Skip to content
Abbrechen
image description
Ukraine/Jalta, Krim

Anders als gedacht

N 44°29'53.1'' E 034°10'42.9''

Das angenehme Rauschen der Wellen weckt uns an einen wundervollen, sonnigen Tag. Tanja hat für uns auf dem kleinen Balkon einen leckeren Frühstückstisch gedeckt. Wir sitzen in der Septembersonne und genießen frisches Weißbrot, Spiegeleier, Kaffee und Obst. Segel- und Frachtschiffe gleiten nicht weit von uns wie in einem unechtem Gemälde vorbei. Zypressen strecken sich bis zu unserer Aussichtsplattform, um sie links und rechts mit ihrem dunklen Grün zu säumen. Wir freuen uns über den Urlaubstag und lassen ihn dementsprechend langsam angehen bevor wir Jalta, den einstigen Lieblingsaufenthaltsort der Zaren und des Adels, besichtigen wollen.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf, um wieder die Gaststätte von gestern zu besuchen. Ich bestelle heute zum ersten Mal ganz waghalsig aus der Russischen Karte gebratene Pilze, Kartoffeln, Lammfilet und Salat. “Na du musst ja einen Hunger haben”, wundert sich Tanja. “Klar, Radfahrer haben auch im Urlaub Hunger”, antworte ich lachend und bestens gelaunt. Tanja lässt sich als Nichtfleischesserin Fisch und Salat bringen. “Man, was die da Majonäse draufhauen”, wundere ich mich als ich meinen Salat inhaliere. “Und wie schmecken deine Pilze?” “Magst ein paar?”, biete ich großzügig an und reiche Tanja ein Löffelchen davon. “Hm lecker.” “Ja lecker”, bestätige ich. “Aber das Lamm lammelt etwas. Nicht die Krönung”, füge ich noch hinzu. Wegen der Wärme und unserem Durst spülen wir die Mahlzeit mit zwei Bier hinunter und wegen unserer Urlaubslaune gebe ich der Kellnerin etwas mehr Trinkgeld als gestern. Dann laufen wir los, um die sonnendurchflutete Stadt zu erforschen.

Da es zu dieser Zeit kaum englischsprachige Touristen gibt sind alle angebotenen Besichtigungstouren nur mit Russischem Reiseleiter zu haben. Dafür sind unsere Sprachkenntnisse im Augenblick zu schlecht. Gerne hätten wir mehr über die Stadt erfahren, in der im Februar 1945, während des 2. Weltkrieges, die berühmte Jalta-Konferenz abgehalten wurde, deren Ziel die Beendigung des Krieges war. “Nun, was soll’s. Dann fahren wir halt mit der kleinen Seilbahn der Stadt nach oben, um diesem Kur und Erholungsort mal aus der Vogelperspektive zu sehen”, schlage ich voller Tatendrang vor, denn uns ist es egal was wir sehen. Es geht einfach nur darum hier zu sein, das Flair zu genießen und in der Welle der Urlaubslaune vieler Menschen mitzuschwingen. Ein optimaler Ort, um sich vor der nächsten Strecke bis nach Russland mit positiver Energie zu laden. “Ladys first”, sage ich und öffne Tanja die Tür zur kleinen Zweimanngondel. Dann springe auch ich in das schwankende Ding, zücke sofort meine Leica, um meiner Lieblingsbeschäftigung dem Fotografieren nachzugehen. Minuten später lacht mich Tanja an und fragt: “Na was ist denn mit dir los? Siehst ja fast ein wenig grün im Gesicht aus?” “Echt? Keine Ahnung warum. Es rumort ein bisschen im meinem Bauch aber das ist es bestimmt nicht. Nö mir geht es blendend”, antworte ich. Doch kaum sind mir die Worte von den Lippen gegangen spüre ich einen mächtigen Rülpser die Kehle hochkommen. “Na, na, na”, ermahnt mich Tanja. “Du hast doch nicht etwa heimlich Wodka mit deinen Busnachbar getrunken?”, scherzt sie. “Ha, ha, ha, hätte ich vielleicht machen sollen”, antworte ich kichernd. Dann verspüre ich plötzlich keine Lust mehr die Stadt zu fotografieren und bin froh als wir oben ankommen. “Magst du einen Kaffee?”, möchte Tanja wissen. “Nein heute nicht.” “Vielleicht ein Eis?” “Nein, Eis auf keinen Fall”, lehne ich ab und versuche einen noch heftigeren Rülpser zu verbergen. Während die Stimmung um mich herum nach wie vor bestens ist, die Menschen Eiskrem, Kaffe und Kuchen verzehren, beginnt sich mein Bauch wie eine Waschtrommel zu blähen.

“Sollen wir wieder runter mein Schatz?”, fragt Tanja mit sonnigem Gemüt. “Klar, ist ja nichts los hier”, antworte ich so cool wie möglich. Während der Talfahrt bringe ich es noch fertig ab und an die Kamera zu zücken, doch als mich der erste Schweißanfall übermannt habe ich auch dazu nicht mehr die geringste Energie. “Na du sprichst heute aber nicht viel”, fragt Tanja. “Was soll ich schon sagen”, beginne ich etwas herumzumuffeln. “Nichts mehr mit guter Laune?” “Doch sie ist bestens. Fühle mich nur etwas gebläht. Ich glaube die Pilze hatten was.” “Wie? Meinst du sie waren schlecht?” “Weiß nicht.” “Na dann lass uns doch mal zur Bushaltestelle laufen und sehen wann die Busse zurückfahren. Das Laufen bekommt dir bestimmt gut”, schlägt Tanja vor. Mehr schlecht als recht trotte ich Tanja dann hinterher. Mittlerweile fühle ich mich als hätte mir jemand den Stecker herausgezogen. Noch gestern habe ich die rülpsenden Russen im Bus verurteilt und jetzt rülpse ich selbst wie eine ganze Mannschaft angesoffner Nashörner. Auf dem Zahnfleisch erreiche ich den Busbahnhof und auf dem Rückweg fragt Tanja ob ich etwas zu trinken brauche. “Gerne”, sage ich, doch schon nach dem ersten Schluck Wasser rülpse ich nicht nur wie angesoffene Nashörner sondern wie ein dickes Flusspferd. “Heute Abend geht’s dir wieder besser. Dann sitzen wir beide auf unserem hübschen Balkon, trinken zur Feier unseres Hochzeittages einen Krimsekt und lassen es uns gut gehen. Ich hatte auch einen geblähten Bauch nach dem Mittagessen aber das Laufen hat gut getan.” “Du hast ja auch nur ein Löffelchen von den Pilzen probiert. Ich glaube in den Dingern haben eine Menge Bakterien gehaust und mich alle auf einmal angesprungen. Ohne Zweifel, da war was faul”, stelle ich fest als wir wieder in unserer Behausung angekommen sind.

Insgesamt setzen mich diese gemeinen und hinterlistigen Bakterien für 36 Stunde außer Gefecht, so dass wir nicht viel von Jalta sehen. Ohne Zweifel werde ich ab sofort nicht mehr über rülpsende Russen schimpfen, denn in den letzten Stunden war ich als rülpsender Deutscher um Klassen penetranter…

Wir freuen uns über Kommentare!

This site is registered on wpml.org as a development site.