beiden die Tränen über die Wangen. Es sind Tränen des Glückes. Tränen der Freude, der Erleichterung. Ich gebe mir keine Mühe sie wegzuwischen. Jeder darf solche Tränen sehen. Augenblicklich sinke ich vor Mrs. Spring auf mein rechtes Knie und bedanke mich aus ganzem Herzen. „Sie wissen gar nicht wie sie uns geholfen haben“, sage ich. „Das habe ich sehr gerne gemacht. Es war nicht einfach. Wir hatten alle viel Glück und vor allem besitzen sie alle sehr gute Papiere.“ Sofort eilen wir zu Katharina und Peter, unsere beiden Engel, die uns uneigennützig aus aufrechten Stücken geholfen haben ohne jegliche Gegenleistung zu erwarten. Es ist fantastisch welch wunderbare Menschen es auf dieser Erde gibt. Auch bei Mark bedanke ich mich für die Mitnahmen unseres Hundeanhängers und Jens umarme ich für seinen Mut die Ausrüstung und Räder von zwei Fremden über eine heikle Grenze genommen zu haben. „Vielen Dank Jens. Das werde ich dir nicht vergessen“, sage ich. „War mir ein Vergnügen“, antwortet er grinsend.

„So auf geht’s! Wir verlassen jetzt alle zusammen das Grenzgelände und fahren mit Taxis zu unserem Hotel! Die Fahrzeuge bleiben wegen den noch fehlenden chinesischen Fahrzeugpapieren hier stehen. Die dürfen wir morgen Nachmittag wieder abholen!“, ruft Mrs. Spring, worauf wir alle zusammen mit dem nötigstem Gepäck zu einem Taxistand vor den Grenzgebäuden laufen. Nur ein paar Minuten später erreichen wir ein großes, modern aussehendes Gebäude in der Grenzstadt Erenhot. Jeder bekommt eine Codekarte fürs Zimmer. Im Vergleich zu den mongolischen Straßenhotels ist unser Zimmer sehr sauber und noch dazu von der Sonne durchflutet. Wir fühlen uns sofort wohl und können unser Glück noch immer nicht fassen. Obwohl wir bisher immer wieder davor gewarnt wurden, dass es schwer ist Hunde mit in ein chinesisches Hotel zu nehmen, wurden unsere Vierbeiner ohne problemlos akzeptiert. Weil der Boiler aus war genießen wir eine kalte Dusche, dann steigen wir die Treppe wieder zur Rezeption hinab wo uns Mrs. Spring bereits erwartet. Ausgelassen und in Hochstimmung folgen ihr alle Mitglieder der kleinen Reisgruppe zu einem Restaurant. Wir sitzen um zwei ausladende runde Tische. Mrs. Spring übersetzt was es alles zu Essen gibt und übersetzt den Kellnern welche Getränke die Gäste wünschen. Wie herrlich einfach es doch ist wenn man einen Übersetzer hat, geht es mir durch den Kopf. „Wie heißt das was wir hier bekommen?“, fragt jemand. „Wir nennen es Huǒguō, im englischen Steamboat oder Hot Pot. Obwohl viele Europäer denken der Hot Pot kommt aus der Mongolei, ist er dort unbekannt. In Wirklichkeit ist der Ursprung im 5. Jahrhundert zu suchen. Er entstand als Treidler in Südwestchina ihr übriges Gemüse vermischten, in einen Topf warfen und heiß aßen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich diese Art der Nahrungszubereitung verfeinert und über ganz China verbreitet. Heute ist der Hot Pot ein populäres, sehr schmackhaftes Gericht. Sie können die Garzutaten wie zum Beispiel, die Fleischscheiben, das Blattgemüse, die Pilze, die Wan-Tans also die Teigtaschen, die Fischbällchen, Meeresfrüchte usw. nach Belieben in ihren kochend Sud werfen. Achten sie auf die scharfe Soße. Daran können sie ihren Gaumen verbrennen“, erklärt Mrs. Spring ausführlich und trotz allem kurzweilig. Wirklich schön eine gebildete Reiseleiterin zu haben, denke ich mir erneut und frage mich wie wir ohne sie weitereisen sollen wenn uns morgen die Gruppe verlässt. „Schmeckt verdammt lecker“, schwärme ich nach der Mongolei endlich solch eine Vielfalt an verschiedenen Geschmacksvarianten genießen zu dürfen.

Nachdem alle ihren Hunger gestillt haben führt uns Mrs. Spring, die gerne nur mit Spring angesprochen wird, zu einem großen Telefonladen. Wieder sind wir angenehm überrascht weil man uns Zuhause sagte, dass man nur Chipkarten für die jeweiligen Provinzen bekommen kann und nicht für das gesamte Land. Es dauert Stunden bis jeder die richtige Chipkarte in seinem Handy hat. Kaum wird es dunkel, verspüre ich schon wieder Hunger. Spring führt uns in ein kleines typisches Restaurant, die in diesem Viertel sehr zahlreich sind. Es gibt sogar so viele davon, dass es den Eindruck erweckt, ein Großteil der Bevölkerung lebt ausschließlich vom Restaurantgeschäft. Mittlerweile sitzen nur noch die Grashüpferfamilie, Spring und wir am Tisch. Die anderen erkunden die Stadt oder haben sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. „Wenn wir wieder im Hotel sind laden wir euch zu einer Flasche Sekt ein die wir extra mitgebracht haben. Wir müssen doch den glücklichen Grenzübergang feiern“, Sagen Katharina und Peter…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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