Der Weihnachtsmann kommt mit Hubschrauber
N 21°55’22.4“ E 146°45’46.2“Tag: 211-214 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 602-605
Sonnenaufgang:
05:23
Sonnenuntergang:
18:50
Gesamtkilometer:
6204 km
Temperatur - Tag (Maximum):
38°-42° Grad, Sonne ca. 58°-63°
Temperatur - Tag (Minimum):
16°-22° Grad
Breitengrad:
21°55’22.4“
Längengrad:
146°45’46.2“
Cassiopeia-Camp — 13.12.2002 – 16.12.2002
In den letzten Tagen haben sich zwei Basiscampmöglichkeiten herauskristallisiert. Einmal könnten wir zur 160 Kilometer entfernten Havilah Station gehen. Von dort wären es noch mal ca.130 Kilometer bis zur Küste. Um unsere West-Ost-Durchquerung zu einem erfolgreichen Ende zu bringen müssten wir in diesem Falle von der Küste wieder die 130 Kilometer ins Landesinnere laufen. Aus unserer Sicht ein machbarer Umweg.
Die zweite Möglichkeit wäre ein Angebot der Farm Paradies Lagoons in der Nähe der Stadt Rockhampton anzunehmen. Dies würde bedeuten, dass wir noch 600 Kilometer vor uns haben. Ein schockierender Gedanke. Noch dazu, dass die Gegend um Rockhampton sehr stark besiedelt ist.
Heute Abend werden wir von hier noch weitere Details klären. Dann müssen wir uns entscheiden.
Bis auf heute Abend sind wir immer zum Essen eingeladen worden. Da aber heute der Weihnachtsmann kommen wird fahren wir zu einem ca. 40 Kilometer entfernten einsamen und verlassenen Ort der mitten im Busch liegt. Hier auf Twin Hills gibt es einen Tennisplatz an dem sich die Bewohner der umliegenden Stations treffen. Es ist ein besonderer Tag und es dauert nicht lange bis ein kleiner Hubschrauber am abendlichen Himmel auftaucht. Es ist ein Hubschrauber in dem nur zwei Passagiere Platz finden. In diesem Fall der Pilot und der Weihnachtsmann persönlich. Die Kinder der umliegenden Station sehen gebannt in den Himmel. Der Hubschrauber, der eher wie ein große fliegende Libelle aussieht, kreist über den paar Hütten. Der Weihnachtsmann winkt den Kindern zu. Sein großer weißer Bart weht im Flugwind. Plötzlich setzt das fliegende Gefährt unter lautem Geknatter zur Landung an und der heilige Mann steigt heraus. Er läuft auf uns und die Kinder zu. Würdig begrüßt er die etwa 20 Kleinkinder und beginnt sie einzeln aufzurufen. „Robert!“ ,hallt es unterm Wellblechdach. Der kleine Robert geht unsicher und verhalten auf den großen Weihnachtsmann zu. „Warst du auch brav?“ fragt der Weihnachtsmann. Robert nickt ängstlich und nimmt sein Geschenk entgegen.
Es ist für uns ein wirkliches Vergnügen all die strahlenden Kinderaugen zu sehen. Auch die anderen Erwachsenen sind von dem Geschehen befangen. „Oh! Ich habe eine Uhr bekommen!“ ,ruft ein kleiner Junge. Es dauert nicht lange bis sich der Weihnachtsmann wieder verabschiedet, sich in die große Libelle setzt und der untergehgehenden, glühenden Sonne entgegenfliegt.
Jede Stationfrau hat etwas Leckeres zum Essen mitgebracht. Der Tisch mit dem reichhaltigem Gerichten biegt sich regelrecht, so dass jeder der Anwesenden seinen Bauch voll schlagen kann. Einige Männer sind damit beschäftigt frisches Fleisch zu grillen während andere ein Tennismatch austragen. Es herrscht eine äußerst lockere und angenehme Atmosphäre in der viele Geschichten über die Ereignisse im Outback ausgetauscht werden.
RINDERZUSAMMENTRIEB MIT HUBSCHRAUBER
„Möchtest du mal mitfliegen?“ ,fragt mich Rob der Hubschrauberpilot. „Ich weiß nicht Rob. Das letzte Mal als ich auf Bimbah Station mitgeflogen bin ist mir furchtbar schlecht geworden,“ antworte ich noch mit Schrecken an dieses Erlebnis denkend. „Falls es dir schlecht werden sollte setze ich dich einfach schnell am Boden ab. Du kannst dann auch den Hubschrauber im Einsatz filmen,“ versucht er mich zu überzeugen. „Hm, ich denke darüber nach. Vielleicht finde ich in unserem Medizinkoffer die Tabletten gegen Reisekrankheit. Dann dürfte es kein Problem sein,“ antworte ich nachdenklich.
Eine Stunde später landet Rob mit seinem winzigen Hubschrauber neben dem Haus von Cassiopeia. Ich quetsche mich auf den Sitz neben ihn, schnalle mich an, setze den Kopfhörer auf und schon hebt der Helikopter ab. „Hast du deine Reisetabletten gefunden?“ ,fragt mich Rob. „Nein, aber Tegan hat mir etwas aus der Hausapotheke gegeben.“ „Gut,“ klingt es durch die Kopfhörer während die kleine Libelle, in der es keine Türen gibt, über das Land flattert. Der Wind bläst mir ins Gesicht und noch nie in meinem Leben hatte ich ein solch gigantisches Flugerlebnis. „Man könnte meinen man sitzt völlig im Freien,“ sage ich durch die Plexiglaskapsel sehend während mein linke Körperhälfte vom Flugwind gestreift wird.
Unter uns breitet sich die fatale Dürre aus. Soweit ich nur sehen kann ist alles braun und grau. Tausende von Baumleichen liegen wie gefällte Soldaten auf dem rissigen Untergrund. Man hat die Bäume gefällt um mehr Gras für die Rinder zu haben und jetzt, während der schlimmste Trockenheit seit hundert Jahren, fehlt dort unten jeglicher Schatten. Natürlich hat die erbarmungslose Sonne alles verbrannt was jemals grün war und mir ist es unbegreiflich wie die Rinder überleben können. 26 000 sollen es nur auf dieser Station sein. Eine unglaubliche Zahl. Eine Zahl die sich bei weiterem ausbleibenden Regenfällen schnell verringern wird.
Unter uns entdecke ich zwei Lastwägen. „Das ist das Bohrteam. Sie suchen nach Wasser. Die meisten Dämme sind ausgetrocknet, weshalb wir dringend neue Bohrlöcher benötigen,“ erklärt Rob und lässt sein Fluggerät neben den Lastwägen nieder. Wir verlassen den Hubschrauber und begrüßen Rusty den Manager von Moray Downs. „Und habt ihr Wasser gefunden?“ ,fragt Rob. „Ja, aber es ist salzig. Nicht genießbar für Rinder,“ antwortet er. „Was soll ich tun?“ ,fragt Rob, worauf ihm Rusty die Anweisungen gibt von welchen Dämmen er mit seinen Helikopter die Rinder treiben soll. Nur Minuten später befinden wir uns wieder in der Luft.
„Ich setze dich besser dort unten ab,“ meint Rob die Libelle nach unten gleiten lassend. Kaum bin ich aus dem Cockpit geklettert schießt das kleine Ding in die Höhe. Wie eine bissige Hornisse dreht es sich zweimal um die eigene Achse und jagt einige Rinder aus dem Unterholz hervor. Um von der Herde nicht überrannt zu werden sprinte ich hinter einen Baum und sehe zu wie der Pilot Rob in Perfektion seinen Hubschrauber auf die Tiere schießen lässt, um ihn nur kurz über den Boden wieder abzufangen. Auf diese Weise des Rinderzusammentriebes sparen sich die Farmer viele Arbeitskräfte. Obwohl die Helikopterstunde 330,- Dollar kostet scheint es billiger zu sein als eine große Gruppe von Jackeroos und Jilleroos anzustellen.
15 Minuten später sitze ich wieder neben Rob. Wir fliegen zum nächsten ausgetrockneten Damm, um die Rinder dort wegzutreiben. Durch diese Maßnahme werden sie nicht verdursten. Sie sind gezwungen das verschlammte Wasserloch zu verlassen und werden zu einem Damm getrieben in dem es noch genügend Flüssigkeit gibt. „Wie lange könnt ihr die Rinder hin und hertreiben bis auch der letzte Damm kein Wasser mehr beinhaltet?“ ,möchte ich wissen. „Ich weiß nicht Denis. Ich glaube, dass es in spätestens drei bis vier Wochen knapp wird.“ Was macht ihr dann?“ „Dann werden viele Tiere sterben. Lass uns auf Regen hoffen,“ sagt Rob und wieder geht es steil nach unten. Obwohl Rob sehr vorsichtig fliegt hebt es meinen Magen gefährlich in die Höhe. Ich beginne stark zu schwitzen und die Farbe muss aus meinem Gesicht gewichen sein, denn Rob fragt: „Wie geht es dir?“ „Ich muss mich sehr konzentrieren.“ „Besser ich setze dich wieder ab. Möchte ja das du nicht allen Spaß am Fliegen verlierst,“ antwortet er und lässt das kleine Ding auf die prasseltrockene Erde nieder.
Insgesamt sind wir drei Stunden unterwegs und obwohl ich die Tablette geschluckt habe und Rob mich mindesten sechs mal ausstiegen ließ, fühle ich mich wie durch den Wolf gedreht. Als ich mich von dem sehr sympathischen und freundlichen Rob verabschiede zwinge ich mein Gesicht zu einem Lächeln. „War eine tolles Erlebnis,“ sage ich, schüttle ihm die Hand und laufe zum Farmhaus von Cassiopeia. „Und wie geht es dir?“ ,fragt Tanja. „Nicht so gut,“ antworte ich wortkarg, setze mich in dem Wohnzimmerstuhl und falle am helllichten Tag in einen tiefen Schlaf.