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Abbrechen

Keiner Zuhause

N 23°33’15.1’’ E 140°42’07.4’’

Springvale-Camp — 03.10.2002

Die Temperaturen sind mit 39° Grad im Schatten und ca. 59° Grad in der Sonne wieder sommerlich heiß. Wie wir es so viele Monate gewohnt waren ist der Himmel seit vier Tagen wieder tiefblau. Fliegen erfreuen sich der Hitze. Für sie scheint sie so wichtig zu sein wie für uns das Wasser. Trotzt der hohen Temperaturen befinden wir uns in einem Hochdruckgebiet. Das Wetter ist nicht so belastend und nicht so schwül wie wir es über einen Monat ertragen mussten.

Den ersten Kilometer folgen wir einer unterirdischen Gaspipeline die sich hier durch die Einsamkeit wie eine Riesenschlange windet. Schilder recken ihren Warnhinweis alle 100 Meter in die Luft, hier unter keinen Umständen Planierraupenarbeiten durchzuführen. Wir verlassen die Pipeline auf einem Pfad und kommen heute sehr gut voran. Kein Zaun versperrt unseren Weg. An Stellen wo sich der Track zu sehr windet ,richten wir uns nach dem Kompass und verlassen ihn für ein paar Kilometer.

Gegen Mittag wird die Hitze unerträglich. Wie immer sind wir den erbarmungslosen Sonnenstrahlen ausgesetzt die uns jetzt laut Thermometer mit knapp 60 Grad auf den Hut donnern.

Wir überqueren das weite Flussbett des Spring Creek und erreichen nach 34 Kilometern unser Wochenziel, die Springvale Station. Eine breite, unbefestigte Straße führt direkt auf die Homestead zu. „Ob jemand Zuhause ist?“ ,fragt Tanja. „Ich hoffe. Es wäre wirklich schön, wenn wir unsere Kamele wieder in ein Gehege bringen dürfen. Vielleicht bekomme ich sogar einen Platz an dem ich unsere Erlebnisse niederschreiben darf. Der Gedanke daran das mich die Fliegen während des Schreibens auffressen ist einfach schrecklich. Auch fällt es mir bei den Temperaturen schwer mich zu konzentrieren,“ plaudere ich. „Hm, wäre fantastish wenn ich mich ausruhen könnte und nicht jeden Morgen und Abend unsere Jungs hüten muss. Na ja, wir werde sehen,“ antwortet Tanja.

„Camis udu!“ befehle ich unseren Jungs vor dem Zaun des Farmhauses anzuhalten. „Ich sehe mal nach ob jemand da ist,“ sage ich und hatsche nach 145 Laufkilometern wie angeschossen über die große staubige Fläche. Ich gehe gerade um die Ecke des ersten Hauses als mir plötzlich mein Herz vor Schreck in die Hosentasche fällt. Wau! Wau! Wau! ,bellt der Hund und rast unter dem Haus vor, um mich offensichtlich beißen zu wollen. Eine aus dem Nichts kommende Adrenalinwallung lässt meinen müden Körper überraschend schnell zur Seite springen. Der Hund wird nur wenig von mir entfernt von einer Kette zurückgerissen. „Puh,“ stöhne ich erleichtert aus und laufe einen großen Bogen. „Hallo ist jemand Zuhause!“ ,rufe ich, doch nichts rührt sich. „Haaalloo ist jemand da!“ ,wiederhole ich, doch außer dem aggressiven Bellen des Hundes antwortet keiner. In einem Schuppen rattert der Generator. Wegen meinen schmerzenden Fersen humple ich zum nächsten Haus aber auch da scheint niemand drin zu sein. Enttäuscht laufe ich bei der Affenhitze zur Karawane zurück. Als ich am Haus vorbeikomme, unter dem der Hund wohnt, entdecke ich einen Regenwassertank. Durstig öffne ich meinen Mund und lass mir aus dem Wasserhahn die kostbare Flüssigkeit munden. Ich knie mindestens fünf Minuten nieder und trinke und trinke bis mein Körper genügend Wasser in sich hat, um sämtliche Schweißporen in Aktion zu setzen. Der Hund, der mich hier nicht erreichen kann, knurrt mich feindselig an. Dann schlurfe ich zu Tanja zurück und berichte ihr von der verlassenen Homestead. „Was sollen wir tun?“ ,fragt sie. „Keine Ahnung. Vielleicht warten wir noch ein halbe Stunde und wenn bis dahin keiner kommt müssen wir uns hier irgendwo einen Campplatz suchen. Unser Traum vom Heu und einen fliegenlosen Schreibplatz scheint sich in Luft aufzulösen,“ antworte ich.

Während wir mitten in der brütenden Sonne im Staub sitzen, mache ich mich noch mal auf, um unsere Tagestrinkwasserbeutel mit dem Regenwasser zu füllen. Dann sitzen wir willenlos herum und hoffen darauf das die Bewohner der Farm bald kommen werden. Nach weiteren 15 Minuten reiße ich mich zusammen, um an dem Spring Creek neben dem Farmhaus nach einem Schattenplatz für uns zu suchen. Einige Rinder springen durch das trockene Gras davon. Alles liegt voll alter, verrosteter Dosen, Eimer und sonstigen Zivilisationsmüll. Ich bin völlig deprimiert als ich zu Tanja zurückkomme und davon berichten muss keinen Schattenplatz gefunden zu haben.

„Und nun?“ ,fragt sie kraftlos. „Ich weiß doch auch nicht,“ antworte ich und würde mich am liebsten irgendwo in den Staub legen, um alle Viere von mir zu strecken. „Du kannst hier nicht Tatenlos herumsitzen. Reiß dich zusammen und ergreife die Initiative. Es geht immer weiter. Du bist nur müde. Morgen sieht alles wieder besser aus. Komm such einen Lagerplatz,“ fordert mich die innere Stimme auf die mir mittlerweile schon vertraut geworden ist. Mir einen Ruck gebend erhebe ich mich und lasse meinen Blick über die Landschaft kreisen. Überrascht entdecke ich auf der anderen Seite des Farmhauses einen weiteren Seitenarm des Spring Creek an dem saftige Schattenbäume wachsen. „Da drüben sieht es nicht schlecht aus. Lass uns die Gegend dort untersuchen,“ sage ich etwas zuversichtlicher.

Tatsächlich finden wir eine Allee von Gidyeabäumen die uns genügend Schatten spenden, um hier ein Schreibcamp aufzuschlagen. Auch gibt es genügend Fressbares für unsere immer hungrigen Expeditionspartner. Eine Stunde später sitzen wir in unseren Campstühlen und fühlen uns schon wieder besser. Wir trinken Wasser und beobachten unsere Kamele wie sie an den Büschen naschen als kurz vor der Dämmerung ein Jeep auf das Farmgelände fährt. „Ich geh mal hin und sage Hallo,“ meine ich mich langsam aus dem Stuhl erhebend.

„Hallo, meine Name ist Denis. Wir sind mit Kamelen unterwegs und campen dort unten am Creek,“ stelle ich mich vor. Überrascht sieht mich der junge Mann an und schüttelt mir die Hand. „Mein Name ist Rob,“ antwortet er. Ich bin erleichtert in ihm einen offenen freundlichen Menschen zu erkennen. Schnell erzähle ich ihm unsere Geschichte. Ich erfahre das Rob nur vorrübergehende hier ist, um auf die Station aufzupassen weil der Manager vor ein paar Wochen zu einer anderen Farm gewechselt hat. „Ich bleibe solange bis die Firma ein anderes Ehepaar gefunden hat die hier draußen leben wollen und die Station managen,“ erklärt er.

Rob bietet uns an uns wie Zuhause zu fühlen. Ich darf mich für meine Schreibarbeit in das leerstehende Haus der Managers setzen. Leider gibt es kein Heu, so das Tanja nicht ums Hüten herumkommt. Trotzdem sieht die Situation jetzt schon wieder viel besser aus als heute Nachmittag.

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