Auf dem Markt
N 45°36'45.6'' E 038°57'31.4''Mit ungutem Gefühl im Magen steigen wir ins Taxi und zeigen dem Fahrer die Adresse der Registrierungsbehörde die uns Tatjana von der Gastiniza gegeben hat. Die Taxifahrt kostet einen Pauschale von 45,- Rubel (1,3- ?) Als wir bei den Häuserkomplex ankommen zeigt uns ein hilfsbereiter Russe in welches der Gebäude wir gehen müssen. “Ich hoffe die ganze Prozedur dauert nicht ewig”, flüstere ich Tanja zu als wir das Amt betreten. Menschen kommen und gehen. Einige stecken gerade ihre Pässe ein andere legen sie auf den Tresen oder füllen Formulare aus. “Oh weh”, sage ich als ich das Treiben in dem Raum erkenne. Wir fragen an einem Schalter an dem gerade keine Menschen anstehen. Die Dame hinter der schmalen Glasscheibe ist freundlich. “Pässe bitte”, fordert sie uns auf die Reisedokumente durch die kleine Durchreiche zu geben. Als die Beamtin unsere Pässe studiert, die Passnummer und die Nummer des Visums in einen Computer eingibt, wundern wir uns wieder. “Kann es sein das man solch einen Aufwand betreibt nur weil man einen Tag länger in einer Gastiniza bleiben möchte?”, frage ich. “Sieht so aus”, antwortet Tanja. Gespannt beobachten wir wie der Drucker zwei große Formulare mit unseren Daten ausspuckt. Nach 20 Minuten reicht uns die nette Frau wieder die Pässe und viel Papier. “208,- Rubel (6,- ?) bitte”, sagt die Stimme hinter der Scheibe. Wir zahlen und als wir gehen wollen stoppt uns die Frau und deutet auf eine Tür. “Dort müssen wir hin?”, will ich wissen. “Da”, sagt sie. Nach einer kurzen Wartezeit klopfen wir an die Tür mit der Nummer sieben. Als wir sie öffnen fordern uns zwei etwa 30 Jahre alten Männer freundlich auf einzutreten. Mein ungutes Gefühl erhöht sich augenblicklich. “Setzen sie sich bitte”, sagt der eine Beamte zu Tanja und zeigt auf den Stuhl. Wir geben ihm unserer Papiere die wir soeben draußen erworben haben. Der Mann wirft einen kurzen Blick darauf, überprüft das Visum im Pass und fragt was wir hier tun. “Wir wollen nur eine Nacht länger in der Gastiniza bleiben und uns ein wenig ausruhen”, antworten wir. “Ausruhen? Sind sie Touristen?”, will er wissen. “Ja”, antworten wir weil wir nicht wissen was wir ansonsten antworten sollen. “Warum besitzen sie denn dann ein Geschäftsvisum?” “Wir arbeiten hier. Ruhen uns nur ein wenig aus”, antworten wir wieder. “Nun, dann lassen sie bitte die Papiere von der Gastiniza gegenzeichnen, kopieren sie alles und veranlassen sie bitte das die Papiere wieder zu uns kommen”, gibt er uns weitere Aufgaben. Mir wird heiß und kalt. “Wo sollen wir denn die Papiere kopieren lassen? Wo finden wir hier einen Copyshop?”, frage ich. Wegen der Sprachbarriere ist es nicht leicht all den Behördenkram und die Erklärungen zu verstehen. Trotzdem glauben wir den Mann verstanden zu haben und sind froh, dass er uns nicht mit weiteren Fragen löchert und auf dem Visum herumhackt. Wir atmen auf als wir das Büro verlassen und fahren mit dem Taxi diesmal für 50,- Rubel (1,50- ?) wieder zurück. Es ist bereits Mittag als wir in unserer Gastiniza ankommen.
Wir reichen Tatjana den Berg Papier. “Oh das ging aber schnell”, wundert sie sich. Offensichtlich dauert so ein Antrag meist länger. Nachdem sie die Formulare gestempelt und gegengezeichnet hat gibt sie uns alles zurück. “Nein, der Beamte hat gemeint du sollst es dort abgeben”, sagt Tanja schon alleine aus dem Grund nicht noch mal mit dem Taxi in die Stadt und zurück fahren zu müssen. Tatjana sieht uns überrascht an. Dann nimmt sie den Telefonhörer ab und wählt die Nummer von der Behörde. “Ich habe hier zwei Radfahrer. Ja, zwei Touristen. Was soll denn mit den Papieren geschehen?”, sagt sie in den Hörer worauf uns einige Hitzewellen durchdringen. “Was? Sie haben ein falsches Visum? Die sollen sofort kommen und Strafe bezahlen?”, schocken uns die Worte von Tatjana obwohl wir nicht sicher sind richtig verstanden zu haben. Tatjana legt den Hörer auf, sieht uns etwas verlegen an und berichtet, dass einer von uns sofort zur Registrierungsstelle fahren soll, um wegen dem falschen Visum Strafe zu zahlen. Wir sind geplättet. Mein Gefühl war also wieder einmal richtig. Wir hätten diese Behörden nicht kontaktieren sollen. Immerhin sind wir hier in Russland und genau von solchen Fällen hat man uns berichtet und gewarnt. “Die Beamten lassen keine Gelegenheit aus, um ihr niedriges Gehalt aufzubessern”, hat es unter anderem geheißen. Nun, haben wir angeblich ein falsches Visum. Mir ist ganz schlecht. “Ich mach das schon. Fang du an unsere Erlebnisse niederzuschreiben während ich zu den beiden Herren fahre. Ich bekomme das hin. Du weißt doch; Die Macht der Gedanken”, meint Tanja, schnappt sich die Pässe und den Papierkram und verschwindet. “Viel Glück!”, rufe ich noch hinterher und schalte den Laptop ein um einstweilen diese Zeilen zu schreiben. Etwas unkonzentriert und nervös tippe ich die Geschichte in den Kasten. Was ist wenn sie unser Visum stornieren? Werden sie uns des Landes verweisen? Welche Strafe sollen wir denn bezahlen? Unser Visum ist ein korrektes teures Geschäftsvisum. Schließlich arbeiten wir hier ja bald jeden Tag. Schreiben und fotografieren, um die Deutsch-Russische-Freundschaft zu fördern. Um Brücken zwischen den beiden Kulturen zu bauen. Um gegen die negative Vergangenheit zu arbeiten. Um Verständnis zu schaffen. Vorurteile abzubauen, um unsere Grüne Ader mit Leben zu füllen und jetzt sind wir gerade mal ein paar Tage da und man will uns ans Leder? “Ach was. Denk positiv. Es wird gut ausgehen. Es wird gut ausgehen. Es wird gut ausgehen”, sage ich immer wieder und bitte in einem Gebet an Mutter Erde darum das Tanja den Fall problemlos in den Griff bekommt.
Bereits eine Stunde später betritt Tanja unser Zimmer. “Wow, das ging ja schnell. Dachte vielleicht die Jungs dort hatten Mittagspause”, wundere ich mich. “Hatten sie auch. Aber die beiden Herren von Zimmer Sieben waren noch da und baten mich herein.” “Und? Wie ist es ausgegangen?” “Gut!” “Was gut? Na toll. Wie hast du denn das hingebracht?” “Er wollte wegen dem angeblichen falschen Visum tatsächlich 200,- ? von mir. Habe ich nicht, erklärte ich ihm. 200,- Dollar sind auch in Ordnung, meinte er. Habe auch keine 200 Dollar, berichtete ich ihm und fragte außerdem warum ich überhaupt etwas bezahlen soll? Hier hast du alle Papiere. Damit ist doch alles in Ordnung, meinte ich. Euer Visum ist falsch, antwortet er. Ich stellte mich etwas dumm, muss aber sagen, dass ich tatsächlich kaum verstanden hatte was er wirklich von mir wollte. Außer immer wieder die Forderung nach 200,- Dollar. Dann wurde er etwas verzweifelt und fragte auf dem Gang ob dort jemand Deutsch spricht. Tatsächlich hat er jemanden gefunden. Einen Deutschrussen mit perfekten Deutschkenntnissen. Er übersetzte mir das jeder der länger als 72 Stunden an einem Ort bleibt sich laut Paragraph 109 registrieren lassen muss.” “Jeder?”, werfe ich verwundert ein. “Angeblich ja. Aber das weiß ich nicht genau. Vielleicht gilt dieser Paragraph 109 nur für Ausländer. Wir haben auf jeden Fall das falsche Visum und wenn ich nicht bezahle dann macht er einen Bericht an eine höhere Stelle, drohte er. Ich erzählte ihm, dass wir genau das richtige Visum besitzen weil du Schriftsteller bist und ein Buch über die Deutsch-Russischen-Freundschaft schreibst. Dann wollte er ein Schreiben von der Visabehörde über unsere Arbeitsgenehmigung usw. Ich wiederholte die Sache mit der Deutsch-Russischen-Freundschaft und plötzlich bemerkte ich wie es in seinem Gehirn klickte. Er sah mich freundlich an. Nahm die Papiere und schüttelte mir die Hand. Ist also alles klar.” “Fantastisch. Sehr gut gemacht. Das war knapp. Egal welche Papiere, welches Visum, wenn die was finden wollen finden sie immer etwas. Das kennen wir ja zugenüge. Ich bin froh, dass du an seine Menschlichkeit appelliert hast und ich bin froh, dass die Russen anscheinend ein Herz besitzen das wie bei den meisten Erdbewohnern am rechten Fleck sitzt”, antworte ich. “Da hast du wohl Recht”, nickt Tanja.
“Angeblich müssen wir uns also in der Zukunft in jeder Stadt melden wenn wir länger bleiben wollen. Aber vielleicht ist es nur hier in dieser Region so”, meine ich nachdenklich. “Vielleicht. Würde uns ein Haufen Rennerei ersparen. Ich geh jetzt noch mal zu Tatjana. Sie muss in der Tat eine Meldung abgeben wenn wir weiter gezogen sind. Der Beamte hat mir erklärt das im Falle der Nichterfüllung dieser Pflicht die Gastiniza mit einer sehr hohen Strafe belegt wird.” “Wie hoch?” “Er sagte 450.000- Rubel.” “Was!? 450.000- Rubel? Das sind ja bald 13.000 ?. Das kann doch nicht sein? Die ruinieren ja jeden der den Meldezettel nicht abgibt. Stell dir vor man vergisst so etwas?” ereifere ich mich. “Hat er gesagt. Ich habe mir die Zahl extra aufschreiben lassen. Glaube nicht das der Beamte mir da einen Schmu erzählte.” “Was das wohl soll? Totale Überwachung. Und ich dachte die Überwachung bei uns im Westen ist schon schlimm. Aber was hier abgeht ist ja echt übel. Muss wohl noch ein Überbleibsel aus der Zeit des Kommunismus sein”, überlegen ich.