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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Pferdediebstahl

N 51°39'155'' E 099°21'977''
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    Tag: 311

    Sonnenaufgang:
    05:11

    Sonnenuntergang:
    21:28

    Gesamtkilometer:
    1361

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    15°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    10°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 10°C

    Breitengrad:
    51°39’155“

    Längengrad:
    099°21’977“

    Maximale Höhe:
    1858 m über dem Meer

Plötzlich kommt Bilgee auf Sar angeritten. Er hat Sharga dabei. „Dachte mir ihr braucht bestimmt Holz“, sagt er gut gelaunt. „Stimmt, ist schon seit Tagen keines mehr da. Tanja hat ein paar Äste und morsches Holz aus dem Wald gebracht“, antworte ich und deute auf das Holz neben dem Hackstock. „Muu Holz“, („schlechtes Holz“) sagt er. „Komm erst mal ins Tipi und trink eine Tasse Tee“, lade ich ihn ein. Kaum sitzt er auf seinem Bett, welches er bisher noch nie zum schlafen genutzt hat, reicht er Tanja einen Plastikbeutel in dem sich vier Fische befinden. „Oh Fisch. Wie hast du den gefangen?“, fragt sie. „Wollte euch eine Überraschung machen“, antwortet er lachend. „Dann besitzen die Haken, die ich dir mitgegeben habe, die richtige Größe?“ „Ich fing sie mit der Hand“, antwortet er. „Was? Mit der Hand?“ „Aber ja. Ich gehe mit meiner Hand unter einen Felsen, dort wo die Fische ruhen. Dann streichle ich sie am Bauch und werfe sie aufs Land“, berichtet er. „Du willst mich veräppeln?“ „Aber nein. Das habe ich schon als kleiner Junge so gemacht. Es funktioniert“, versichert er. „Weißt du was? Wir gehen jetzt Holz holen und danach bereite ich uns den Fisch zu. Was hältst du davon?“, frage ich nicht weiter auf seine Fangtechnik eingehend. „Eine gute Idee“, antwortet er.

Eine Stunde später bringen wir mit Sharga drei etwa 2 ½ Meter lange Baumstämme ins Camp. Während Bilgee die Stämme zersägt bereite ich wie versprochen den Fisch zu. Er schmeckt wunderbar. Obwohl ich diesen Moment genieße plagt mich ein unbestimmtes Gefühl. „Meinst du nicht das es riskant ist die Pferde unbeaufsichtigt zu lassen?“, frage ich Tanja. „Denke ein Pferdedieb stiehlt nur in der Nacht. Tagsüber hat er sicherlich Angst gesehen zu werden. Du weißt doch, die Hirten sitzen immer irgendwo in den Bergen und beaufsichtigen ihre Herden. Woher sollte ein Dieb wissen dass dies in unserem Fall nicht so ist? Außerdem befinden wir uns in der Taiga. Also weit weg von den touristischen Wegen. Bilgee meint hier gibt es keine Gefahr.“ „Aber den Tuwa hat man letztes Jahr direkt neben dem Camp sechs Pferde gestohlen. Das hat zumindest Tsaya erzählt“, erwidere ich. „Wie gesagt ich glaube nicht das unsere Pferde in Gefahr sind“, beruhigt mich Tanja.

Weil Bilgee nachts auf die Jagd gehen möchte fragt er ob Tanja ihn zu seinem Lager begleiten kann, um in seiner Abwesenheit auf die Pferde zu achten. „Ich würde eigentlich lieber bei dir bleiben. Ich war in der letzten Zeit lange genug unterwegs“, sagt sie zu mir. „Tanja muss an der Übersetzung meiner Texte arbeiten. Sie kann dich nicht begleiten. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt“, vertröste ich unseren Pferdemann. Mit neuen Proviant versehen und dem geliehenem Gewehr von Tso verlässt er uns wieder, um im Außencamp die Pferde zu hüten.

Tanja und ich sitzen an unseren Laptops als etwa zwei Stunde später Bilgee erneut auftaucht. „Asuudal!“, („Problem!“) ruft er noch bevor wir aus dem Tipi sind. „Asuudal? Was ist geschehen?“, fragen Tanja und ich fast gleichzeitig. „Od ist weg. Er wurde gestohlen“, schockt uns Bilgees Antwort. „Was? Gestohlen?“, frage ich ungläubig. „Tijmee“, antwortet er trocken. „Ich habe alles abgesucht aber er ist nicht mehr da. Ich hatte ihm Pferdefesseln angelegt. Da konnte der Dieb Od einfach nehmen. Er ist spurlos verschwunden. Ich war schon bei Gamba und wollte über sein Funkgerät die Polizei in Tsagaan Nuur verständigen. Aber um 18:00 Uhr war die letzte Kontaktmöglichkeit.“ „Lass uns zu Tsaya gehen. Dort können wir beraten was wir tun können“, schlägt Tanja vor. Während die beiden bei Tsaya sind sitze ich wie Falschgeld in meinem Klappstuhl und starre auf die Tasten meines Notebooks. Jetzt hat uns der Pferdediebstahl anscheinend doch erwischt. Obwohl wir sehr vorsichtig waren und auch dafür einen Pferdemann anstellten ist es nun doch geschehen. Ich kann es einfach nicht glauben. Bisher war es fraglich wie wir unsere Ausrüstung nach Tsgaan Nuur transportieren sollen. Naraa ist wegen ihrer Schwangerschaft noch immer nicht richtig bei Kräften. Weil Bor nicht auf die Fähre gehen wollte hat er von Bilgee so heftig eines auf den Hintern bekommen, dass er jetzt humpelt. Er war eh schon ein Knochengestell aber ein humpelndes Knochengestell ist sicherlich nicht mehr für eine Reise zu gebrauchen. Mein Pferd Sar, Bilgees Tenger und Sharga sind einsatzfähig. Aber worauf sollen wir unser Gepäck verladen? „So ein verdammter Mist. Die Taiga scheint uns einfach nicht mehr frei lassen zu wollen“, fluche ich leise vor mich hin.

„Es ergibt keinen Sinn den Pferdediebstahl bei der Polizei zu melden. Tsaya meint der Staatsdiener in Tsagaan Nuur wird sich bestimmt nicht darum kümmern“, berichtet Tanja als sie wieder im Tipi ist. „Kann ich mir vorstellen. Bei der Anzahl an Pferdediebstählen bräuchte die Mongolei ein dafür ausgebildetes Spezialkommando“, meine ich verdrießlich. „Bilgee war gerade mal vier Stunden weg und schon ist ein Pferd gestohlen. Wahrscheinlich haben wir noch Glück das sie nicht alle geklaut haben“, vermutet Tanja. „Kann sein. Glück im Unglück. Aber das tröstet mich jetzt auch nicht. So wie es aussieht haben wir wieder einmal einen klassischen Mongoleifall am Hals.Was schlägst du vor? Was sollen wir jetzt tun?“, frage ich. „Ich werde zum Außencamp laufen und auf die Pferde aufpassen während Bilgee sich auf die Suche nach Od macht“, antwortet sie. „Ob das Sinn ergibt?“, frage ich. „Keine Ahnung. Aber irgendetwas müssen wir tun.“ „Wenn du gehen möchtest dann tu das. Nimm Mogi mit. Der wird dich im Notfall beschützen“, meine ich und helfe Tanja beim Packen ihres Rucksackes. „Bis bald! Sehe dich im Camp!“, ruft Bilgee und trabt auf dem Rücken von Sar schon mal voraus.

„Pass auf dich auf“, sage ich zu meiner Frau wenig später. Wir umarmen uns, dann läuft sie mit Mogi an ihrer Seite in das zwei Stunden Fußmarsch entfernte Bilgee-Camp. „Hast du das große Pfefferspray dabei?“, rufe ich noch. „Ja habe ich eingesteckt!“, antwortet sie. Ich bleibe neben dem Tipi stehen und winke bis sie vom hohen Buschwerk verschluckt wird. Dann ziehe ich mich ins Tipi zurück, um weiter an unserer Geschichte zu schreiben. Ich versuche mich zu konzentrieren, was mir leidig gelingt. Meine Vorahnung bezüglich des Pferdediebstahls hat sich bewahrheitet. Ich hoffe Tanja kommt morgen zurück. Dann müssen wir uns einen Alternativplan einfallen lassen. Der Verlust eines Pferdes dürfte sich im Augenblick auf ca. 500.000 Tugrik (286 €) belaufen. Es gäbe die Möglichkeit ein Pferd von der Pferdefrau zu mieten. Das wären weitere 300.000 Tugrik ( 172 €) im Monat. Da wir noch mindestens zwei bis drei Monate mit Pferden unterwegs sein wollen summiert sich dieser Diebstahl auf 1,1 bis 1,4 Millionen Tugrik. (629 bis 801 €) Bilgees Fisch war somit sicherlich der Teuerste in unserem Leben.

Um 24:00 Uhr klappe ich meinen Laptop zu. Wieder krieche ich als Eremit in meinen Schlafsack. Noch lange blicke ich aus dem offenen Rauchabzug unseres Tipis in den wolkenverhangenen Himmel und grüble über eine Lösung dieser wiedermal aus dem Nichts kommenden Herausforderung nach bis mir endlich die Augen zufallen und ich in einen unruhigen Schlaf falle.

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